Die Zürcher Analysefirma Reprisk gehört zu den Pionieren der Nachhaltigen Finanz in der Schweiz. CEO Philipp Aeby spricht mit finews.ch über den Einsatz von Zukunftstechnologien, um Nachhaltigkeits-Risiken zu orten – und warum die Klimaversprechen von Managern Gefahr bergen.

Bei Umweltaktivisten mögen die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS) schlecht angeschrieben sein. Doch beide Institute zählen zu den ersten Kunden eines der erfolgreichsten Unternehmen im Bereich der Nachhaltigen Finanz, das der Schweizer Finanzplatz kennt.

Die Rede ist vom Zürcher Analysehaus Reprisk, zu dessen Kundschaft nach eigenen Angaben über 80 Banken weltweit, 17 der grössten Investmentmanager, führende Index-Provider wie S&P und nicht zuletzt der weltgrösste Staatsfonds Norges Bank Investment Management (NBIM) zählen.

Ein echter Stachel

Mit dieser Klientel im Rücken hat sich Reprisk auch zu einem echten Stachel im Fleisch von Managern und Konzernen entwickelt, die in ihrem Business Umweltschäden oder die Ausbeutung von Angestellten inkauf nehmen. Solche Missstände aufzudecken und zu bewerten, ist seit jeher die Kernkompetenz der 2006 gegründete Firma. Mittlerweile setzt sie dazu moderne Technologien wie Maschinelles Lernen und Geolokalisation ein, um Risiken für Umwelt, Gesellschaft und Governance (ESG) zu identifizieren.

«Reprisk hat sich als Unternehmen zu einem absoluten Glücksfall entwickelt, obwohl dies seine Zeit brauchte», blickt Gründer und CEO Philipp Aeby (Bild unten) zurück. Spätestens seit dem Jahr 2019 und der Debatten zum Klimawandel und Me Too seien ESG-Risiken bei den Investoren ein zentrales Thema. Das habe Reprisk nochmals massiven Schub verliehen. «Unser Anspruch ist, aufzuzeigen, was Firmen tatsächlich machen in Sachen ESG, im Unterschied zu dem, was sie kommunizieren.»

Aeby 500

(Bild: Reprisk)

«Investoren setzen den Managern das Messer an die Brust»

Die Kommunikation über Nachhaltigkeit hat dabei am Schweizer Finanzplatz einen neuen Höhepunkt erreicht. Standortpolitiker und Branchenverbände versuchen diesen als «Sustainability-Hub» zu positionieren; dies wurde in den vergangenen Wochen und Monaten flankiert von Selbstregulations-Projekten gegen den Schwindel mit Nachhaltigkeit-Etiketten, dem so genannten Greenwashing, sowie von Klimaversprechen führender Schweizer Finanzakteure.

Dies ist eine Entwicklung, die Aeby als Pionier der Thematik grundsätzlich sehr begrüsst. Skeptisch zeigt er sich jedoch gegenüber den Versprechen zu Klimathemen, die derzeit mehr denn je en vogue sind.

«Diese Versprechen sind eben nicht mehr als Versprechen», urteilt der Reprisk-Gründer. Einerseits seien die Unternehmen gar nicht in der Lage, etwa das Verhalten ihrer Lieferanten wirksam zu kontrollieren. Erschwerend komme hinzu, dass die Chefs, die ein Netto-Null-Versprechen heute abgeben, im Jahr 2050 ganz sicher nicht mehr im Amt sind. «Die Manager bekennen sich aber heute dazu, weil ihnen die Investoren das Messer an die Brust setzen», weiss Aeby.

Energiemangellage als Exempel

Dieser Druck, warnt er, sei kontraproduktiv, wenn nicht gar gefährlich. «Wenn man neue Ratings erschafft, welche die von den Firmen geforderten Versprechen zu Klimathemen bewerten, kommt es zu einer riesigen Fehlallokation von Kapital.»

Die Energiemangellage in Europa und der Schweiz, die sich gerade abzeichnet, sei das beste Beispiel dafür, wie schnell Versprechen etwa zu erneuerbaren Energien über Bord geworfen werden. Darum rät Aeby Anlegern und Vermögensverwaltern, Nachhaltigkeit-Versprechen nicht überzubewerten – sondern Firmen nach konkreten Ergebnissen zu beurteilen.

Darin sieht der Reprisk-Gründer auch das Fazit, dass die Finanzbranche und Grossinvestoren aus der Greenwashing-Debatte ziehen sollten. «In einer nächsten Phase müssen sich alle Akteure überlegen, was sie bezüglich Nachhaltigkeit tatsächlich erreichen wollen.»

Es musste passieren

Dabei ist es diese ungesunde Mischung aus Druck und unklaren Zielen, welche Aeby am Ursprung der Skandale um den ESG-Etikettenschwindel sieht. Der Druck hin zu mehr Nachhaltigkeit nehme für Investoren kontinuierlich zu; in einem ersten Schritt versuchten Vermögensverwalter dann, bestehende Produkte neu aufzusetzen und umzubenennen. Dann sei «passiert, was passieren musste» – es sei zu Übertreibungen gekommen, wie sie nun etwa dem deutschen Fondshaus DWS vorgeworfen werden.

«Der Fall ist durch eine Whistleblowerin gross in die Schlagzeilen geraten», sagt Aeby, «die Thematik dürfte aber etliche Konkurrenten genauso betreffen.» Man dürfen auch nicht vergessen, dass es für Vermögensverwalter sehr bequem gewesen sei, an ein ESG-Rating für ihre Produkte zu gelangen. «Dabei musste lediglich das Anlageuniversum leicht angepasst werden», sagt Aeby als intimer Kenner dieser Rating-Vorgänge. Die Agentur «Bloomberg» habe jüngst nachweisen können, dass Methodologie-Wechsel von ESG-Ratings dazu führten, dass Firmen damit nachhaltiger da standen als aufgrund tatsächlich umgesetzter Verbesserungen.

Wirkung nur angenommen

Von der Historie her, erinnert sich Aeby, sei die Wirkung auch gar nie Gegenstand von ESG-Ratings gewesen. «Man wollte lediglich messen, wie sich nicht in der Bilanz erfasste Risiken auf die Börsenbewertung auswirken.» In der Folge gebe es bisher wenig Zusammenhang zwischen einem guten ESG-Rating und der Umweltfreundlichkeit einer Firma, resümiert der Experte. «Von den Kunden und im Vertrieb wurde eine solche Umweltfreundlichkeit aber trotzdem angenommen.»

Was Firmen tatsächlich machen: um darüber Transparenz zu liefern, setzt Reprisk bereits seit der Gründung smarte Maschinen ein. «Unser Glück ist es, dass Maschinelles Lernen in den letzten Jahren immense Fortschritte gemacht hat», berichtet Aeby, der von der Firma am liebsten als Data-Science-Unternehmen spricht. Die Rechner von Reprisk prüften inzwischen tausende Dokumente in 23 Sprachen und würden Muster erkennen, die ein Mensch so schnell nicht findet. «Der letzte Schritt der Prüfung der Informationen machen aber bei uns immer noch Datenanalysten. Das ist wichtig», sagt der CEO.

Den Minenbetreibern über die Schulter geschaut

Eine Technologie, welche Reprisk ebenfalls forciert, ist die Geolokalisation. Dank der Auswertung solcher Daten sei nun nachzuverfolgen, ob etwa Minenbetreiber versprochene Massnahmen in der Anlage baulich auch tatsächlich umsetzen. «Die neuen Technologien unterstützt Entscheidungsträger in der Finanzindustrie und der Branche bessere Entscheidungen hinsichtlich Nachhaltigkeit treffen zu können», wirbt Aeby für sein Angebot.

Diese Dienste kaufen Banken und Grossinvestoren in Form von Abonnementen für Datenlieferungen bei der Zürcher Firma ein. Die verschiedenen Kundensegmente erreicht Reprisk dabei vorzugswiese über Partnerschaften. Auch diese sollen in den nächsten Jahren kräftig ausgebaut werden.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.29%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.71%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.94%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.28%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.77%
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