Wellington schlägt Brücken ins Schweizer Wealth Management

Der Vermögensverwalter mit Hauptsitz in Boston betreut weltweit über 1,3 Billionen Dollar für mehr als 3'000 Kunden. Bekannt für seine dezentralisierte Investmentkultur, ein ausgefuchstes Analystennetzwerk und langjährige Subadvisory-Partnerschaften mit Branchengrössen wie Vanguard schaltet Wellington Management in der Schweiz nun einen Gang höher. Neben dem klassischen Geschäft mit Institutionellem möchte man vermehrt ins Wealth Management expandieren. finews.ch hat zwei Schlüsselpersonen in Zürich getroffen.

Die Zürcher Büros von Wellington Management liegen nicht an prominenter Bahnhofstrassen-Adresse, sondern auf der anderen Seite der Limmat, in den kopfsteingepflasterten Gassen des Niederdorfs. Dort, wo man eher auf Cafés trifft als auf Finanzunternehmen, befindet sich ein europäischer Aussenposten eines der grössten Vermögensverwalter der Welt – mit über 1,3 Billionen Dollar an verwaltetem Vermögen.

Das Schweizer Team ist über die beiden obersten Stockwerke eines schmalen Altstadthauses verteilt. Im Konferenzraum im obersten Stock sitzen wir Jenö Szabo und Luca Michienzi gegenüber, unter dem sanft geneigten Dach. Durch die alten Fenster sieht man die Dächer und Türme der Zürcher Altstadt – und auch wenn die repräsentativen Fassaden der Bahnhofstrasse ausser Sichtweite bleiben, weiss man: Sie sind dort, auf der anderen Seite des Flusses.

Zehn Nationalitäten, zehn Sprachen

Schon vor der Eröffnung des Zürcher Büros betreute Wellington Schweizer Kundschaft – allerdings von London aus. Das änderte sich 2013, als Jenö Szabo mit dem Aufbau einer lokalen Präsenz beauftragt wurde. Seither haben sich die Assets der Schweizer Kunden verfünffacht. Szabo, der zuvor 13 Jahre bei Capital Group tätig war, führt heute ein mehrsprachiges, alle Altersklassen umfassendes Team von 11 Personen – zehn Nationalitäten, zehn Sprachen.

Derzeit steht Wellington Schweiz an einer wichtigen Wegmarke. Das Unternehmen hat kürzlich Luca Michienzi, CFA- und CAIA-Charterholder mit ESG-Zertifikaten und unternehmerischem Hintergrund, zum Leiter für das Geschäft mit Vermögensverwaltern in der Schweiz ernannt – gemeinsam mit Vanessa Dispot.

Offensive im Wealth Management

Der Vorstoss ins Wealth Management ist ebenso strategisch begründet wie ambitioniert.

finews.ch sprach mit Szabo und Michienzi über aktuelle Herausforderungen und Marktturbulenzen.


Meine Herren, Sie haben beide schon einige Rückschläge an der Börse durchlebt...

Michienzi: Ich habe meine Lehre 2008 bei Citibank begonnen. Als ich den Vertrag unterschrieb, war Citibank noch die grösste Bank der Welt – bei meinem Start während der Finanzkrise hatte sich das bereits geändert. Das hat meine Sicht auf Marktzyklen geprägt. Heute spürt man weniger Panik, dafür mehr Realismus.

Szabo: Mein erster Schock war 1987. Ich hatte gerade bei der Volksbank angefangen – die gibt es heute nicht mehr – und wollte als junger Finanzspezialist meinen Eltern zeigen, dass man bedeutend besser investieren kann als auf Sparkonten. Ein paar Wochen später kam der Crash. Später habe ich die Dotcom-Blase, die globale Finanzkrise und Covid miterlebt. Man lernt, Ruhe zu bewahren. Denn die Märkte bleiben nicht für immer eingefroren.

«Man kann sich Wellington wie ein grosses Ökosystem aus Boutiquen vorstellen.»

Und wie ist die Stimmung bei Wellington intern?

Michienzi: Unser Fokus ist langfristig – das hilft, über die Volatilität nach dem sogenannten Liberation Day hinauszublicken... Wir haben keinen CIO, keine Hausmeinung – jeder Portfolio Manager ist für seine Entscheide verantwortlich. Aber alle arbeiten eng zusammen. Ich war kürzlich mit einem unserer Senior-PMs unterwegs, der sagte: «Bleib bei deinem Prozess. Bleib bei deiner Philosophie.» Genau das ist die richtige Einstellung in bewegten Zeiten.

Szabo: Auch unsere Kunden geraten nicht in Panik. Sie stellen Fragen, klar – aber sie sind informiert und fokussiert. Wir gehen proaktiv auf sie zu. Und wenn man solche Phasen ein paar Mal erlebt hat, weiss man: Die Welt findet immer wieder auf ihren Weg zurück.


Wellington Management wurde 1928 gegründet und verwaltet heute über 1,3 Billionen Dollar für mehr als 3'000 Kunden in 60 Ländern. Trotz dieser Grösse funktioniert das Unternehmen dezentral: Es gibt keinen globalen CIO, keine einheitliche Marktmeinung, keinen Druck zur Angleichung aller Portfolios.

Stattdessen versteht sich Wellington als Summe der voneinander unabhängigen Investment-Teams – ein Modell, das Aussenstehende oft überrascht. Der Asset-Management-Gigant ist in Wahrheit ein Verbund von über 60 Boutiquen, organisch gewachsen und miteinander verbunden durch eine zentrale Research-Plattform.


Büro mit Aussicht. (Bild: zVg)

Morgenmeetings in Boston, London und Asien

Dieses Research-Netz hält die Einzelteile zusammen. Täglich treffen sich hunderte Analysten, Portfoliomanager und Ökonomen zu den digitalen Morning Meetings – parallel in Boston, London und Asien. Im Zentrum steht der bewährte Grundsatz: Überzeugung braucht keinen Konsens.

Auch in der Schweiz ist dieses Modell im Kleinen abgebildet. Das Zürcher Büro ist zwar ein Representative Office ohne Investment Hub – aber hier arbeiten neben Business Developers und Kundenbetreuern auch sogenannte Portfolio Advisors, die mit Kunden über Strategien, Marktentwicklungen und Allokationen sprechen. Es handelt sich also nicht um eine reine Vertriebsorganisation, wie sie bei manchen globalen Konkurrenten in Zürich vorherrscht.


Herr Szabo, bei Wellington gibt es keinen Chief Investment Officer. Wie funktioniert das in der Praxis?

Szabo: Ja, das überrascht viele. Aber es stimmt – wir haben keinen CIO. Es gibt keine «Wellington House View». Wenn jemand wissen will, was wir über US-Aktien denken, fragen wir zurück: Welchen Portfoliomanager sollen wir fragen? Wir haben sehr gute Makrostrategen, aber ihre Sicht ist nicht sakrosankt. Jedes Team bildet sich seine Meinung eigenverantwortlich.

«Und wenn man solche Phasen ein paar Mal erlebt hat, weiss man: Die Welt findet wieder ihren Weg.»

Wellington ist also ein Zusammenschluss unabhängiger Analysen?

Szabo: Genau. Man kann sich Wellington wie ein grosses Ökosystem aus Boutiquen vorstellen – jede mit eigenem Mandat und Stil, aber alle verbunden über dieselbe Research-Infrastruktur.

Michienzi: Diese Kultur bewirkt Verantwortung und Zusammenarbeit. Portfoliomanager sind für ihre Entscheide allein verantwortlich – haben aber Zugriff auf erstklassige Analysen. Unsere Analysten – in den Bereichen Credit, Aktien oder ESG – gehören zu den besten ihres Faches. Viele sind auch Partner der Firma – das sagt einiges aus.

Verwalten die Analysten auch selbst Geld?

Michienzi: Viele ja. Unsere Analysten sind allesamt hoch erfahren und geniessen grossen Respekt. Ihr Research wird in der ganzen Firma global genutzt. Das Ziel besteht darin, eine Boutique-artige Autonomie mit globalen Ressourcen zu verbinden.

Szabo: Deshalb sind wir bei institutionellen Kunden erfolgreich. Die schätzen Tiefe, Struktur und langfristige Ausrichtung. Es geht nicht zuerst um Finanzprodukte – sondern um Überzeugungen.


Die Grösse von Wellington Management ist beachtlich. Seit Jahrzehnten ist die Firma der grösste Subadvisor der Welt – mit über 20 Prozent Marktanteil. Sie managt Portfolios im Auftrag anderer globaler Player, bleibt aber für Endkunden meist unsichtbar. Eine der ältesten solchen Partnerschaften besteht seit über 50 Jahren mit Vanguard, dessen grösster externer aktiver Manager Wellington ist.

Strategische Allianz mit Vanguard und Blackstone

Im März 2024 wurde Wellington als «Best Asset Manager» der Schweiz bei den Morningstar Awards ausgezeichnet. Im Zentrum standen dabei die Stärke in Aktien- und Anleihenstrategien, die kollaborative Analystenkultur und ein durchdachtes Talentmanagement. Die Auszeichnung fiel mit dem zehnjährigen Bestehen des Zürcher Büros zusammen.

Doch die Ambitionen reichen weiter. Im April 2025 verkündete Wellington eine neue Allianz mit Vanguard und Blackstone. Sie bezweckt neuartige Investmentlösungen, die öffentliche und private Märkte miteinander verbinden. Somit spiegelt sie einen wichtigen Strukturwandel in der Portfolioallokation und zeigt Wellingtons Willen, diesen aktiv mitzugestalten.


Wo sehen Sie derzeit die stärkste Produktnachfrage in der Schweiz?

Michienzi: Das hängt stark vom Segment ab. Im Wealth-Bereich sehen wir eine klare Verschiebung hin zu Qualitätsaktien, Core-Strategien und seit Kurzem wieder verstärktes Interesse an Obligationen, insbesondere an flexiblen Mandaten. Die Anleger wollen Rendite, aber auch aktives Risikomanagement.

Was bedeutet «flexibel» in diesem Kontext?

Michienzi: Das heisst, dass der Portfoliomanager Spielraum hat – über die Exposure gegenüber bestimmten Zinssätzen, Bonitäten und Regionen hinweg. Unsere Strategien können je nach Marktlage von Treasuries zu High Yield wechseln oder die Duration aktiv steuern. Das ist heute entscheidend.

Und wie steht es um Hedge Funds?

Szabo: Hedge Funds erleben ein klares Comeback. Aktuell sehen wir eine starke Nachfrage nach reinem Alpha. Gemeint sind marktneutrale Strategien mit null Beta, die in allen Marktphasen stabile Renditen liefern. Sie hängen nicht von der Bewegungsrichtung des Marktes ab.

«Unsere Analysten – in Credit, Aktien, ESG – gehören zu den besten der Branche.»

Wie ist Wellington dafür aufgestellt?

Szabo: Unsere Hedge Funds werden vollständig intern gemanagt, von Teams, die wir über die Jahre aufgebaut haben. Es gibt kein Outsourcing. Das gibt uns vollständige Kontrolle über Prozesse, Risiken und Philosophie – und erlaubt es uns, diese Fähigkeiten direkt in Kundenlösungen einzubringen – sei es institutionell oder im Wealth-Bereich.

Sind diese Strategien auch für Vermögensverwaltungskundschaft zugänglich?

Michienzi: Zunehmend ja. Nach einer ruhigeren Phase spüren wir eine Belebung des Interesses. Wealth-Management-Kunden haben heute verschiedene Zugänge zu solchen Produkten. Gleichzeitig beobachten wir, dass für Institutionelle bei solchen Anlagen die Liquidität wichtiger wird. Insofern sehen wir unser Engagement als Schritt, um die Lücke zwischen Privatbanken und Alternativanlagen zu schliessen.


Jenö Szabo ist Managing Director und Leiter von Wellington Management Switzerland. Er gründete das Zürcher Büro im Jahr 2013 und betreut Kunden in der Schweiz, in Frankreich und Osteuropa. Zuvor war er 13 Jahre bei Capital Group tätig und absolvierte ein Executive MBA an der IMD Lausanne.

Luca Michienzi ist Business Development Manager bei Wellington Management in Zürich und zuständig für den Wealth-Management-Bereich in der Schweiz und Liechtenstein. Er kam 2017 von UBS Asset Management und Citibank zu Wellington. Michienzi ist CFA- und CAIA-Charterholder.