«Reputation, Vertrauen und Präsenz sind ebenso wichtig wie Rendite»

Die Golfstaaten sind kein Selbstläufer mehr – wer Vermögen verwalten will, muss tief in die Region eintauchen: Gary Dugan, CEO von The Global CIO Office in Dubai, spricht im Interview über die wachsende Komplexität im GCC, den Einfluss geopolitischer Spannungen, die Chancen jenseits des Ölsektors – und weshalb sich Geduld, kulturelle Kompetenz und regionale Präsenz doppelt auszahlen. 

Von Gérard Al-Fil, Dubai 

Herr Dugan, es sieht so aus, als wäre Vermögensverwaltung im Golfraum eine einseitig profitable Angelegenheit, da die Region boomt. Richtig?

Die Vermögensverwaltung floriert tatsächlich im Golf. Die Region profitiert von sprudelnden Einnahmen aus dem Energiesektor und staatlich getriebenen Reformen. Die eigentliche Chance liegt jedoch darin, sich in der wachsenden Komplexität zurechtzufinden. Die Kunden werden zunehmend anspruchsvoller – sie verlangen Beratung auf institutionellem Niveau, globalen Zugang und gründliche Prüfprozesse. Es ist ein Markt, in dem Reputation, Vertrauen und lokale Präsenz ebenso wichtig sind wie die Rendite. Für Unternehmen, die regionale Expertise mit globalem Blick verbinden, bietet der Golf langfristige Kundenbeziehungen.

Wie hat sich der Handels- und Zollstreit zwischen den USA und China bisher auf das Investitionsklima im Golfkooperationsrat GCC ausgewirkt – sowohl an den Kapitalmärkten als auch im Bereich Private Equity?

Die Spannungen zwischen den USA und China hinsichtlich Handel und Zöllen haben das Investitionsklima im GCC indirekt beeinflusst, indem sie globale Kapitalflüsse und Handelsdynamiken verändert haben. Einerseits hat dies zu erhöhter Volatilität an den Aktienmärkten geführt, besonders in exportorientierten Sektoren. Andererseits hat es das internationale Interesse an einem Standort im GCC beschleunigt. Wir sehen zunehmende grenzüberschreitende Private-Equity-Chancen.

Stichwort: sinkende Ölpreise. Der Brent-Preis pendelt sich oberhalb von 60 Dollar ein, aber das globale wirtschaftliche Umfeld spricht eher für niedrigere Ölpreise. Welche Auswirkungen hat das auf Investitionen in der Region?

Anhaltend niedrige Ölpreise werfen weiterhin einen langen Schatten auf das Investitionsnarrativ im GCC. Während ein Brent-Preis über 60 Dollar für einige Haushalte tragbar ist, reicht er für andere ohne Reformen nicht aus, um langfristige fiskalische Ziele zu finanzieren.

«Die Golfregion besitzt das grössere Potenzial besitzt. Singapur wird weiterhin eine Nischenrolle spielen.»

Für Investoren bedeutet dies, dass sie Sektoren priorisieren müssen, die wenig von der Ölpreisvolatilität betroffen sind – etwa Logistik, erneuerbare Energien, Fintech und Gesundheitswesen. Auch Staatsfonds haben ihre Strategien neu ausgerichtet und investieren verstärkt international. Das wiederum wirkt sich auf die heimischen Kapitalmärkte aus – durch bessere Governance und höhere Transparenzstandards.

Nach Jahren der Inflation – stehen wir nun vor einer Phase der Deflation? 

Deflation ist derzeit noch kein Basisszenario. Sollte sie jedoch auftreten – etwa durch sinkende globale Nachfrage oder übermässig restriktive Geldpolitik – würde das besondere Herausforderungen für die GCC-Region mit sich bringen. Da die meisten lokalen Währungen an den US-Dollar gekoppelt sind, importieren die GCC-Zentralbanken im Grunde die US-Geldpolitik. In einer deflationären Welt könnten reale Zinssätze stark steigen, was das Kreditwachstum und öffentliche Investitionen untergräbt. Wir glauben, dass in einem solchen Fall noch entschlossenere Strukturreformen notwendig wären, um die Dynamik in den nicht ölbasierten Sektoren und bei der Beschäftigung zu erhalten.

Wie können Investoren vom Wandel der Golfstaaten hin zu einer wissens- und dienstleistungsorientierten Wirtschaft und zur Vierten Industriellen Revolution (4IR) profitieren?

Der Wandel der Golfstaaten hin zu wissensbasierten Volkswirtschaften und 4IR-Themen ist ein fruchtbares Feld für Investoren – vorausgesetzt, sie sind selektiv. Es gibt zahlreiche Chancen in Bereichen wie digitaler Infrastruktur, KI-gestützten Dienstleistungen, Bildungstechnologie und sauberer Energie. Regierungen agieren sowohl als Kapitalgeber als auch als Abnehmer, was private Investitionen entlastet. Langfristige Investoren können profitieren, wenn sie sich an nationalen Transformationsplänen wie Saudi Vision 2030 oder den Diversifizierungsstrategien der VAE orientieren. Besonders Family Offices zeigen zunehmend Interesse an diesen zukunftsweisenden Themen.

Sie haben sowohl in der Golfregion als auch in Singapur gearbeitet. Welche Gemeinsamkeiten gibt es im geschäftlichen Umgang in Nahost und Südostasien?

Geduld, Beziehungsaufbau und kulturelle Kompetenz zahlen sich in beiden Regionen aus. In beiden dominieren Familienunternehmen, und Vertrauen ist von zentraler Bedeutung. Entscheidungen werden oft von wenigen Hauptakteuren getroffen, nicht von institutionellen Gremien. Erfolgreich ist in beiden Kontexten ein beratungsintensives Modell mit hohem Vertrauensniveau und klarem Mehrwert.

«Was in Jakarta funktioniert, funktioniert nicht zwangsläufig in Riad.»

Beide Regionen zeigen sich offen gegenüber globalem Kapital und Ideen, achten jedoch gleichzeitig darauf, lokale Besonderheiten und Identität im Geschäftsleben zu wahren. Aufgrund der Offenheit des GCC gegenüber Migration glaube ich fest daran, dass die Golfregion das grössere Potenzial besitzt. Singapur wird weiterhin eine Nischenrolle im südostasiatischen Handel und in der Vermögensverwaltung spielen.

Und welche Unterschiede sollten Investoren beachten?

Die Unterschiede sind immens – sowohl strategisch als auch strukturell. Südostasien ist dezentraler organisiert, mit unterschiedlichen Regulierungen und wirtschaftlicher Reife in Ländern wie Singapur, Indonesien und Vietnam. Der GCC hingegen ist stärker zentralisiert, oft getrieben von staatlichen Strategien und öffentlich-privaten Kooperationen. In Südostasien liegt der Fokus auf demografischem Wachstum und Konsumermärkten. Im Golf hingegen stehen Infrastruktur, globale Vernetzung und staatliche Reinvestitionen im Vordergrund. Investoren müssen ihre Strategien entsprechend anpassen – was in Jakarta funktioniert, funktioniert nicht zwangsläufig in Riad.

Wie kann The Global CIO Office Neuankömmlinge unterstützen, sich in der finanziellen Wüste des Nahen Ostens zurechtzufinden und die Oase der Rentabilität zu erreichen?

Bei The Global CIO Office bieten wir wirklich unabhängige Beratung – da wir keiner grossen Finanzinstitution angehören. Wir verbinden internationale Best Practices mit tiefem regionalem Know-how und helfen Neuankömmlingen dabei, ihre Ambitionen in konkrete Handlungen zu übersetzen. Ob beim Aufbau einer regelkonformen Investmentplattform, der Entwicklung eines Shariah-konformen Produktportfolios oder beim Zugang zu den richtigen Family Offices und Institutionen – wir verstehen uns als Partner für nachhaltigen Erfolg. Unsere massgeschneiderte Research- und Due-Diligence-Kompetenz ermöglicht es Investoren, teure Fehler zu vermeiden und die echten Chancen jenseits der Schlagzeilen zu erkennen.


Gary Dugan ist Gründer und CEO von The Global CIO Office in Dubai. Er verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung. Der Brite war zuvor CIO und Geschäftsführer bei JPMorgan, Barclays, Merrill Lynch, Emirates NBD (Dubai), FAB und Coutts.