Wie der Bundesrat nach dem Zollschock die Schweiz stärken will

Das war ein glückliches (oder geglücktes) Timing von Avenir Suisse! Wenige Stunden, nachdem die Denkfabrik ihre Studie «Antworten auf den Zollkonflikt» publiziert hat – mit einer Sammlung von Reformvorschlägen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft an die Adresse der Politik, hat sich auch der Bundesrat zur Stärkung der Standortattraktivität der Schweiz bekannt.

Man habe die Situation nach den «jüngsten Veränderungen im internationalen Umfeld« mit ihren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz an der Sitzung vom Mittwoch eingehend diskutiert, ist dem Communiqué zu entnehmen. Und die Landesregierung hat offenbar Handlungsbedarf identifiziert: Sie will die Anstrengungen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz intensivieren.

Auch Verzicht auf bereits beschlossene Regulierungen steht zur Debatte

Der Bundesrat hat die zuständigen Departemente beauftragt, in bestehenden Regulierungen Entlastungsvorschläge zügig zu prüfen. Und auch der Verzicht auf bereits in Angriff genommene Regulierungsprojekte ist ein Thema: «Bei noch nicht abgeschlossenen Vorhaben mit hohen Kostenfolgen für Unternehmen soll auch die Möglichkeit einer Verschiebung geprüft werden.» Ob sich darunter auch finanzmarktrelevante Projekte wie die nachgeschärfte Too-big-to-fail-Regulierung für die Banken befinden? 

Der Bundesrat stellt zudem in Aussicht, im Herbst – gestützt auch auf die Rückmeldungen aus den Departementen – die weiteren Schritte zu beschliessen und detaillierter darüber zu berichten.

«Stabilität der Schweiz gewinnt an Bedeutung»

Unter dem veränderten internationalen Umfeld versteht der Bundesrat nicht nur die von den USA angestrebte «Neuordnung der Handelsbeziehungen». Erwähnt werden auch die Distanzierung der USA von der OECD-Mindeststeuer und der neue Fokus der EU auf der Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sowie auf den Abbau administrativer Belastungen für die Unternehmen.

«Von diesen Veränderungen gehen sowohl negative als auch positive Effekte auf den Wirtschaftsstandort Schweiz aus«, stellt die Landesregierung fest. Und weiter: «Vor dem Hintergrund einer global zunehmenden Unsicherheit gewinnt die rechtliche, ökonomische und politische Stabilität der Schweiz an Bedeutung.»

Verbesserung der allgemeinen Standortbedingungen «am zielführendsten» 

Angesichts der mittelfristig bestehenden Unsicherheit und Herausforderungen sei «eine Verbesserung der allgemeinen Standortbedingungen für alle Unternehmen der zielführendste Weg, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft zu erhalten». Bereits Ende Mai hatte der Bundesrat dazu eine Aussprache geführt und die Departemente beauftragt, Vorschläge zur administrativen Entlastung der Wirtschaft vorzulegen. Nun sollen diese Bemühungen zur Umsetzung der damals formulierten wirtschaftspolitischen Agenda intensiviert werden.

«Prioritär sind Anstrengungen, die die Produktionskosten von Unternehmen reduzieren», heisst es im Communiqué. Zudem gelte es, den Zugang zu alternativen internationalen Absatzmärkten für eine geografische Diversifizierung weiter zu stärken und die Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen zu sichern.

Unternehmensentlastungsgesetz und Kurzarbeitsentschädigung

In drei Punkten wird der Bundesrat etwas konkreter. Erstens gilt der regulatorischen Entlastung der Unternehmen mit den Instrumenten des 2024 geschaffenen Unternehmensentlastungsgesetzes ein besonderes Augenmerk. Zusätzliche Belastungen durch neue Regulierungsvorhaben sollen vermieden werden, bei bestehenden Regulierungen sollen zusätzliche Entlastungen identifiziert werden – ein Credo, das sicher auch in der in der Mitteilung nicht explizit angesprochenen Finanzbranche auf breite Zustimmung stösst. 

Zweitens werden derzeit rasch umsetzbare Massnahmen im Bereich der Kurzarbeitsentschädigung geprüft: Anfang September wird der Bundesrat Stellung nehmen zu einer parlamentarischen Initiative, welche die Höchstbezugsdauer bei Kurzarbeit um weitere 6 auf 24 Monate verlängern möchte. Auch im Bereich der Exportförderung werden weitere Massnahmen geprüft.

Kein Konjunkturprogramm

Drittens hält der Bundesrat fest, dass ein eigentliches Konjunkturprogramm nicht angezeigt ist. Es sei nicht zu erwarten, dass die Zölle zu einer Rezession mit starken Rückgängen des Bruttoinlandprodukts wie während der Finanzkrise 2008/2009 oder der Pandemie führten.

Auch wenn die umsichtige Pflege des Standorts Schweiz eigentlich eine der ständigen Hauptaufgaben der Landesregierung in ruhigen wie in unruhigen Zeiten sein sollte, ist dem Bundesrat immerhin zu attestieren, dass sein ordnungspolitischer Kompass grosso modo intakt zu sein scheint. Doch nun müssen den hehren Absichten bald mutige Taten folgen.