André Kistler: Aus der Lebensschule eines Vermögensverwalters

Hat die Welt wirklich noch auf ein weiteres Investmentbuch gewartet? Das ist die naheliegende Frage, wenn man «Aktien – Souverän investieren» in den Händen hält. Immerhin, mit dem in der Finanzbranche bekannten Schweizer Vermögensverwalter André Kistler bürgt ein berufener Autor für inhaltliche Relevanz.

Er hat das Bankmetier von der Pike auf gelernt und in den vergangenen mehr als dreissig Jahren auch als Unternehmer bewiesen, dass er etwas kann. Dabei war Kistler nie ein Mann der lauten Töne, sondern eher ein umsichtiger und bedachter Zeitgenosse, der vor allem zuerst sorgfältig analysiert und daraus seine Einsichten ableitet – um tatsächlich «souverän zu investieren».

Halbes Jahrhundert Börsenerfahrung

Das ist insofern bemerkenswert, zumal Kistler seine mittlerweile gut 50-jährige Börsenerfahrung nicht mit einem Hochschulstudium begründet hat, sondern 1971 eine Lehre bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) absolvierte, die damals in vielen Funktionen mit renommierten Fachleuten bestückt vermutlich die beste Ausbildungsstätte für angehende Bankleute in der Schweiz war.

Und wer sich einsetzte, wurde dafür zumeist auch belohnt – Kistler, indem er nach dem Lehrabschluss in die angesehene Research-Abteilung der SBG wechseln durfte.

Turbulente Zeiten und Zyklen

Das vorliegende, relativ schwere Buch mit seinem eleganten Silbereinband lässt sich möglicherweise als Kistlers Memoiren deuten, selbst wenn dieses Werk nicht einen solchen Anspruch erhebt. Doch neben den höchst wertvollen Anleitungen und konkreten Beispielen für ein vernünftiges, sicheres und nachhaltiges Investieren – und nicht Spekulieren – sind es vor allem die persönlichen Gedanken des Autors zwischen den Zeilen sowie die historischen Assoziationen, die Lesegenuss bieten.  

Kistler begnügt sich nicht mit einschlägig bekannten Argumenten für das Investieren, sondern erklärt, warum Aktien der Schlüssel zu nachhaltigem Wohlstand sind. «Wer langfristig investiert, trägt zur wirtschaftlichen Teilhabe bei und profitiert vom Fortschritt», heisst es in dem Buch. Seine Erkenntnisse stellt Kistler in einen chronologischen Kontext und zeigt damit auf, dass es an der Börse immer schon turbulente Zeiten und Zyklen gegeben hat. Gerade diese Erkenntnis droht heutzutage in unserer so schnelllebigen und hektischen Zeit in Vergessenheit zu geraten.

Bekanntschaft mit Steve Jobs

Dank seiner Berufserfahrung in den USA war Kistler auch früh am Puls einer neuen Ära und durfte bei Hambrecht & Quist in San Francisco den Börsengang von Apple begleiten und dabei Bekanntschaft mit Steve Jobs und Steve Wozniak machen. Solche Erinnerungen relativieren die «Hypes» von heute und lassen bedachte und umsichtige Anlegerinnen und Anleger demütig und bescheiden werden.

Genau diese Tugenden strahlen aus diesem Buch heraus und machen es auf diese Art einzigartig. Die konzisen Beschreibungen jener Persönlichkeiten, welche Kistlers Berufsleben nachhaltig geprägt haben, liefern gegen Ende des Buches nochmals wertvolle Informationen über Berufsleute, die heute nur noch wenige kennen und einst so bedeutend waren. Kistler erweist ihnen eine verdiente Referenz

Überangebot an Publikationen

Tatsächlich hat die Welt nicht auf dieses Buch gewartet. Gleichwohl ist es verdienstvoll, dass es dieses Werk nun gibt. Es setzt sich «souverän» von dem Überangebot an Publikationen ab, die aus reinem Umsatzdenken, aus Profilierungsgründen oder aus leeren Versprechen übers schnelle Reichwerden auf den Markt kommen. Kistlers Buch ist ein Kleinod mit grosser Wirkung.       


  • «Aktien – Souverän investieren», André Kistler, 224 Seiten, ISBN: 978-3-033-11274-2, Preis: ca. 36 Franken.