Alternativen zum Dollar? Die Leitwährung im Stresstest
Diese Veranstaltung der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und des Zürcher Bankenverbandes (ZBV) widmet sich der Frage, ob es angesichts aktueller geld- und geopolitischer Spannungen realistische Alternativen zur Leitwährung gibt – oder ob der Dollar trotz aller Herausforderungen unangefochten bleibt.
David Alexander Meier, Chief Currency Strategist, Economic Research, Julius Bär, und Elias Hafner, Senior Investment Strategist, Zürcher Kantonalbank, geben vorab Einblick in ihre Einschätzungen.
Der jüngste Vertrauensverlust in den Dollar ist kein Zufall. «Die erratische US-Politik und insbesondere die Handelspolitik von Präsident Donald Trump haben das Vertrauen der Investoren untergraben», erklärt Meier. Zwar habe der Dollar schon vor Trumps Amtszeit an Stärke eingebüsst, doch die jüngste Abwertung sei klar eine Folge politischer Turbulenzen sowie der Erwartung weiterer Zinssenkungen der US-Notenbank (Federal Reserve).
Auch Hafner sieht die Ursachen in einer Mischung aus langfristigen und kurzfristigen Faktoren: «Zum einen ist die Bewertung des Dollar über die vergangenen Jahre gestiegen. Zum anderen hat sich die US-Fiskalsituation deutlich verschlechtert und damit die Abhängigkeit von ausländischem Kapital erhöht. Beides macht den Dollar anfälliger.»
Trumps erratische Zoll- und Aussenpolitik gegen Freund und Feind sei jedoch klar als Auslöser des Vertrauensverlustes und der diesjährigen Dollar-Korrektur zu sehen, so Hafner weiter.
Auswirkungen auf Schweizer Anlegerinnen und Anleger
Für Schweizer Anleger schlägt die Dollar-Entwicklung spürbar durch. «US-Aktien machen rund 65 Prozent der globalen Marktkapitalisierung aus. Für viele Anleger ist der US-Markt neben dem Heimmarkt der wichtigste Kapitalmarkt. Trotz positiver Performance am US-Markt stehen Anleger in Franken gerechnet wegen der Abwertung des Dollar im Minus», erklärt Hafner.
Auch Meier beobachtet, dass viele Anleger Dollar-Positionen reduziert haben: «Viele haben in andere Währungen und in sichere Häfen wie den Franken, den Yen oder Gold umgeschichtet.»
Bei institutionellen Investoren zeichnet sich laut Hafner ein differenziertes Bild ab: «Der Umgang mit Dollar-Anlagen ist vermehrt ein Thema, ein Aktivismus ist allerdings nicht zu spüren. Grössere Veränderungen wie stark angepasste Hedge-Quoten oder deutliche Dollar-Untergewichte sind die Ausnahme.» Gründe dafür seien unter anderem die Orientierung vieler Anleger an Benchmark-Gewichten sowie die hohen Absicherungskosten für Franken-Investoren.
Laufende Anpassung oder Durchhalten?
In der Frage, wie Anleger mit der Situation umgehen sollten, rät Meier: «Eine taktische Anlagestrategie sollte regelmässig überprüft und bei Bedarf angepasst werden.»
Hafner ergänzt: «Die Anlagestrategie ist langfristig auszurichten und sollte sich an der Risikofähigkeit und -bereitschaft des Anlegers oder der Anlegerin orientieren.» Taktische Anpassungen seien jedoch sinnvoll, da die aktuellen Geschehnisse Risiken sowohl für US-Anlagen als auch für Währungen bergen. «Ein reduziertes Exposure zu Dollar-Anlagen ist eine taktische Überlegung», betont er.
Gibt es Alternativen zum Dollar?
Beide Experten sind sich einig: Eine echte Ablösung des Dollars ist derzeit nicht in Sicht. «Der Dollar erfüllt nach wie vor die Voraussetzungen einer Leitwährung am besten», betont Meier. Dazu gehört eine tiefe Finanzmarkt-Tiefe, stabile Institutionen, der Schutz von Eigentumsrechten und militärische Schlagkraft. Dem Euro fehle es an Markttiefe ebenso wie an geopolitischer Durchsetzungskraft.
Hafner ergänzt: «Der Abstand zum Euro oder Renminbi ist zu gross, Hindernisse wie Kapitalverkehrs-Kontrollen oder fehlende Finanzmarkt-Integration bestehen weiterhin.»
Zwar habe Gold an Bedeutung gewonnen und den Euro als zweitgrösste Reserveposition überholt – doch an der Dominanz des Dollars ändere das vorerst wenig. «Die Dollar-Dominanz widerspiegelt seit längerem die ökonomischen Grössenverhältnisse nicht mehr, und der erlittene Vertrauensverlust dürfte dazu führen, dass andere Währungen profitieren – mehr aber nicht.», so Hafner.
Positive Realzinsen – und trotzdem schwächerer Dollar
Auf den ersten Blick wirkt es paradox: Der Dollar wertet ab, obwohl die implizite reale Verzinsung im positiven Bereich liegt. Meier führt dies vor allem auf die Politik zurück.
«Nebst der Trump-Risikoprämie und dem Vertrauensverlust in Dollar-Anlagen wirkt das makroökonomische Umfeld zunehmend als Gegenwind. Der Dollar befindet sich derzeit in einer Konsolidierungsphase, nachdem die Worst-Case-Strafzoll-Szenarien vom Liberation Day im April nicht eingetreten sind. Doch Zinssenkungen der Federal Reserve und die schwächere US-Konjunktur könnten den Dollar weiter belasten. Auch die jüngsten Versuche von Präsident Trump, die unabhängige Zentralbank zu beeinflussen, bergen das Risiko, das Vertrauen weiter zu beschädigen», erklärt Meier.
Hafner ergänzt: «Bereits, wenn die Erwartungen für Zinssenkungen steigen, leidet der Dollar – nicht nur erst, wenn die Zinsen tatsächlich gesenkt werden. Zudem fordern Investoren für das Halten von US-Staatspapieren inzwischen eine gestiegene Laufzeitenprämie – die relativ hohen Renditen widerspiegeln also auch den Vertrauensverlust.»
Fazit: Der Dollar bleibt im Stresstest
Meier und Hafner sind sich einig, dass es neben dem Dollar trotz Vertrauensverlust und politischer Unsicherheiten kurzfristig keine echte Alternative als Leitwährung gibt. Doch die Diskussion zeigt auch: Diversifikation nimmt an Bedeutung zu, Gold und andere Währungen gewinnen an Gewicht.
- Genau diese Punkte werden am Finance Circle weiter thematisiert. Melden Sie sich online an.