Die Antworten von Avenir Suisse auf den Zollkonflikt
Die Denkfabrik Avenir Suisse hat sich überlegt, wie die Schweiz auf hohen Zölle von 39 Prozent für Ausfuhren in die USA reagieren soll. Der Schwerpunkt der am Mittwoch publizierten Studie liegt dabei nicht auf der Taktik (Verhandlungen weiterführen) oder auf der Strategie (Weiterentwicklung der Aussenwirtschaftspolitik, Diversifikation der Handelspartner) sondern auf innenpolitischen Massnahmen, mit denen unser Land seine Wettbewerbsfähigkeit stärken könnte.
Die Forderungen lesen sich zu einem grossen Teil wie der schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten geschriebene Wunschzettel der liberalen Kräfte (was nicht dagegen sprechen muss, sie nun umzusetzen): Modernisierung des Arbeitsgesetzes (Vereinfachung der Zeiterfassung), weniger Steuerbürokratie (Einheitssatz bei der Mehrwertsteuer), effizientere Verwaltung (beschleunigte Bewilligungsverfahren), Bürokratieabbau, Sicherung einer kostengünstige Energieversorgung und Abbau von Innovationshindernissen.
Keine zusätzliche Verlängerung der Kurzarbeit
Etwas grösser ist der Überraschungseffekt bei der Liste der Massnahmen, die Avenir Suisse explizit nicht umsetzen will. Hier schwimmt die Denkfabrik bisweilen durchaus gegen den Strom.
So lehnt sie eine Verlängerung der Bezugsdauer der Kurzarbeit (die vom Bundesrat bereits 2024 auf 18 Monate verlängert worden ist und gemäss Beschluss vom Mai 2025 fortgeführt wird) um weitere 6 Monate ab. Sie argumentiert damit, dass die Schweiz nicht nur mit konjunkturellen, sondern auch mit strukturellen Herausforderungen konfrontiert sei und das Instrument den Strukturwandel nicht hemmen dürfte. «Denn ökonomisch ist klar: Zwei Jahre haben nur wenig mit einem konjunkturellen Zyklus zu tun.» Dass dieses durchaus triftige Argument in der Politik auch dann Gehör findet, wenn die Arbeitslosenzahlen in der Industrie zu klettern beginnen sollten, ist allerdings alles andere als ausgemacht.
Gefangen in der Zwickmühle der OECD-Mindeststeuer
Eher etwas unerwartet kommt auch die Forderung unter dem Titel «zusätzliche Rechtsunsicherheit vermeiden», die OECD-Mindeststeuer für grosse Unternehmen nicht auszusetzen. Dabei ist Avenir Suisse an sich alles andere als begeistert von dieser Abgabe: «Dieses internationale Regelwerk steht dem Steuerwettbewerb und damit den Interessen der Schweiz entgegen. Es wurde damals auf internationalen Druck hin eingeführt.»
Die Ökonomen weisen aber daraufhin, dass ein Aussetzen der vom Bundesrat eingeführten Ergänzungssteuern Probleme verursachen würde. Denn andere Staaten wie die EU-Mitglieder oder Grossbritannien, in denen ein Konzern ansässig ist, könnten dann auf Basis der «Income Inclusion Rule» und «Undertaxed Payments Rule» Korrektursteuern auf «unterbesteuerte» Gewinne anstelle der Schweiz erheben.
Vor der Korrektursteuer sind (nicht) alle gleich
«Derzeit ist jedoch vieles im Fluss», schreibt Avenir Suisse und denkt dabei wohl auch daran, dass sich die USA und andere grosse Länder um ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen foutieren und es nicht anwenden (und auch keine Korrektursteuern goutieren). Daher lautet die Empfehlung: «Sollte die Gefahr einer Anwendung der Korrektursteuern durch andere Staaten sinken, wäre die Schweiz gut beraten, ihre Umsetzung der OECD-Mindeststeuer zu überdenken.»
Durchaus im Sinne auch der Finanzbranche dürfte das Postulat sein, internationale Regierung nicht ohne unmittelbar bestehende völkerrechtliche Verpflichtung zu übernehmen.
Kostspielige Angleichung an EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung
Avenir Suisse illustriert dies am Beispiel der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung. Seit 2023 müssen grosse Schweizer Unternehmen jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Nun plane der Bundesrat bereits eine Ausweitung der Pflicht, um eine Angleichung an die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) zu erreichen. In einer separaten, ebenfalls diese Woche publizierten Untersuchung hat Avenir Suisse berechnet, dass dadurch die Kosten für die Unternehmen von heute 130 Millionen auf bis zu 1,7 Milliarden Franken steigen könnten.
Ein solcher Marschhalt in Bezug auf die internationale Regulierung würde insbesondere auch bedeuten, das für den Finanzmarkt und das Wirken der Finma bedeutsame «Soft Law» nicht mehr (wie das heute oft geschieht) einfach tel quel zu übernehmen.
Keine Subventionen für einzelne Branchen
Nicht überraschend, aber aufgrund des in die Gegenrichtung weisenden Zeitgeists gleichwohl erwähnenswert, ist die Ablehnung von Subventionen für einzelne (angeblich besonders wichtige) Branchen und damit der Verzicht auf eine Industriepolitik.
Avenir Suisse erteilt bei dieser Gelegenheit gleich auch einem unausgegorenen Vorschlag für eine angeblich schmerzfreie Finanzierung solcher Subventionen, der schon seit einigen Jahren in vielen Köpfen spukt, eine erfreulich klare Absage: «Ein Staatsfonds, geäufnet mit Geldern der Schweizerischen Nationalbank, würde dieses Problem zwar lösen, aber zu einem hohen Preis: Er könnte die Stabilität des Schweizer Frankens untergraben – einem Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.»