Private Markets: Noch ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht

Seit 2024 ist HarbourVest Partners mit einem Zürcher Büro auch in der Schweiz präsent. Der auf Private Markets (Private Equity, Private Debt und Infrastructure) spezialisierte Anbieter beschäftigt hierzulande sieben Mitarbeiter.

Sie bilden das Schweizer Team, in dem auch Daniel Signer seit einem Jahr als Head of Institutional Investor Relations Switzerland tätig ist. Vor seinem Antritt bei HarbourVest war Signer im Multi-Asset-Bereich von Vontobel und beim Pensionskassenberater Complementa tätig.

Auf gutem Weg, Ziele in der Schweiz zu erreichen

Nun ist HarbourVest zurzeit beileibe nicht das einzige Finanzinstitut, das hierzulande die Trommel für Private-Markets-Anlagen kräftig rührt. «Der Markt ist breit genug, das Interesse der Kunden gross, und ihre Anforderungen sind so unterschiedlich, dass immer noch genügend Raum für die Anbieter vorhanden ist», hält Signer fest. «Unser Haus profitiert davon, dass wir schon 40 Jahre in diesem Bereich tätig und im Privatbesitz sind.» Und er lässt durchblicken, dass man auf gutem Weg sei, in der Schweiz die Ziele für das laufende Jahr zu erreichen.

Zudem besteht eine enge Zusammenarbeit mit Private-Equity-Managern, da HarbourVest in Drittfonds investiert und weltweit einer der grössten Sekundärmarkthändler ist. Dieser Markt hat für Privatmarktanlagen an Bedeutung gewonnen, weil der klassische Ausstieg (Exit) über einen Börsengang (Initial Public Offering, IPO) schwieriger geworden ist.

Verstopfte IPO-Pipeline bremst Wachstum kaum

Die verstopfte IPO-Pipeline führt dazu, dass weniger Kundengelder reinvestiert werden können und damit Mittel fehlen. HarbourVest ist davon weniger betroffen. «Für unsere Liquidität ist der Sekundärmarkt zentral. Wir kaufen und verkaufen dort Portfolios von Kunden (Limited Partners) und von anderen Fondsmanagern (General Partners)», erklärt Signer.

Das Wachstum scheint dies nicht zu bremsen. Seit 2000 hat sich die Grösse der Private Markets verzwanzigfacht. Signer sieht aber noch viel Potenzial, auch wenn die durchschnittliche Quote einer Schweizer Pensionskasse in den letzten zehn Jahren bereits markant gestiegen ist. 2015 betrug der Wert 2,8 Prozent, 2024 waren es 7 Prozent. «Ein wichtiger Grund für das Wachstum ist, dass es heute bei den traditionellen Assets wie Staatsanleihen keine sicheren Erträge ohne Risiken mehr gibt, sondern nur noch ertragslose Anlagen mit Risiken», bringt es Signer auf den Punkt.

«Höhere Rendite, grössere Auswahl und weniger einseitiger Branchenmix»

Schweizer Pensionskassen müssen Private Equity & Co als alternative Anlagen ausweisen. Für diese gilt eine Obergrenze von 15 Prozent, die aber mit einer begründeten Erweiterung der Anlagerichtlinien überschritten werden kann. Das ist bereits bei 13 Prozent der Pensionskassen der Fall. Das Wachstum geht zu einem grossen Teil zulasten der Obligationen, aber auch innerhalb der alternativen Anlagen kommt es zu Verschiebungen. So ist der Hedge-Funds-Anteil rückläufig, und bei den Private Markets ist Infrastruktur besonders beliebt.

Ein Argument, dass die Branche immer wieder vorbringt, ist der fundamentale Wandel in der Beziehung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Aktienmarkt. Immer weniger Unternehmen weltweit sind kotiert, viele ziehen es vor, auf Dauer privat zu bleiben. Signer erläutert: «Kunden investieren heute in Private Equity, weil die Rendite höher, die Auswahl viel grösser, der Branchenmix weniger einseitig und die Governance besser ist als an den Börsen.»

Bessere Governance als bei kotierten Unternehmen?

Doch weshalb soll ausgerechnet die Governance bei privat gehaltenen Unternehmen besser sein? Signer argumentiert damit, dass dort die Interessen auch der Führung konsequent auf die langfristige Steigerung des Unternehmenswerts ausgerichtet sind. «Ein wesentlicher Teil der Vergütung wird oft erst dann fällig, wenn es zu einem Weiterverkauf kommt.» Typischerweise beträgt der Anlagehorizont bei Private Equity sechs Jahre, wobei die HarbourVest-Fonds auch länger laufen.

Ein Blick auf die nackten Zahlen legt den Schluss nahe, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist. Gemäss Daten von HarbourVest (Pitchbook, Preqin, MSCI, and HarbourVest) gibt es weltweit 186'000 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 5 Millionen Dollar. Davon sind nur 4 Prozent börsenkotiert, immerhin 17 Prozent finanzieren sich über Private Equity. Doch bei der Kapitalisierung sieht das Bild ganz anders aus. Die Börsen weisen mit 88 Billionen Dollar den achtfachen Wert des Private-Equity-Marktes aus.

Auch volkswirtschaftlich betrachtet sind Private Markets wichtiger geworden. Vor der globalen Finanzkrise von 2008 haben mittelgrosse Unternehmen drei Viertel ihrer Kredite bei Banken geholt. Heute beträgt der Anteil der Banken noch 12 Prozent, Private Debt gehört zu den Gewinnern.

Kein Trend zu Passivanlagen wie bei Aktien, aber Annäherung an klassische Fondswelt

Viele Anbieter werben damit, dass sie die Anlageklasse «demokratisieren» und damit dem Retailinvestor zugänglich machen wollen. Könnte es mittelfristig zu einer «Passivierung» wie bei Aktien kommen, wo mittlerweile viele Retailer über Exchange Traded Funds (ETF) anlegen und gar keine Spezialisten mehr benötigen?

Signer hält ein solches Szenario nicht für realistisch. «In Private Markets gibt es keinen täglichen Handel, die Liquidität ist beschränkt, die Strukturen sind komplex, es handelt sich um ein ressourcenintensives Geschäft, das viel Knowhow erfordert.» Allerdings können die Evergreen-Fonds, die im Gegensatz zu klassischen Private-Market-Fonds grundsätzlich ewig laufen, gemäss Signer durchaus als «Annäherung an die klassische Fondswelt» interpretiert werden.