Die Europäische Zentralbank fordert immer energischer eine Konsolidierung im europäischen Bankensektor. Finanzprofessor Manuel Romera schreibt in einem Essay auf finews.ch, welche Teile der UBS und der Credit Suisse zusammen passen würden.

Eine transnationale Grossübernahme oder -fusion im europäischen Bankensektor war im vergangenen Jahr allseits erwartet worden. Doch blieb sie bislang aus.

Dass keine solchen grenzüberschreitenden Fusionen vollzogen werden, ist in erster Linie auf den Protektionismus der verschiedenen Regierungen und Zentralbanken zurückzuführen. Hinzu kommen erhebliche regulatorische Unterschiede zwischen den Ländern, vor allem in den Bereichen Solvenz, Vertragsrecht und Verbraucherschutz, sowie unterschiedliche kulturelle Ansätze.

Es gibt aber noch einen zweiten, wichtigeren Grund. Und zwar die Dringlichkeit, die Solvenz der Finanzinstitute zu stärken, die sich in einigen Fällen in ihrer Existenz bedroht sehen. Dazu gehört notwendigerweise die Senkung der Personalkosten, der Hauptkostenfaktor im Banking.

Bei grenzüberschreitenden Fusionen gibt es kaum Überschneidungen, also würde auch der Personaletat kaum beschnitten werden. Aber bei inländischen Fusionen führen der Personalabbau und die Schliessung von Filialen tatsächlich zu einer Verbesserung der Rentabilitätskennzahlen und damit der Solvenz.

Nationaler Beigeschmack

Ein gutes Beispiel für den auf Länderebene bestehenden Protektionismus im Finanzsektor ist der anhaltende Versuch, die Einlagensicherungsfonds der EU-Mitgliedsländer zugunsten eines einzigen, globalen europäischen Einlagensicherungssystems (EDIS) zu vereinen: Das Projekt wird immer wieder verschoben. Hinzu kommt die Anwendung des SRM, des einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus'.

Trotz der angeblich homogenen Kriterien hat jeder Beschluss in der Praxis einen nationalen Beigeschmack. Beispiele sind die Banco Espírito Santo in Portugal, die Banca Monte dei Paschi di Siena in Italien und die Banco Popular in Spanien.

In allen Fällen wurden die Lösungen in den Herkunftsländern der betreffenden Banken ausgearbeitet und entwickelt. Das deutet darauf hin, dass die wahre, vollständige Europäische Bankenunion noch in weiter Ferne liegt.

Schwindende Einnahmen und Renditen

Währenddessen durchlebt der Finanzsektor sehr schwierige Zeiten: Der Euro Stoxx Banks, der wichtigste börsengehandelte Indexfonds für Banken, hat 2020 einen Rückgang von mehr als 20 Prozent erlitten und im vergangenen April mit einem Kursverlust von 50 Prozent seinen Tiefpunkt erreicht. Zusätzlich zu den sehr geringen  Margen verheisst die durch Covid-19 entstandene wirtschaftliche Realität eine schwierige Zukunft in Form von Zahlungsausfällen und entsprechend höheren Rückstellungen.

Damit nicht genug: Der Appetit der Kunden auf Kreditaufnahmen hat in den vergangenen Jahren erheblich nachgelassen. In Ländern wie Spanien hat sich das Kreditvolumen im Vergleich zu vor zehn Jahren um 35 Prozent reduziert. In den vergangenen Jahren ist die installierte Kapazität sowohl im Hinblick auf die Geschäftsstellen als auch beim Personal der europäischen Retailbanken um ein Drittel zurückgegangen.

All diese Faktoren sind dafür verantwortlich, dass die durchschnittliche Aktionärsrendite (ROE) im europäischen Bankwesen 6 Prozent beträgt, während sie in den USA bei 12 Prozent liegt, um eine Vergleichszahl zu nennen.

Ansprüche der Regulatoren

Im Finanzsektor besteht ein grosser Bedarf nicht nur an Bankenfusionen zur Kostensenkung, sondern auch an einer strategischen Anpassung an die Regulierungsbehörden, die in Bezug auf Kapitalquoten und Krisen-Polster immer unruhiger und anspruchsvoller werden.

Zudem sollte der Investitionsfluss in Richtung Technologie erhöht werden. Tatsächlich gewinnen die Fintech-Wettbewerber immer mehr an Bedeutung und stellen eine echte Alternative zum traditionellen Bankgeschäft mit einem milderen rechtlichen Ordnungsrahmen dar.

Allerdings ist der Konzentrations- und Fusionsprozess in einigen Ländern nicht so weit fortgeschritten wie in anderen. Als Richtwert gilt, dass der Marktanteil der fünf grössten Banken am Gesamtvermögen in Griechenland 97 Prozent und in Spanien 70 Prozent beträgt, während es in Deutschland gerade mal 30 Prozent und in Grossbritannien 35 Prozent sind.

UBS mit CS: Beeindruckende Synergien

Die Schweizer Banken UBS und Credit Suisse, die wegen einer möglichen Fusion in aller Munde waren, liegen mit einer Eigenkapitalrendite von rund 9 Prozent und Kapitalquoten (CET1) von 14 Prozent über dem Durchschnitt der europäischen Banken. Ein Schulterschluss würde aufgrund ihrer sehr ähnlichen Geschäftsmodelle beeindruckende Synergien und Kosteneinsparungen erzeugen, die laut J.P. Morgan ein Drittel der Gesamtkosten beider Institute im Investmentbanking ausmachen könnten.

Es würden dabei jedoch auch Integrationskosten in ähnlicher Höhe der Kosteneinsparungen entstehen. Deshalb muss hier gut gerechnet werden. Bei der Analyse einer Fusion deutete die Finma an, annähernd 5 Milliarden Franken mehr an Kapitalanforderungen zu verlangen, um das entstehende Systemrisiko abzudecken. Zahlreiche Faktoren bremsen eine Fusion aus.

Wo eine Fusion wirklich Sinn machen würde

Meiner Ansicht nach ist in bestimmten Segmenten, wie der Vermögensverwaltung, der Kooperationsgedanke in der Tat viel ausgeprägter als im Gesamtunternehmen. Eine solche Allianz könnte das Investmentbanking stärken.

Beispielsweise wäre die Fusion des Anleihengeschäfts der UBS und des Aktiengeschäfts der Credit Suisse eine ideale Ergänzung, zwar etwas weniger ehrgeizig als die Fusion selbst, aber realistischer in der Umsetzung. So hat die Credit Suisse verlauten lassen, ihr Wachstumsgebiet liege künftig eher in Asien und den Schwellenländern.

Angesichts der grossen Schwierigkeiten für das Bankgeschäft besteht die Herausforderung jetzt darin, neue digitale Geschäftsmodelle sowie Bilanz- und Regulierungsgleichgewichte zu finden und ferner zu verstehen, welchen Schwierigkeiten sich die Banken ausgesetzt sehen, um weiter bestehen zu können und um ein rentables Geschäft zu gewährleisten.


Manuel Romero ist Finanzprofessor an der IE Business School in Madrid. Er ist Risikoexperte und Spezialist für Bewertungsberechnungen von Firmen. Zudem schult er Risikomanager von Grossbanken bezüglich der Basel-Kapitalvorschriften. 

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