Mit Privatmarkt-Anlagen verheissen die Banken ihren Kunden höhere Renditen. Doch das Geschäft ist höchst komplex und setzt ein Know-how voraus, das die Banken möglicherweise gar nicht besitzen. Wird der Kunde wieder einmal für dumm verkauft?

Kaum ein Tag vergeht mehr, ohne dass in Finanzkreisen nicht der Begriff «Privatmarkt-Anlagen» fällt. Fast scheint es, als hätte die Branche damit eine neue Bestimmung gefunden und gleichzeitig einen Weg, ihre Kunden aufs Neue zu umgarnen. Das kommt nicht von ungefähr, haben doch die Börsen selbst mit der Corona-Pandemie wieder ein Niveau erreicht, das Höhenangst auslösen sollte – insbesondere vor dem Hintergrund einer globalen Rezession, die der Welt ziemlich sicher droht. Auch darum sind jetzt Privatmarkt-Anlagen angesagt – weil sie vergleichsweise wenig mit den traditionellen Finanzmärkten korrlieren.

Konkret geht es dabei um Investments in vielversprechende Unternehmen, die nicht an der Börse kotiert sind und gleichzeitig ihren Zenit noch nicht erreicht haben. «Dazu gehören Anlagen in rivate Equity, Immobilien, Schuldtitel, Infrastruktur und natürliche Ressourcen sowie spezialisierte Fonds. Exotischere Vermögenswerte wie Tantiemen, Kunst, Autos und auch Wein werden manchmal auch in die Definition der Private Markets einbezogen», erklärt Rüdiger Fahlenbrach, Finanzprofessor an der Lausanner Hochschule EPFL sowie am Swiss Finance Institute (SFI). Das Institut publizierte unlängst ein lesenswertes Papier zum Thema.

Unbekannter Preis

Gemeinsam ist allen Privatmarkt-Anlagen, dass ihr Preis nicht wie an der Börse allgemein bekannt ist, sondern von individuellen Bewertungen respektive von der Bereitschaft abhängt, wie viel ein Anleger dafür bezahlen will. Das machte das ganze Geschäft noch viel spannender, was gerade in jüngster Zeit manche Banken dazu bewogen hat, in diese Domäne einzusteigen. Beobachter sprechen mittlerweile bereits von einem neuen Herdentrieb. So lancierte unlängst etwa auch die Zürcher Traditionsbank Julius Bär eine entsprechende Geschäftssparte und holte dafür den hoch bezahlten UBS-Kadermann Giuseppe De Filippo an Bord, wie auch finews.ch berichtete. 

Ein kürzlich veröffentlichter McKinsey-Bericht zeigt auch, dass 2018 und 2019 Rekordjahre in Bezug auf Private-Equity-Fundraising, also Geldbeschaffung waren, insbesondere in Nordamerika und Europa.

Gar nicht einfach

Doch die Aufbruchstimmung, die jetzt herrscht, könnte kippen. Denn Privatmarkt-Anlagen sind alles andere als konfektionierte Finanzprodukte. Sie setzen zunächst einmal enorm viel Leistungsbereitschaft und Engagement voraus – Eigenschaften, die nicht unbedingt zur Kernkompetenz der Banken gehören, selbst wenn diese das gerne behaupten.

«Um in die richtigen Firmen zu investieren, braucht es sehr viel Knowhow. Denn das Angebot ist enorm, und dabei die Spreu vom Weizen zu trennen, ist gar nicht einfach», erklärt Michael Bornhäusser, Gründer und Co-Geschäftsführer der Schweizer Beteiligungsgesellschaft Bulb Capital, die auf Technologie-Firmen und auf Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen spezialisiert ist.

Enge Begleitung

Mag sein, dass manche Banken diese Expertise mitbringen. Doch schon bei der nächsten Voraussetzung hapert es. Investitionen in aufstrebende Unternehmen erfordert in der Regel ein aktives Engagement der jeweiligen Anleger; zum Beispiel als Verwaltungsräte, um den Kurs und die Strategie der Firma mitzubestimmen. Für Bornhäusser ist klar, dass solche Engagements von den Investoren eng begleitet werden müssen: indem sie Einfluss nehmen auf das Unternehmen und im Verwaltungsrat sitzen. «Es muss ein Plan bestehen, was mit dem Unternehmen geschehen soll, damit der Investor weiss, wann er sein Geld plus Rendite zurück hat», betont Bornhäusser.

Das macht beispielsweise die vor rund zwei Jahren gründete Firma Syz Capital in Zürich, indem sie bei ihren ausgewählten Investments zumeist auch Einsitz im Aufsichtsgremium nimmt, wie Gründer und CEO Marc Syz im Gespräch mit finews.ch erklärt. Auch er ist überzeugt, dass Privatmarkt-Anlagen eine grosse Zukunft bevor steht, zumal die klassischen Anlagekategorien entweder zu hoch bewertet seien oder ganz einfach nicht mehr den Vorstellungen der neu heranwachsenden Anlegergeneration entsprächen. 

Illiquider Markt

Allerdings bezweifelt auch er, ob eine Bank tatsächlich das Knowhow besitzt, um in diesem Geschäft erfolgreich zu agieren. «Es braucht kleine agile Unternehmen», sagt er, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass das investierte Geld zumeist für fünf bis zu zehn Jahren für die Anleger blockiert ist. Denn im Gegensatz zu klassischen Börsentransaktionen sind die sogenannten Private Markets illiquid – der Anleger kriegt sein Geld erst dann zurück, wenn die Firma nachhaltig profitabel ist. Für schnelle Gewinne, wie sie manche Banken anstreben, sind Privatmarkt-Anlagen also eher ungeeignet. 

Kommt hinzu, dass sich dieses Geschäft kaum skalieren lässt, was für grosse Banken sehr wichtig wäre, um möglichst hohe Erträge zu generieren. Doch jedes Investment ist wieder anders. Das bestätigt Peer Bender, Geschäftsführer der Schweizer Immobilien-Investmentfirma Acron. Das familiengeführte Unternehmen gründet für jedes Objekt – getreu der Devise «One Asset, One Company, One Investment» eine eigene Aktiengesellschaft. «Damit lässt sich nicht nur das Risiko der einzelnen Anlagen minimieren, sondern bietet von Anfang an die grösstmögliche Transparenz was Gutachten (Due Diligence), Prognoserechnungen und die geschäftliche Berichterstattung anbelangt», betont Bender.

Böses Erwachen

Um möglichst effizient in Privatmarkt-Anlagen zu investieren, organisieren die spezialisierten Unternehmen sogenannte Club Deals. Dabei investieren sie selber mit einer Handvoll Kunden in die vielversprechenden Firmen. Damit sind sie selber am Erfolg oder Missererfolg des Vorhabens beteiligt – sie haben «skin in the game», wie es im Jargon heisst. Auch da stehen die Banken wiederum im Abseits, weil sie in der Regel gar nicht die Strukturen besitzen, um selber bei solchen Investments mitzuziehen. Sie investieren lediglich das Geld ihrer Kunden. 

Insofern ist eine gewisse Skepsis durchaus angebracht, wenn sich nun immer mehr Banken im Geschäft mit Privatmarkt-Anlagen breit machen. Natürlich können schöne Renditen winken, wenn man auf die richtigen Pferde setzt. Doch ob die Banken die nötigen Voraussetzungen mitbringen, um in dieser Domäne für eine breite Kundschaft erfolgreich zu sein, bezweifeln die meisten Privatmarkt-Experten. Sie befürchten vielmehr, dass sich unter den Banken ein neuer Herdentrieb gebildet hat, an dessen Ende für viele Bankkunden ein böses Erwachen droht, genauso wie das in der Vergangenheit mit Hedgefonds oder Strukturierten Produkten der Fall war.   

Sorge um die Disziplin

Finanzprofessor Fahlenbrach gibt noch etwas zu bedenken: «Meine Sorge ist, dass sich in den vergangenen Jahren viel «dry powder» – also von Investoren versprochenes, aber noch nicht investiertes Kapital – angesammelt hat, und dass die Investitionsdisziplin mit der Coronakrise abnehmen könnte.» Das würde dann definitiv für Ernüchterung in der derzeit hochgejubelten Branche führen. 

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