Kaum ein anderer Banker urteilt radikaler über die Zukunft seiner Branche als Ralph Hamers. Der Chef des holländischen ING-Konzerns vergleicht sein Institut längst mit Google, Airbnb und Facebook.

Vor gut zwanzig Jahren schockte Microsoft-Gründer Bill Gates die Branche mit der Feststellung: «Banking is necessary, banks are not». Anfänglich schien diese Aussage niemanden gross zu kümmern. Doch inzwischen hat diese Aussage längst Kultstatus erlangt und umschreibt die Realität im Bankwesen immer besser.

Auch Ralph Hamers, CEO des niederländischen Finanzkonzerns ING, treibt diese Frage schon länger um, und er hat eine realtiv profane, aber letztlich stimmige Antwort gefunden: «Die Bank der Zukunft wird eine digitale Plattform sein», sagt er im Interview mit finews.ch.

Banken als Plattformen

«Und das Kennzeichen solcher Plattform-Banken wird sein, dass der Kunde sowohl Anbieter als auch Nutzer von Dienstleistungen ist», wie Hamers am Rande einer kürzlichen «Handelsblatt»-Tagung in Frankfurt am Main im Gespräch weiter ausführte.

Dabei verweist der Holländer etwa auf Facebook, wo der Leser sowohl Medieninhalte konsumiert, als auch selber welche produziert. Genauso funktioniert auch der Online-Zimmervermittler Airbnb, wo die Nutzer Zimmer mieten oder eben auch vermieten können.

Bank ohne Bankbilanz

So gilt Facebook als Medienunternehmen, aber ohne irgendwelchen eigenen Inhalt zu haben, und genauso verhält es sich mit Airbnb, das man als Hotel definieren kann, das keine Zimmer besitzt; auch der Online-Fahrdienst Uber ist ein solches Beispiel, der über keine eigenen Taxis verfügt. Netflix schliesslich ist ein Filmproduzent, der keine eigenen Kinosäle hat. Und genau in diesem Kontext fragt Hamers: «Wann kommt die erste Bank ohne Bankbilanz?»

Digitaler Treffpunkt

Nach den erwähnten Modellen sollte künftig auch eine Bank funktionieren, findet der ING-Chef. Denn nur so würden es die Geldhäuser schaffen, im Mittelpunkt der Gesellschaft zu bleiben. Daraus folgert Hamers: Will die Bank der Zukunft für ihre Kunden relevant sein, muss sie sich in eine digitale Anlaufstelle verwandeln, die man gerne besucht und je nach finanziellen Bedürfnissen in Anspruch nimmt.

«Dafür braucht es keine Filialen mehr, sondern eben bloss noch eine digitale Plattform, auf der die Kunden einfach, transparent und fair mit ihrem Finanzinstitut interagieren können, präzisiert Hamers, der seit 2013 an der Spitze von ING steht.

Fast 700 Millionen digitale Kundenkontakte

Banken, die solche Tools im Ansatz bereits anbieten, verzeichnen denn auch einen starken Zuwachs an digitaler Kommunikation, wie Hamers weiter erklärt. Bei ING sei dies ganz offensichtlich. «Im zweiten Quartal des laufenden Jahres hatten wir insgesamt 700 Millionen Kundenkontakte. Davon fanden 98 Prozent über das Smartphone oder das Internet statt», erklärt der Holländer.

Auch interessant: Von den 36 Millionen Kunden der ING-Bank haben 14 Prozent noch nie eine Filiale physisch betreten, sondern ausschliesslich über digitale Kanäle kommuniziert, wie der 51-Jährige weiter betont.

Auch Rivalen zulassen

Hamers geht noch einen Schritt weiter und verweist auf die amerikanischen Giganten Apple und Google. Die einst für ihr eher protektionistisches Verhalten bekannten Unternehmen hätten sich mittlerweile geöffnet.

So mache Apple beispielsweise neben seinem eigenen Music-Streaming-Dienst iMusic inzwischen auch das Angebot des Konkurrenten Spotify nutzbar, und mit der Suchmaschine Google könne man neben dem firmeneigenen Brower Google Chrome simultan auch ohne weiteres etwa Sarfari benutzen, stellt Hamers fest. 

Demokratisierung des Bankwesens

Dies werde auch für die Bank der Zukunft gelten müssen, sagt der ING-Chef. Konkret heisse dies: «Kunden sollten über ihre Bank auch direkten Zugriff auf Produkte der Konkurrenz haben, sofern diese besser sind», so Hamers, der davon auch Demokratisierung des Bankwesens erwartet.

Zumindest digital könnten Geldhäuser so auch wieder zu einem Ort werden, wo man sich gerne trifft – inmitten von Facebook, AirBnbB und Apple.

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