Die Coronakrise wird die Ertragssituation zahlreicher unabhängiger Vermögensverwalter beeinträchtigen. Das führe unweigerlich zur Frage, ob ein «unrentabler» Vermögensverwalter noch glaubwürdig Kunden beraten könne, sagt Swisspartners-Chef Markus Wintsch im Gespräch mit finews.ch.

So hatte sich Markus Wintsch das nicht vorgestellt. Als er sich im letzten März in Kitzbühl in Österreich aufhielt, gingen die Grenzen zu. Seither ist der CEO des Zürcher Vermögensverwalters Swisspartners sozusagen im Exil in Quarantäne, wie er im Telefongespräch mit finews.ch bestätigt.

Die Erfahrung sei tatsächlich neu für ihn. Denn Homeoffice habe er in der Vergangenheit nie gemacht. Mittlerweile sei er aber sehr gut organisiert. Je zu einem Drittel besteht sein Arbeitstag nun aus Telefongesprächen und Videokonferenzen mit Kunden und Mitarbeitenden sowie aus administrativen Aufgaben und dem Beobachten der Finanzmärkte.

Als Ausgleich dazu unternimmt er früh morgens einen Spaziergang, abends absolviert er per Videoanleitung ein Workout. Mit ganz wenigen Ausnahmen (Empfang, Post, Dokumentation) arbeiten inzwischen auch die rund 100 übrigen Beschäftigten von Swisspartners von zu Hause.

Radikale Veränderungen in der Arbeitswelt

Wintsch ist überzeugt, dass die aktuelle Situation mittelfristig zu radikalen Veränderungen in der Arbeitswelt führt. «Viele unabhängige Vermögensverwalter werden ihre Büroflächen reduzieren und den Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, von zu Hause aus zu arbeiten», erklärt er. Damit liessen sich enorme Mietkosten einsparen. Ein Teil dieser freiwerdenden Mittel könnten dann in den Ausbau der persönlichen Infrastruktur für die Mitarbeitenden investiert werden – etwa in schnelle Rechner, grosse Bildschirme, effiziente Drucker, in die Datensicherheit und in zuverlässige Video-Conferencing-Tools.

Das Arbeiten von zu Hause werde noch einen anderen Trend freisetzen, sagt Wintsch: «Ich erwarte viel mehr das Bedürfnis nach Teilzeitpensen, besonders auch bei Männern, die nun während dieser Krise auf den Geschmack gekommen sind und künftig lieber 80 anstatt 100 Prozent arbeiten wollen. Wir lernen nun, wie wir Arbeit und Familienleben unter einem Dach in Einklang bringen können. Diesen wachsenden Bedürfnissen werden Arbeitgeber in der Finanzbranche in Zukunft Rechnung tragen müssen», so der Swisspartners-Chef, der im vergangenen Monat sein 25-Jahr-Jubiläum bei dem Unternehmen feiern konnte, nachdem er zuvor das Handwerk bei der einstigen Schweizerischen Bankgesllschaft (SBG) erlernt hatte.

Wechselvolle Geschichte

Das 1993 gegründete Unternehmen zählt heute mit rund 6 Milliarden Franken an Kundengeldern zu den grössten unabhängigen Vermögensverwaltern in der Schweiz. Im Jahr 2005 hatte die Liechtensteinische Landesbank (LLB) die Mehrheit der Gruppe übernommen.

Sieben Jahre später zeigte sich das Unternehmen im US-Steuerstreit selber bei den amerikanischen Justizbehörden an und konnte 2014 nach einer Zahlung von 4,4 Millionen Dollar eine Straverfolgung abwenden. Ein Jahr darauf verkaufte die LLB ihre Beteiligung an die heutigen Führungskräfte im Unternehmen.

«Ich bin vorsichtig»

Aufgrund der jüngsten Verwerfungen an der Börse rechnet Wintsch im laufenden Jahr mit einem Rückgang der verwalteten Vermögen um rund 10 Prozent. In den vergangenen Wochen hätten die Kunden zwischen 5 und 20 Prozent an Buchverlusten erlitten. «Doch wer investiert blieb, konnte dank der jüngsten Erholung, etwa die Hälfte seiner Verluste wieder wett machen», betont Wintsch. Dem seit gut einem Monat nun anhaltenden Aufschwung begegnet er allerdings mit Skepsis. «Ich bin vorsichtig», sagt er, «es könnte durchaus noch zu Korrekturen kommen, sobald Fakten und Zahlen vorliegen, welchen wirtschaftlichen Schaden die Coronakrise effektiv angerichtet hat.»

Insgesamt sieht er die kommenden Monate relativ gelassen: «Uns kommt zugute, dass es Swisspartners seit 27 Jahren gibt und wir in dieser Zeit ein komfortables Eigenkapital geschaffen haben.» Dies im Gegensatz zu anderen Vermögensverwaltern, die ihre Gewinne am Ende des Jahres aus der Firma herausnehmen.

Offen für Neuanstellungen

Vor diesem Hintergrund ist Wintsch auch grundsätzlich offen für weitere personelle Neuanstellungen. «Wir hätten sicherlich noch Kapazitäten für ein Dutzend Kundenberater», erklärt er, räumt aber ein, dass es aktuell nicht einfach sei, gute Leute zu finden. Schon vor dem Ausbruch der Krise hätten die Neuanstellungen abgenommen, zumal die Banken ihre besten Leute heute sehr gut halten würden.

Zudem hätten mit der Coronakrise die wenigsten Angestellten nun den Mut, sich ins Unternehmertum zu werfen. «Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach», bringt Wintsch die aktuelle Devise im Arbeitsmarkt auf den Punkt.

Kunden brauchen Liquidität

Die Krise werde auch die Konsolidierung unter den insgesamt etwa 2’500 unabhängigen Vermögensverwaltern in der Schweiz beschleunigen, ist der Swisspartners-Chef überzeugt. «Zahlreiche Unternehmer, die Kunden bei unabhängigen Vermögensverwaltern sind, werden einen Teil ihrer Wertschriftenanlagen verkaufen (müssen) und die Liquidität in die eigene Firma investieren», erklärt Wintsch.

Das werde die Ertragssituation einiger unabhängiger Vermögensverwalter erheblich beeinträchtigen. «Das führt früher oder später unweigerlich zur Frage, ob man als «unrentabler» Vermögensverwalter noch glaubwürdig Kunden beraten kann», unterstreicht er.

Neuerdings auch Liegenschaftenverwaltung

Für Swisspartners mit Büros in Zürich, Genf, Vaduz, Feldkirch sowie auf den Cayman Islands ist nicht Wachstum das vordringlichste Ziel, sondern die stete Verbesserung der Servicequalität – «um neue Kunden zu gewinnen», wie Wintsch erklärt. Aus diesem Grund bietet Swisspartners über die klassische Vermögensverwaltung hinaus auch Lebensversicherungen sowie Treuhanddienstleistungen und neuerdings Liegenschaftenverwaltung an. «Denn viele Schweizerinnen und Schweizer besitzen eine oder sogar mehrere Renditeliegenschaften», begründet Wintsch diesen strategischen Entscheid.

Den Löwenanteil oder gut die Hälfte macht bei Swisspartners die europäische Klientel aus, namentlich aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Holland und Grossbritannien. Rund ein Viertel sind Schweizer Kunden sowie je zehn Prozent US-Kunden sowie Kunden vor allem aus der Türkei und Israel. Grosse Veränderungen an diesem Mix erwartet Wintsch nicht

Gesundheit und spannende Gespräche

«Während der Finanzkrise von 2008 reagierten viele Kunden panisch», erinnert er sich. Im heutigen Umfeld sei es anders: Die Krise sei für alle sichtbar, jeder sei betroffen. «Primär geht es nun um Gesundheit und weniger um materiellen Wohlstand», betont Wintsch. Ausserdem stellt er fest, dass die Leute jetzt viel mehr Zeit hätten, sich mit ihren Portefeuilles und Anlagestrategien zu befassen.

Das führe zu äusserst spannenden Gesprächen, und bisweilen sogar zu Weiterempfehlungen bei neuen Kunden, sagt der swisspartners-Chef, bevor er sich verabschiedet, um auf Knopfdruck den nächsten Videocall mit einem Kunden zu starten.