Romeo Lacher, Präsident von Julius Bär, ehemaliger Börsenstratege und Grossbanker, gilt als bekanntestes Geheimnis am Finanzplatz. Gut möglich, dass er in den kommenden Monaten mehr ins Licht tritt.

Die Suche nach einem neuen Chef für Julius Bär und das grosse Reinemachen nach der Geldwäscherei-Rüge der Aufsicht gegen die Privatbank; desgleichen die neue Strategie für die Börsenbetreiberin SIX und das Vizepräsidium im Bankrat, der über die Schweizerische Nationalbank (SNB) wacht: Romeo Lacher hat seit dem Jahr 2017 alle Hände voll zu tun gehabt.

Damals war der heute 61-jährige Schweizer Top-Banker bei der Credit Suisse (CS) ausgeschieden – die Grossbank, die er im Rückblick wohl verlassen musste, um sein volles Potenzial auszuschöpfen. Nichtsdestotrotz verdankt er seiner fast 30-jährigen Karriere beim Institut vieles von dem, was ihn heute ausmacht. 1990 hatte der an der Universität St.Gallen (HSG) ausgebildete Ökonom dort im Marketing begonnen. Dabei sollte es nicht bleiben.

Absprung bei der Credit Suisse

Ausserhalb von Finanzkreisen relativ unbekannt und regelmässig unterschätzt, wird Lacher von denen, die mit ihm über all die Jahre zusammengearbeitet haben, als äusserst professionell, detailorientiert und zugänglich beschrieben.

Bereits Ende der 1990er-Jahre in Führungsrollen berufen, arbeitete sich bei der CS zuerst im Handel und später in der Privatbank nach oben. Sieben Jahre lang leitete er das operative Geschäft und das Produktmanagement, bevor er seine Karriere bei der Grossbank als operativer Leiter der damals von Iqbal Khans geführten Internationalen Vermögensverwaltung (IWM) beendete – dies nach einem persönlichen Rückschlag.

Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings bereits umfangreiche Erfahrungen ausserhalb der Grossbank gesammelt. So etwa beim Schweizer Finanzinformations-Anbieter Telekurs (heute ein Teil der Börsenbetreiberin SIX), zu dessen Verwaltungsrat er im Jahr 2002 gestossen war.

Die Ärmel hochgekrempelt

Später vertrat er die CS im Verwaltungsrat der nämlichen SIX, wo er ab 2008 zum Vizepräsidenten und 2016 zum Präsidenten aufstieg. Obwohl Lacher bei der Börse schon immer eine treibende Kraft war, erwies sich die Neugestaltung der Strategie für den Finanzinfrastruktur-Konzern im Jahr 2018 als goldene Gelegenheit, seine Marke zu setzen. Die Chance liess er sich nicht entgehen.

Lacher, der für tadellose Vorbereitung und Präzision bekannt ist, krempelte die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit. Im Zuge der Neuausrichtung verkaufte die SIX ihre Cash-Cow, das Payment-Geschäft, an den grösseren französischen Konkurrenten Worldline (wo Lacher ebenfalls im Verwaltungsrat sitzt). In einem nächsten Schritt wurde die Internationalisierung des Börsenhandels forciert.

Verbündete fand Lacher in den SIX-Verwaltungsratskollegen Sabine Keller-Busse, damals operative Chefin (COO) der UBS, Urs Beeler, dem Trading-Verantwortlichen bei der CS, sowie Jürg Bühlmann, dem damaligen Technologiechef der Zürcher Kantonalbank.

Und Lacher geht doch

Die Schweizer Börse, bisher nicht für kühne strategische Schritte bekannt, beauftragte den neuen SIX-Chef Jos Dijsselhof mit der Umsetzung dieser Strategie. Dies führte zur Übernahme der spanischen Börse Bolsas y Mercados Españoles (BME), zum Aufbau einer Börse für digitale Vermögenswerte, der SDX, die nun Ende Jahr den ersten Krypto-Bond handelte, und schliesslich zur Wiederbelebung der verschlafenen Finanzdaten-Abteilung unter der ehemaligen Refinitiv-Chefin Marion Leslie.

Doch dann überraschte Lacher wieder alle, einschliesslich der SIX, indem er 2019 das Präsidium bei Julius Bär übernahm: Die Zürcher Privatbank hatte Boris Collardi 13 Monate zuvor an die Genfer Konkurrentin Pictet verloren und begann mit der Suche nach einem Nachfolger für Bernhard Hodler, der bei Collardis Abgang für den Star-CEO eingesprungen war.

Lacher machte sich rasch daran, die Suche zu leiten, zusammen mit Bär-Vizepräsident Charles Stonehill, einem britischen Ex-Investmentbanker. Philip Rickenbacher erhielt einige Monate später den Zuschlag als neuer Bankchef und setzte sich gegen mehrere andere interne Kandidaten durch, darunter Yves Robert-Charrue und Nic Dreckmann.

Das Bleiben versüsst

Sowohl Robert-Charrue als auch Dreckmann sind weiterhin für das Institut tätig. Dies wohl nicht zuletzt, weil Lacher den Managern nach einer intern weitgehend als fair und offen wahrgenommenen Suche mit einem geschickt gehandhabten Retention-Plan die Weiterbeschäftigung versüsste.

Auch sein Auftreten wird gewirkt haben. In Treffen unter Seinesgleichen wird Lacher als fordernd, aber unterstützend wahrgenommen, wenn es um Fragen der Strategie geht. Ebenfalls habe er sich seine Bodenständigkeit bewahrt, ist zu Vernehmen.

Lachers erste zwei Jahre an der Spitze von Julius Bär waren allerdings geprägt von Aufräumarbeiten rund um den Korruptions-Skandal um die venezolanische Ölfirma PDVSA, in welchen neben diversen anderen Schweizer Banken auch Julius Bär verwickelt war. Bankchef Rickenbacher und der 2018 von der UBS abgeworbene Risikochef Olivier Bartholet genossen Lachers volle Rückendeckung während des zermürbenden und kostspieligen Prozesses, der inter unter dem Namen «Atlas» lief.

Impulsiv, technokratisch

«Man muss weit suchen, um jemanden zu finden, der etwas Schlechtes über Romeo Lacher sagt», bemerkt ein Zürcher Finanzdienstleistungs-Berater zur Person des Bär-Präsidenten. Mitstreiter berichten, dass Lacher einen Hang zum Technokraten habe, sich aber auch nicht scheue, impulsive und spontane Seiten zu zeigen.

Das mag daran liegen, dass Lacher es geschafft hat, an die Spitze des Finanzplatzes zu rücken, und dennoch dessen bekanntestes Geheimnis bleibt. Im Jahr 2022 wartet nun noch in einer zusätzlichen Charge Arbeit auf ihn. Der Nominierungs-Ausschuss des SNB-Bankrats, dem Lacher angehört, wird ein neues Direktoriumsmitglied für Fritz Zurbrügg nominieren – eine Person, die einst auch den langjährigen Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan ablösen könnte.

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