Vor einem Jahr wurde Andrea Orcel als Santander-CEO entlassen, noch bevor er den Job antreten konnte. Seitdem versucht er Geld und Ansehen zurückzugewinnen. Dafür fehlt ihm ein neuer Job.

Anfang Januar 2019 flog Andrea Orcel von London nach Madrid, um mit der Präsidentin von Santander, Ana Botin, zu Mittag zu essen. Der italienische Banker, der wenige Monate zuvor noch die UBS-Investmentbank geführt hatte, wollte als angehender Santander-CEO den Tag nutzen, um über die Details seiner Strategie für die spanische Grossbank zu besprechen. Stattdessen erwartete ihn eine unerfreuliche Überraschung: Er wurde entlassen

Orcel, der als einer von UBS-Chef Sergio Ermottis potenziellen Nachfolgern gegolten hatte, stand ohne Job da. Obwohl ihm die UBS für sein Bleiben ursprünglich mehr Verantwortung und eine klare Position als CEO-Nachfolger angeboten hatte, war es für eine Rückkehr zur Schweizer Bank nun zu spät. 

Klage gegen Santander

Seitdem pflegt Orcel sein weltumspannendes Netzwerk – und führt einen Rechtsstreit gegen Santander. Nach einigen Monaten Bedenkzeit verklagte der Banker seine Beinahe-Arbeitgeberin auf 100 Millionen Euro, die ihm als Kompensation für entgangene Boni aus seiner UBS-Zeit und Lohn an der Spitze von Santander zugestanden hätten. 

Dem lebenslangen Überflieger fällt das Nichtstun allerdings nicht leicht. Schon von Kindesbeinen an wurde Orcel eine strikte Arbeitsethik vermittelt, ebenso wie offenbar auch seinem Bruder Riccardo Orcel, der Vize-CEO der russischen Bankengruppe VTB ist.  

Den Ruf reparieren

Auch wenn der 56-Jährige seinem Schicksal gelassen gegenübersteht, wie Personen aus seinem Umfeld sagen, will er für das kämpfen, was er als sein Recht ansieht. Er möchte seinen Ruf wiederherstellen – und dann zurück an die Arbeit gehen. 

Aber: «das Geld kann man wieder verdienen – den Ruf nicht», hat er engen Vertrauten gesagt. Dementsprechend sieht er seine verzwickte Lage als persönliche Herausforderung, zu der auch der Rechtsstreit mit Santander gehört. Wenn das Verfahren vor einem spanischen Richter im Frühling beginnt, kann dieser entweder direkt entscheiden oder eine ausführliche Gerichtsverhandlung anordnen. Dabei hätte die Bank deutlich mehr zu verlieren als Orcel. 

Das Bad-Leaver-Problem

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens scheinen sich dem Banker drei Möglichkeiten zu bieten. Falls eine Bank gewillt ist, ihn für die gesperrten UBS-Boni zu entschädigen, ist als CEO einer andern Konkurrentin des Schweizer Instituts mit ihm zu rechnen. Alternativen wären eine eigene Beratungs-Boutique oder ein aktivistischer Hedgefonds, wie es aus seinem Umfeld hiess. 

Das Problem bei diesen Optionen bleibt allerdings, dass er damit für die UBS zum «Bad Leaver» würde und den Anspruch auf etwa 1 Million Aktien verlöre. 

Adrenalin-Junkie

Trotz dieser Hindernisse muss er sich um die Zukunft keine Sorgen machen. Wenige sind in der Finanzbranche so gut vernetzt wie er; obwohl er keine Mandate annehmen darf, ist er viel unterwegs und trifft Kontakte. Gleichzeitig nützt der Arenalin-Junkie den vergleichsweise leeren Terminkalender seinen Neigungen entsprechend. 

Neben der Zeit mit seiner Tochter im Schulalter spielt er Eishockey und hat sich kürzlich in den Ferien am Kampfsport Mixed Martial Arts versucht. 

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