Robert_JekerIm Dezember 2007 führte finews.ch-Mitgründer Claude Baumann ein Interview mit dem letzte Woche verstorbenen Robert A. Jeker, das hier in einigen Passagen wiedergegeben wird.

Der ehemalige Chef der Schweizerischen Kreditanstalt und Mehrfach-Verwaltungsrat Robert A. Jeker verstarb am 4. Juli 2012 nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 76 Jahren. Bei der Grossbank begann er als Lehrling und trat dort 1993 nach 40 Jahren als Konzernchef ab.

In der Folge amtierte Jeker bis Anfang 1996 als Verwaltungsratsdelegierter von Stephan Schmidheinys Holdinggesellschaften Anova und Unotec. Später brachte er sein umfassendes Wissen in verschiedene Verwaltungsratsgremien grosser Schweizer Unternehmen ein.

Er war unter anderem Präsident bei Georg Fischer, Swiss Steel und Batigroup, ebenso bei der MCH Messe Schweiz und der Feldschlösschen-Hürlimann-Holding. Bei der ABB war er zudem Vizepräsident gewesen, ebenso bei der NZZ.

Das Interview, aus dem nachstehend einige Passagen erstmals publiziert werden, fand am 6. Dezember 2007 im Basler Messeturm statt.

Herr Jeker, wann hatten Sie das Gefühl auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere angelangt zu sein?

Das war bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), als wir die Bank aus der Krise des Texon-Skandals (Chiasso-Affäre, 1977) herausgeführt hatten und wir wieder stolz auf die Firma sein konnten.

Wie einschneidend war die so genannte Chiasso-Affäre?

Ich war gerade zwei Wochen Generaldirektor bei der SKA, als der Vorfall aufflog. Es war insofern auch ein interessantes Ereignis, weil man sehen konnte, welche Mitarbeiter krisenresistent waren. Wir haben Tag und Nacht unter widerlichsten Verhältnissen gearbeitet. Die öffentliche Kritik war enorm, gleichzeitig haben diese Erfahrungen die Führung zusammengeschweisst.

Wer waren die wichtigsten Mitarbeiter, um die Krise zu bewältigen?

Wir hatten ein so genanntes Texon-Team gebildet, bestehen aus Generalstäben der Bank. Ich liess mir eine Liste von Leuten geben, die unter diesem hohen Druck arbeiten konnten, und dieses kleine Team, es waren rund 30 Leute, stand unter der Führung von Hugo von der Crone und mir. Hugo von der Crone war vor allem für die rechtliche Situation verantwortlich, die wir in Italien angetroffen haben, während ich für die Führung der Firmen zuständig war und dass wir wieder in die schwarzen Zahlen kommen. (...)

Hatten Sie während Ihrer Berufszeit ein schlechtes Gewissen weil Sie nicht häufig mit der Familie zusammen waren?

Absolut. Ich gab mir schon Mühe und habe mir immer vorgenommen, dass ich jedem Kind am Wochenende eine gewisse Zeit schenkte. Mit dem Bub an einen Fussballmatch, wo er mich für sich hatte, und mit dem Mädchen zum Reiten fahren. Das habe ich immer versucht, zu machen. Aber selbstverständlich hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn etwas nicht gut lief, und man dann nicht da war (in der Familie). Auch auf Geschäftsreisen habe ich praktisch jeden Tag mit der Familie telefoniert und möglichst mit allen gesprochen, aber das war immer nur «second best». (...)

Was sind Ihre wichtigsten Erfahrungen, die Sie aus Ihrem Berufsleben gewonnen haben?

Bankier zu sein, ist meine Berufung. Meine Eltern sagten, dort habe es immer Geld, und was man auf der Bank lerne, können man überall gebrauchen. Das Faszinierende ist jedoch, dass man als Bankier in wichtigen Phasen eines Unternehmens ein Gesprächspartner ist, der helfen kann mit seiner Beratung wie auch mit Krediten. Ich bin bei der Gründung vieler Firmen dabei gewesen und habe nachher mit Freude verfolgt, wie manche Unternehmen Erfolg hatten. Darum war Bankier für mich immer ein Traumberuf.

Welche Erkenntnisse haben Sie als Bankier gewinnen können?

Erstens: Dass man lernen muss, in konjunkturell guten Zeiten nicht zu übertreiben, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten mit dem Ersparten über die Runden zu kommen, anstatt die Unabhängigkeit aufgeben zu müssen, weil man sich zu stark verschuldet hat.

Zweite Kernerfahrung: Wenn man die Leute erfolgreich führen will, muss man sie gerne haben. Man muss sie fördern, ihnen Vertrauen schenken. Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass wenn dieses Vertrauen gelegentlich missbraucht wird, man dann geneigt ist, mehr zu kontrollieren und weniger zu delegieren und man damit den grössten Fehler macht. Denn wegen eines einzelnen Missbrauchs darf man nicht die ganze Organisation strafen. Man macht das ja dann eher aus Selbstschutz. Und das ist ein grosses Dilemma, das man überwinden muss.

Auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere haben Sie nicht so viel verdient wie heutige Manager.

Ich habe immer gefunden, der Präsident und der Verwaltungsrat sehen, was ich leiste, und sie sollen mich dafür fair honorieren. Aber ich hätte auch nie ein so extremes Honorar angenommen. Und zwar weil ich stets eine Verhältnismässigkeit wahren wollte zu meinen Kollegen, die Mitverantwortung trugen. Es ist nie ein einziger Mensch an der Spitze, der für alles verantwortlich ist. Er hat zwar viel Einfluss auf die Kultur eines Unternehmens, aber das ist nicht alles. Ich habe immer gesagt, wir müssen Saläre haben, die wir an die Hausmauern am Paradeplatz schreiben können, und die Leute müssten sagen, diese Saläre sind in Ordnung. Und das war zu meiner Zeit eindeutig der Fall.

Wie viel haben Sie denn verdient?

Meine höchsten Bezüge als Präsident der Generaldirektion waren zwei Millionen Franken gewesen. Und das ist natürlich im Vergleich zu heute (2007) relativ. Die Leute sind heute sicher besser als ich, aber sicher nicht fünfzehnmal. (...)

Was hat Sie nach oben gebracht?

Als ich in jungen Jahren die Stadtfiliale Spalenberg übernommen habe, hat mir der Generaldirektor gesagt: «Wir wissen, dass Sie als Junger noch nicht so viel verdienen können mit dieser Filiale wie Ihr Vorgänger.» Aber als junger Mann hatte ich natürlich sofort den Ehrgeiz, die Zahlen meines Vorgängers zu übertreffen.

Und das ist mir auch gelungen. Ich hatte um mich herum alles Prokuristen, die über 55 Jahre alt waren, aus denen ich dann ein verschworenes Team machte, das Plausch am Arbeiten hatte und mit einem jungen Chef erfolgreich zu sein. Ich erinnere mich auch, dass ich keine Kreditgeschäfte im Büro gemacht habe, sondern raus bin zu den Handwerkern und den Betrieb sehen wollte, um so besser zu urteilen. Das war die schönste Zeit in meiner Karriere, weil ich nie mehr so nah an den Leuten war. Je höher man steigt, desto mehr hat man bloss noch eine Kontrollfunktion und -verantwortung.

Ich erinnere ich, wie dann oberste Leute vom Hauptsitz in Zürich nach Basel gekommen sind, um zu sehen, wie ich das machte. Und kurz darauf musste ich zur Generaldirektion nach Zürich, und als mich der Präsident fragte, wann ich ein Amt in Zürich antreten könne, sagte ich: «Ich kann das sofort tun. In Basel hat es so gute Leute, dass es mich nicht braucht.» Das ist die oberste Stufe der Führung, dass man selber überflüssig wird.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.66%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.53%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.2%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.12%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.49%
pixel