Was würde die neue SBI-Ratingregel für das Emissionsgeschäft bedeuten?

Am Freitag ist die im Juni von der Börsenbetreiberin SIX eröffnete Konsultation zu einer Revision des Ratingkriteriums für die Aufnahme von Anleihen in den Swiss Bond Index (SBI), die Benchmark für Frankenanleihen, abgeschlossen worden.

Nun werden die Antworten der Marktteilnehmer gesichtet und ausgewertet. Darauf basierend wird das SIX-Indexteam einen Vorschlag ausarbeiten, der an die Bondindexkommission geht, in der neben Vertretern der SIX auch solche von Banken, Versicherungen und des Bundes sitzen. Die Kommission gibt eine Empfehlung ab, die grosses Gewicht hat. Den definitiven Entscheid fällt die SIX.

Kommunikation der SIX folgt bis Ende September 

Auf Anfrage von finews.ch hält die SIX fest, dass sie bis Ende September dazu kommunizieren wird. Eine Änderung träte frühestens drei Monate nach Bekanntgabe in Kraft, so dass sich der Markt darauf vorbereiten kann. 

Bisher muss ein Schuldner (bzw. seine Anleihe) ein sogenanntes Composite Rating von mindestens BBB aufweisen, damit eine Anleihe in den SBI aufgenommen wird. Die Börse stellt für das Composite Rating zum einen auf die Bonitätsbewertungen der drei internationalen Agenturen Standard & Poor's (S&P), Moody's und Fitch ab, zum anderen auf diejenigen der drei inländischen Ratinganbieter UBS, Zürcher Kantonalbank (ZKB) und Fedafin, die einzige von der Finma anerkannte unabhängige Schweizer Ratingagentur.

Welche Rolle das Rating bei der Aufnahme in den SBI spielt

Die drei Inländer kommen erst dann zum Zug, wenn kein internationales Rating vorliegt – was bei Schweizer Schuldnern, die nicht zur Gruppe der multinationalen Unternehmen oder Daueremittenten gehören, aus Kostenüberlegungen recht häufig der Fall ist. Dann braucht es bisher mindestens zwei inländische Ratings, damit ein Schuldner in den SBI aufgenommen wird (daneben gibt es weitere Aufnahmekriterien, das wichtigste ist das Mindestvolumen von 100 Millionen Franken). Das Composite Rating bei zwei bzw. drei verfügbaren Ratings entspricht dem schlechteren bzw. der mittleren Einstufung und muss mindestens BBB betragen.

Schuldner ohne ein internationales Rating müssen also von mindestens zwei Anbietern aus dem Trio UBS, ZKB und Fedafin bewertet sein, um SBI-fähig zu sein. Die Aufnahme in den SBI  ist für Investoren ein wichtiges Qualitätsmerkmal und oft sogar Bedingung, dass eine Anleihe überhaupt in ihr Anlageuniversum kommt – und entsprechend auch für die meisten Emittenten hochrelevant. 

Was bringt die Aufwertung der Fedafin-Ratings?

Die SIX spricht in ihrem Konsultationspapier von «Herausforderungen», vor denen Schweizer Erstemittenten insbesondere aus dem Unternehmenssektor stehen, weil es einen Mangel an Investmentresearch inländischer Banken gibt. Sie hat deshalb eine Aufwertung der Ratings von Fedafin zur Diskussion gestellt. Würde ein Schuldner erstmals an den Anleihenmarkt gelangen, könnte künftig auch nur das Rating von Fedafin genügen, um im SBI Einlass zu finden.

Fedafin-Geschäftsführer Adrian Oberlin hatte bereits im April in einem Interview mit finews.ch die Karten auf den Tisch gelegt: «Wir setzen uns seit geraumer Zeit dafür ein, dass unsere Ratings künftig auch allein – und nicht nur wie bisher gemeinsam mit einem Bankenrating – für den SBI qualifizieren, insbesondere bei neuen Emittenten oder wenn bei bestehenden Schuldnern Bankenratings wegfallen.»

Offene Ablehnung bei der ZKB

Wenig Begeisterung über eine mögliche Aufwertung der Fedafin-Ratings herrscht bei der ZKB. Holger Frisch, Leiter Credit Research, sprach sich im Juli bei der Präsentation des jährlichen «Rating Guide» dezidiert gegen eine Änderung beim SBI-Ratingkriterium aus.

Das bestehende Verfahren habe sich bewährt, betonte Frisch und warnte, der Vorschlag könnte die Volatilität im SBI erhöhen. Zudem schätzten es Investoren, über mindestens zwei Bonitätsbewertungen zu verfügen, speziell bei Schuldnern, die zum ersten Mal am Markt aufträten.

Stillschweigen bei der UBS

Nicht offiziell zum Vorschlag Stellung genommen hat die UBS. Es ist aber davon auszugehen, dass auch dort der Wunsch nach einer Änderung des Status quo nicht sonderlich ausgeprägt ist.

Eine andere Sichtweise vertritt quasi auch nach Torschluss der Fedafin-Chef, wie im Gespräch mit finews.ch deutlich wird.

Oberlin: «Kompromissvorschlag im Interesse des Marktes»

Es handle sich um einen Kompromissvorschlag – ursprünglich hätte sich Fedafin eine volle Gleichstellung mit den internationalen Agenturen gewünscht. «Wir sind davon abgerückt, weil dies möglicherweise dazu geführt hätte, dass die Banken ihr Credit Research ausdünnen. Das will der Markt nicht: Zahlreiche Asset Manager schätzen es, wenn möglichst viele unterschiedliche Einschätzungen möglichst gratis vorhanden sind. Daher ist es im Interesse des Marktes, dass die beiden Banken bis auf Weiteres Ratingprovider bleiben, und ihre Analysen sind auch von guter Qualität.»

Auf den Einwand, der Bedarf nach mehreren Einschätzungen sei bei Debütanten besonders gross, hat Oberlin ebenfalls eine Antwort parat: «Wenn die institutionellen Anleger in solchen Fällen wirklich zwei Ratings einfordern, wird der Markt dafür sorgen, dass sie dies auch bekommen.»

Gleichlange Spiesse für die Banken im Emissionsgeschäft

Handlungsbedarf bestehe aber deshalb, weil mit der Credit Suisse ein dominanter Akteur im Emissionsgeschäft und auch eine wichtige Lieferantin von Ratings weggefallen sei. Zudem hält Oberlin ein Szenario, in dem Bankenratings aus regulatorischen Gründen irgendwann nicht mehr akzeptiert werden, nach wie vor für realistisch.

«Es geht mir nicht darum, dass Fedafin dadurch mehr Kunden gewinnt – das wird auch nicht geschehen.» Am meisten würde sich jedoch im Emissionsgeschäft für inländische Schuldner verändern: «Dort hätten dann alle Banken gleichlange Spiesse. Heute verzerrt das Argument, dass ein solcher Schuldner mindestens ein Bankenrating aufweisen muss, den Wettbewerb bei Federführungen im Inlandsegment.»

Nicht matchentscheidend für Emissionen

«ZKB und UBS wären aber auch bei einem angepassten Ratingkriterium für inländische Schuldner als Banken oft die erste Wahl», ist Oberlin überzeugt. Dagegen geht er nicht davon aus, dass die Adjustierung – wie von der SIX erhofft – die Hürde für Emissionen senken würde. «Kein Unternehmen wird eine Anleihentransaktion nur deswegen vornehmen, weil neu das Fedafin-Rating allein genügt.»

Oberlin beschäftigt sich schon lange intensiv mit der Thematik. «Vor genau drei Jahren konnte ich das Anliegen erstmals vor der Indexkommission präsentieren.» Er hat in den letzten Monaten Gespräche mit sehr vielen Asset Managern und allen relevanten Banken geführt. «Ich habe dabei breite Unterstützung für unser Anliegen erfahren.» 

Vor drei Jahren ging es allerdings noch um die Maximalvariante und nicht um den in seinen Worten «gutschweizerischen Kompromiss», der heute zur Debatte steht. Ob seine Ausdauer und Hartnäckigkeit nun bald belohnt wird?