Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass es einen nachhaltigen Ansatz brauche, um Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich zu transformieren, sagt Simon Tribelhorn, CEO des Liechtensteinischen Bankenverbands, im Interview mit finews.ch. «Wir brauchten keine Bilder von schmelzenden Gletschern, um die Dringlichkeit zu erkennen», betont er.


Herr Tribelhorn, wieso soll jemand einer liechtensteinischen Bank sein Geld anvertrauen?

Liechtensteins Banken sind strategisch gut unterwegs und verkörpern Innovation mit Tradition und Stabilität mit Wachstum.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen für den liechtensteinischen Bankenplatz?

Da ist die zunehmende Digitalisierung zu nennen. Sie führt zu einer Veränderung der Wertschöpfungskette, zu hohem Wettbewerbsdruck aus dem Nicht-Banken-Sektor und zu einem Wettstreit um die Kundenschnittstelle.

«Kern der Roadmap 2025 ist das Strategische Haus»

Auf der Ebene Weltwirtschaft sind mittel- und langfristig vor allem die potenziell negativen Auswirkungen der zunehmenden Überschuldung sowie die Gefahr von sich verschärfenden Handelsstreitigkeiten zu erwähnen. Schliesslich wird die immer stärker regelbasierte und auf Grossbanken ausgelegte Regulierung für unseren kleinen Bankensektor zunehmend anspruchsvoller.

Sie haben kürzlich Ihre «Roadmap 2025» veröffentlicht. Wie unterscheidet sie sich von den beiden früheren Strategien?

Die aktuelle Roadmap 2025 steht unter dem Motto «Wachstum durch Innovation und Nachhaltigkeit». Sie ist eine Fortsetzung der früheren Strategien und setzt gleichzeitig mit der Betonung auf Wachstum einen selbstbewussten Akzent.

Der liechtensteinische Bankensektor hatte nach der Finanzkrise von 2008/2009 eine erste Mehrjahresstrategie entwickelt. Diese Roadmap 2015 hatte die Modernisierung des Bankenplatzes als Schwerpunkt. Liechtenstein und seine Banken bekannten sich darin zu einer konsequenten Einhaltung der internationalen Standards und einer entsprechenden «Zero-Tolerance-Policy».

Die Vorgänger-Roadmap 2020 knüpfte daran an – sie beschäftigte sich aber vorwiegend mit der strategischen Neupositionierung. Im Thema «Nachhaltigkeit» konnten wir zahlreiche Massnahmen vorantreiben und unsere gute Marktposition festigen.

Was sind die Highlights der neusten Roadmap?

Kern ist das «Strategische Haus» mit der Vision, international eine Spitzenposition in der Vermögensverwaltung zu erreichen. Dank einer hohen Innovationskraft will der Bankenplatz einen wertvollen Beitrag zur nötigen Transformation der globalen Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit leisten und gleichzeitig Mehrwert für die Kundinnen und Kunden erzielen.

Diese Zielsetzung wird erreicht durch klar definierte Kernwerte und Erfolgsfaktoren, welche die einzigartige Verbindung von Tradition, Innovation, Qualität und Stabilität verkörpern.

Hatte das Coronajahr 2020 einen Einfluss auf die Inhalte der Roadmap 2025?

Als Bankenplatz mit einer grossen Tradition denken und handeln wir langfristig. Wir nennen das generationenübergreifend. Aus diesem Grund hat die Pandemie in der Ausarbeitung des erwähnten «Strategischen Hauses» keine grosse Rolle gespielt. Vision, Mission, Kernwerte oder Erfolgsfaktoren haben wir ausschliesslich mit Blick auf die Zukunft und nicht die Gegenwart definiert.

«Nachhaltigkeit hört für Liechtenstein nicht beim Klimawandel auf»

Selbstverständlich hat die Aktualität bei den daraus abgeleiteten Handlungsfeldern eine Rolle gespielt. So hat Corona zum Beispiel gezeigt, dass sich mit der Digitalisierung die Arbeitsmodelle verändern werden, und bestätigt, dass Nachhaltigkeit umfassend angeschaut werden muss.

Was hat Sie beim ganzen Prozess am meisten gefreut?

Erstens, dass sich die Mitgliedsbanken bei der Erarbeitung der Strategie aktiv eingebracht hatten. Dies führte dazu, dass der ganze Bankenplatz heute geschlossen hinter der Roadmap 2025 steht.
Zweitens war für mich persönlich wichtig, dass wir auch in der Kommunikation neue Wege gehen konnten. Um ein Beispiel zu nennen: Wir haben auf der Homepage die Roadmap mit einer animierten Grafik abgebildet und mit zusätzlichen Informationen angereichert.

Nachhaltigkeit nimmt in der Roadmap 2025 einen grossen Platz ein. Doch alle Finanzplätze setzen darauf. Was macht den Ansatz Liechtensteins einzigartig?

Wir brauchten nicht den Weckruf der Klimajugend oder die Bilder von schmelzenden Gletschern, um die Dringlichkeit des Klimawandels zu erkennen. Speziell ist dabei, dass Nachhaltigkeit für Liechtenstein nicht beim Klimawandel aufhört. Wir richten uns an den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen der Uno aus.

«Null-Toleranz ist nicht bloss eine Worthülse, sondern wird immer wieder eingefordert»

Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass es diesen umfassenden Ansatz braucht, um Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich zu transformieren. Zwei Stichworte dazu: Mit dem «Waterfootprint Liechtenstein», erhalten von Wasserarmut betroffene Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Als Gründungsland der FAST-Initiative (Fight Against Slavery and Trafficking) setzt sich Liechtenstein seit längerem für den Kampf gegen Menschenhandel und Sklaverei ein. Zu diesem umfassenden Ansatz gehören auch nachhaltige Geschäftspraktiken. So bekennen sich Land und Finanzplatz seit über zehn Jahren zur Einhaltung von internationalen Standards – insbesondere auch in Geldwäscherei- und Steuerfragen.

Null-Toleranz ist nicht bloss eine Worthülse, sondern wird immer wieder eingefordert. Einzigartig ist für mich die Symbiose von Land, Leuten und Wirtschaft bei diesem Thema. Nachhaltigkeit gehört schlicht zur DNA des Landes.

Sie haben mit Stabilität, Kompetenz, Internationalität und Agilität vier zukünftige Erfolgsfaktoren bestimmt. Was verstehen Sie unter Agilität?

Agilität bedeutet für mich, die künftigen Entwicklungen rechtzeitig zu antizipieren und entsprechende Massnahmen zu treffen. Doch damit ist es nicht getan. Oft krankt es an der Umsetzung. Hier müssen auch wir zulegen.

«In diesem Thema haben wir uns eine hohe Expertise, Glaubwürdigkeit und internationale Reputation erarbeitet»

Agil heisst aber auch, sich und seine Organisation immer wieder kritisch zu hinterfragen und – wenn nötig - rasch und entschlossen anzupassen, sich und seine Aktivitäten und Aktivitäten also regelmässig und in kürzeren Zyklen neu zu erfinden respektive auszurichten. Oder wie Mike Peng von IDEO mal sagte: «It’s not about knowing the answer – it’s about learning through exploration and experimentation.»

Eingangs haben wir Sie nach den wichtigsten Herausforderungen gefragt. Zum Schluss interessieren uns die grössten Chancen für den liechtensteinischen Bankenplatz?

Für uns ist der sich beschleunigende globale Trend zu mehr Nachhaltigkeit natürlich eine grosse Chance, da wir uns in diesem Thema eine hohe Expertise, Glaubwürdigkeit und internationale Reputation erarbeitet haben.

Ausserdem ist die Kleinräumigkeit mit den kurzen Entscheidungswegen zwischen Politik, Behörden und Branche auf jeden Fall ein Vorteil.

Last but not least ist der Marktzugang zu den zwei Wirtschaftsräumen Schweiz und EWR einer der grössten Trümpfe und im wahrsten Sinne des Wortes ein Alleinstellungsmerkmal für unser Land und seine Wirtschaft.


Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV) und Mitglied des Vorstandes von Liechtenstein Finance. Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer grösseren Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den Liechtensteinischen Bankenverband tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.

  • Er stellt mit Vertretern aus der gesamten Wirtschaft Liechtensteins am diesjährigen Swiss Green Economic Symposium vom 2. September in Winterthur den ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz von Liechtenstein vor.

 

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