Im milliardenschweren Konkursfall eines usbekischen Konglomerats sieht der Hedgefond Lion Point EY Schweiz in der Pflicht. Er will Einblick in Dokumente erhalten – doch die Prüffirma wehrt sich, wie Recherchen zeigen.

Der New Yorker Hedgefonds Lion Point Capital verklage die Revisorin EY Schweiz im Konkurs der Zuger Briefkastenfirma Zeromax auf 1 Milliarde Dollar – so schrieb die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) Anfangs Woche. Vor einem Zuger Gericht werde einer der grössten Pleiten der Schweizer Wirtschaftsgeschichte verhandelt.

Doch wie sich zeigt, geht es in Zug, wohin das usbekische Konglomerat im Jahr 2004 seinen Hauptsitz aus den USA transferierte, um eine Vorstufe zur möglichen Milliardenklage. Hier gehen die Ansichten bereits auseinander, was genau vorliegt. Laut EY Schweiz will der Kläger Lion Point vor dem Zuger Kantonsgericht mit einer Beweisausforschungsklage die Herausgabe von Dokumenten der langjährigen Zeromax-Prüferin erreichen. Die Klägerin spricht allerdings von einer Herausgabeklage, da sie davon ausgeht, dass ihr die Einsicht in die Papiere sowieso zusteht.

Der Streitwert wird von der Klägerseite auf 500'000 Franken beziffert. EY Schweiz sperrt sich gegen die Herausgabe.

Rechtsnachfolger von Zeromax?

Weder EY Schweiz noch Lion Point wollten den Fall gegenüber finews.ch weiter kommentieren. Im Jahr 2010 hatte Zeromax Konkurs angemeldet. Gläubiger aus Usbekistan und Russland, aber auch deutsche Handwerker meldeten Forderungen von insgesamt rund 5,6 Milliarden Franken an. Mit dem hochkomplexen Fall hat sich auch die Bundesanwaltschaft befasst.

Eine mögliche Argumentations-Linie der Prüffirma wäre, dass sich sich gegenüber den Forderungen aufs Revisions-Gehemnis beruft. Die Gegenseite dürfte dies anders sehen. Lion Point hat im Jahr 2019 Forderungen aus der Konkursmasse herausgekauft. In der Folge sieht sich der Hedgefonds als Rechtsnachfolger von Zeromax und als solcher berechtigt, quasi als Auftraggeber Unterlagen von der ehemaligen Revisorin EY Schweiz anzufordern.

Daraus ergibt sich nun ein juristisches Tauziehen mit offenem Ausgang. Basierend auf den umstrittenen Unterlagen könnte die Milliardenklage gegen EY Schweiz ihren Lauf nehmen – Recherchen zufolge ist es denkbar, dass die Forderungen noch weit über 1 Milliarde Dollar hinausklettern. Dies, falls sich eine zivilrechtliche, aufsichtsrechtliche oder strafrechtliche Haftung ergeben sollte. Beweise dafür gibt es aktuell keine.

Bundesanwaltschaft fror 800 Millionen Franken ein

Die Firma Zeromax wird von ihren Gläubigern in die Nähe der Tochter des verstorbenen usbekischen Präsidenten Islam Karimow gerückt, Gulnara Karimowa. Diese ist einen langjährigen Geldwäschereifall verwickelt, über den auch finews.ch berichtete. In Zusammenhang mit Korruption bei der Vergabe von Mobilfunk-Lizenzen in Usbekistan liess die Bundesanwaltschaft im Jahr 2012 Vermögenswerte von über 800 Millionen Franken aus dem Umfeld von Karimowa auf Schweizer Bankkonten einfrieren.

Diese gewaltige Summe soll eingentlich nach Usbekistan zurückgeführt werden. Laut der «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig) liegen aber weiterhin 555 Millionen Dollar in der Schweiz.

Medienberichten zufolge ist Karimowa nach einem Familienstreit in Usbekistan 2014 unter Hausarrest gestellt worden. 2018 reichten die Gläubiger in Zug Strafanzeige gegen sie ein; Karimowa habe das Unternehmen faktisch kontrolliert, so der Vorwurf des Konkursverwalters, der nicht zuletzt auf die von der Bundesanwaltschaft eingefrorenen Millionen abzielte. Vonseiten der Präsidententochter wird jegliche Verbindung zu Zeromax bestritten.

Schmuck und Offshore-Firmen

Wie nun die «Financial Times» berichtete, hat die Zuger Zeromax in den Jahren vor der Pleite mehr als 37 Millionen Dollar für Schmuck ausgegeben; ein Teil davon ging offenbar an Karimowa. Der offizielle Zweck der GmbH mit Sitz in Baar ZG bezog sich aber auf das Geschäft mit Öl und Gas. Ebenfalls sollen aus Zeromax 288 Millionen Dollar in Offshore-Firmen abgeflossen sein; laut dem Bericht auch an Gesellschaften, die in Zusammenhang mit den Schmiergeld-Zahlungen rund um Mobilfunk-Lizenzen standen, wie Gerichte in den USA und Schweden feststellten.

Diese Transaktionen, so lautet nun der Vorwurf gegen EY Schweiz, haben bei der Prüferin keinen augenscheinlichen Alarm aufgelöst. 2005, 2006 und 2007 hat EY Schweiz laut dem Zeitungsbericht Zeromax einen gute finanzielle Gesundheit bescheinigt – 2010 folgte dann die Milliardenpleite. Eine Revisionsstelle steht als Organ von Schweizer Firmen in der Pflicht, bei Überschuldung auch rechtliche Schritte einzuleiten.

Milliarden-Ausgaben für besseres Audit

Die Vorwürfe der Finanzinvestorin aus New York drohen das bereits ramponierte Image der Big-Four-Beratungsfirma EY weiter zu belasten. Besonders peinlich für das Unternehmen ist die Pleite des deutschen Fintechs Wirecard im Jahr 2020; die Prüffirma hatte dort über Jahre hinweg die Luftbuchungen beglaubigt. Im Sommer 2020 reichten einstige Wirecard-Investoren in Deutschland Klage gegen EY ein.

Dieser Tage hat EY nun angekündigt, über die nächsten drei Jahr rund 2 Milliarden Dollar ausgeben zu wollen, um die Qualität im Audit weltweit zu verbessern. Ein Teil dieser Gelder wird auch in die Schweiz fliessen. Eine Ansage, die mit der drohenden Milliardenklage und dem Tauziehen um die Zeromax-Dokumente in Zug kontrastiert.

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