Nectar Financial ist an eine Zürcher Adresse mit viel Finanzhistorie gezügelt. Im neuen Quartier tüftelt das Fintech am Private Banking der Zukunft – und stösst auf Interesse bei Banken.

Bunte Wandmalereien und eine aus Baustellenbrettern gezimmerte Bar künden es an: Der Besucher betritt Startup-Territorium. Das kommt unvermittelt, befinden sich doch die Räume in einem Bau mit viel Finanzhistorie – nämlich dem «Mythenschloss» am Ufer des Zürichsees, dem langjährigen Hauptquartier des grössten Schweizer Rückversicherers Swiss Re. Nächstes Jahr soll der Komplex abgerissen werden. Bis es soweit ist, nutzen diverse Firmen die prominente Zürcher Adresse.

Zu diesen gesellte sich im August auch das Fintech Nectar Financial aus Altendorf im Kanton Schwyz.

Der Zügel kommt für das aufstrebende Unternehmen scheinbar zu rechten Zeit. Wie CEO und Mitgründer Michael Appenzeller (Bild unten) gegenüber finews.ch erklärt, ist Nectar nun verstärkt daran, das Angebot an den Zürcher Finanzplatz zu tragen – mit der erklärten Absicht, diesen zu revolutionieren.

Appenzeller 500

«Die Maschine macht, was wir erwarten»

Kern das Angebots ist das, was Appenzeller lapidar als «digitales Portfolio» bezeichtet: Ein Algorithmus zur Portfoliokonstruktion, der dank des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) zu einer Art «lernendem Quant» wird, wie es der Chef ausdrückt. Wie finews.ch berichtete, lancierte Nectar auf Basis der Technologie Anfang Jahr ein Zertifikat auf Hedgefonds und versprach damals nicht weniger als 8 Prozent jährliche Rendite.

In den letzten fünf Monaten hat das Zertifikat nur 3 Prozent eingespielt – doch die Nectar-Truppe ist zufrieden. Kein Monat sei negativ gewesen. Das Instrument habe zudem deutlich besser abgeschnitten als die einschlägigen Dach- und Hedgefonds-Indizes oder der Schweizer Bluechip-Index SMI, so Appenzeller. «Die Maschine macht exakt das, was wir von ihr erwarten.»

In den Zertifikaten verwaltet das Fintech rund 13 Millionen Franken Kundenvermögen, gegenüber rund 100 Millionen Franken insgesamt.

Finanzkrisen simulieren

Derweil hat Nectar das digitale Portfolio weiterentwickelt; dieses ist laut dem Firmenlenker mittlerweile in der Lage, Wertschriftenportfolios jeglicher Zusammensetzung einzulesen und im Rahmen des vom Kunden gesetzten Risikoprofils Vorschläge zur Verbesserung der Rendite zu machen.

Dabei lassen sich verschiedene Rendite-Risiko-Gewichtungen unter Einhaltung von regulatorischen und vom Kunden gesetzten Restriktionen durchspielen – und neuerdings auch das Verhalten des Portfolios bei Börsencrashs simulieren.

«Mittlerweile ist das digitale Portfolio in der Lage», sagt Appenzeller, «bei gleichem oder geringerem Risiko ein durchschnittliches Private-Banking-Portfeuille um bis zu 400 Basispunkte zu überrunden.»

Was eigentlich wie eine Kampfansage an die Bankbranche tönt, findet dort offenbar Anklang. Nach Angabe des CEO führt Nectar Gespräche mit mehreren Instituten, um das digitale Portefeuille als Smartphone-App im Rahmen von Beratungsmandaten zum Einsatz zu bringen. Namen von Interessenten will Appenzeller keine nennen. Bekannt ist, dass die Privatbank Julius Bär am Fintech beteiligt ist.

Neue Ära des Private Banking

«Damit», urteilt Appenzeller, «zeichnet sich unserer Meinung nach eine neue Ära des Private Banking ab: Die Beratung, Distribution und Verwahrung bleibt Sache der Bank, die Vermögensverwaltung übernimmt die Maschine, und die Execution wird an den besten Anbieter ausgelagert.»

Ebenfalls will Nectar Klientel bei den unabhängigen Vermögensverwaltern hinzugewinnen. Für den Herbst soll das KI-Angebot im Rahmen einer Gesamtlösung in der Lage sein, Multi-Custody-Mandate zu optimieren und damit den Anlageprozess durchgängig zu digitalisieren. Auch dazu hat Appenzeller eine markige Ansage parat: «Nach unseren Berechnungen deckt ab einem Volumen von 50 Millionen Franken die front-to-back-Digitalisierung ihre Kosten selber.»

Die Nectar-Führung bleibt damit ganz offensichtlich dem Kurs treu, den sie Anfangs Jahr ankündigte: «Sie müssen viel mehr von uns erwarten.»

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