Die EU macht mit der Regulierung von Nachhaltigkeits-Themen in der Finanz vorwärts. Das bringt auch hiesige Banken und Versicherer unter Zugzwang.

180 Milliarden Euro: Diese Summe muss aus Sicht der EU-Kommission allein auf Unionsgebiet investiert werden, um die Uno-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) für das Jahr 2030 zu erreichen. Pro Jahr, notabene.

Um diesem höchst ambitiösen Ziel nachzukommen, nimmt die EU die Finanzindustrie an die Kandare. Die Union will den Aktionsplan zur «Finanzierung nachhaltigen Wachstums» während der nächsten zwei Jahre auf ihrem Gebiet umsetzen. Das zwingt auch die hiesige Finanzindustrie zum Handeln, wie eine neue Studie des Beratungsunternehmens PriceWaterhouse Coopers und der Umwelt-Lobbyorganisation WWF festhält.

Knackpunkt Äquivalenz

Der Knackpunkt aus Schweizer Sicht ist die Äquivalenz, wie es im Jargon der Finanzpolitik heisst: Um eine möglichst ungehinderten Zugang zum europäischen Markt zu erhalten, müssen hiesige Banken und Versicherer wohl oder übel EU-Standards übernehmen. Dies ist die Räson hinter der «Kleeblatt-Reform», mit der die Schweiz etwa die wichtige EU-Richtlinie Mifid II am hiesigen Finanzplatz spiegelt.

Dazu kommen nun die neuen Nachhaltigkeits-Forderungen der EU-Kommission:

  • Sinnvollerweise ruft diese etwa nach einem einheitlichen Klassifikationssystem, um nachhaltige von nicht nachhaltigen Finanzprodukten zu unterscheiden. Allerdings werden damit auch die Investorenpflichten präzisiert.
  • Vermögensverwalter und institutionelle Anleger müssen künftig nachweisen, inwieweit ihre Investitionen an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet sind, und offenlegen, in welcher Weise sie ihren Pflichten nachkommen.
  • Künftig gilt es Klimarisiken und -chancen zu integrieren, und zwar via Referenzwerte für geringe CO2-Emissionen (Dekarbonisierungsvariante von Standardindizes) sowie einen für positive CO2-Effekte.
  • Die Beratung von Privatkunden im Banken- und Versicherungsbereich muss in Zukunft Nachhaltigkeits-Aspekte integrieren. Gerade ans Retailbanking stellt dies hohe Anforderungen. So sind dort die Prozesse so auszurichten, dass dem Kunden keine Produkte verkauft werden, die seinen Nachhaltigkeits-Wünschen entgegenlaufen. Das Spektrum umfasst dabei Anlageprodukte, künftig wohl auch «grüne» Hypotheken und Vorsorgeangebote.

Drohende Lücke

Der EU-Aktionsplan schafft nicht nur neue Vorschriften, sondern modifiziert auch bestehende Richtlinien – Mifid II für die Finanzberatung ist ebenso betroffen wie die UCITS-Vorschriften im Fondsgeschäft und die Richtlinie Solvency II für Versicherer. Nachhaltigkeits-Faktoren werden zum neuen Standard und müssen von allen Finanzdienstleistern in berücksichtigt werden. In der EU, aber auch in der Schweiz. Sonst öffnet sich die «Lücke» zwischen Schweizer und europäischem Finanzmarkt noch weiter, mahnen die Studienautoren.

In der Schweiz sind die Behörden noch mit der Ausgestaltung herkömmlicher Finanzrichtlinien beschäftigt; eine vom Bundesrat gestützte Förderung wie im Feld von Fintech und Blockchain fehlt, könnte jedoch mit der Klimadebatte und im Hinblick auf den Wahlherbst an Dringlichkeit gewinnen.

Ausbruch aus der Nische?

Dabei würde naturgemäss auf die Chancen fokussiert, welche sich aus den Entwicklungen rund um die Nachhaltigkeit ergeben könnten. Die Schweizer Finanzbranche sei grundsätzlich gut positioniert und profitiere von grosser Expertise, hält auch die Studie von PWC und WWF fest. In der Schweiz werden bislang rund 8 Prozent der investierbaren Vermögen in nachhaltigen Produkten verwaltet. Das sind immerhin gut 390 Milliarden Franken, zeigt aber, das da einiges Potenzial brach liegt.

Um dieses Potenzial auszuschöpfen, fehlte aber bisher das geeinte Vorgehen. Nischenplayer wie das Fondshaus RobecoSAM, die Globalance Bank und Alternative Bank werden nur allmählich von grösseren Häusern wie den Privatbanken Pictet und Lombard Odier oder dem Rückversicherer Swiss Re sekundiert.

Vorreiter UBS

Was es in diesem Feld zu holen gäbe, zeigt derweil die grösste Bank des Landes. Auf Geheiss von CEO Sergio Ermotti will die UBS das Geschäft mit nachhaltigen Investments industrialisieren und wird damit nun auch international wahrgenommen. So führt der Finanzdaten-Lieferant Thomson Reuters ein Nachhaltigkeits-(ESG)-Ranking von Asset Managern, in dem die UBS mit 92,6 Punkten die Spitzenposition belegt.

Das mag Chef Ermotti freuen. Ob sich die Bänkler in der Schweizer Region von der Aufbruchstimmung anstecken lassen, muss sich noch weisen.

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