Banking im Jahr 2019: Warum nicht mit einer Neobank? Doch was können die eigentlich? finews.ch hat die zwei unabhängigen Anbieter, die in der Schweiz bereits verfügbar sind, unter die Lupe genommen.

Eines vorab: Natürlich ist es nicht ganz fair, ein Fintech-Startup wie Neon, dass sich selber mit etwa 10 Millionen Franken bewertet, mit dem milliardenschweren Unicorn Revolut zu vergleichen. Und doch sind beide unabhängig, im Schweizer Markt präsent und verfügen über einen kostenlosen Basisdienst. Folglich stellt sich zwangsläufig die Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden.

1. Onboarding

Letztere machen sich bereits beim Onboarding bemerkbar. Revolut benötigt für die Anmeldung nicht mehr als eine Identitätskarte, ein Selfie und die üblichen Daten. Zeitaufwand: In rund einer Minute ist man an Bord. Für die Identitätsbestätigung nimmt sich der Dienst nochmals fünf bis zehn Minuten Zeit, dann ist die App voll funktionsfähig.

Die violette Karte (Bild unten) – gratis, gegen entsprechendes Entgelt in anderen Farben oder beim Luxusservice namens «Metal» sogar aus Metall erhältlich – kommt in ein paar Wochen kostenlos, gegen Bezahlung in ein paar Tagen. Übergangsweise erhält man eine virtuelle Karte, die für Online-Bezahlungen und neuerdings auch mit Apple-Pay einsetzbar ist. Der PIN wird nicht separat verschickt, denn den wählt man in der App gleich selber aus.

revolut interface karte

Bei Neon dauert die ganze Anmeldung inklusive Verifikation keine zehn Minuten, was bei Onboarding-Prozessen die Schwelle zwischen schnell und langsam darstellt; soweit so gut. Ein Nachteil besteht aber darin, dass die Verifikation mittels Video-Chat durchgeführt wird. Heisst: Wenn ich mich anmelden will, muss gerade jemand am anderen Ende Zeit haben. Sonst entstehen Wartezeiten. Und folglich funktioniert die Anmeldung nur zu den Geschäftszeiten des Unternehmens. Wer nachts oder am Wochenende Kunde werden will, hat Pech gehabt.

Nach der Anmeldung prüft Neon die Daten erneut und verschickt einen Code für die App per Post, erst dann kann man mit dem Handy Zahlungen auslösen. Die kostenlose Karte (Bild unten) und der dazugehörige PIN-Code kommen wie üblich auch separat, so dauert die Anmeldung insgesamt mehrere Tage.

neon interface karte

2. Handling

Die App von Revolut ist schneller als jene von Neon. Das macht sich nicht nur beim Einloggen bemerkbar, sondern auch – und das ist das grösste Manko von Neon – beim Kontostand. Geld aufladen, abheben, irgendwas bezahlen, die aktuelle Balance wird nur verzögert angezeigt.

Beim Aufladen kann es ein paar Stunden, beim Bezahlen User-Berichten zufolge sogar ein paar Tage dauern. Und wer will im Laden stehen, den Kontostand auf dem Handy überprüfen und dann mit einer abgelehnten Karte an der Kasse auffallen? Konkurrent Revolut zeigt den Kontostand – für alle Konten – in Echtzeit an.

Auch das Aufladen des Kontos gestaltet sich zurzeit bei Revolut angenehmer als bei Neon. Bei Revolut kann Geld via Kreditkarte in Echtzeit oder per Banküberweisung auf das Konto übertragen werden. Inzwischen gebührenfrei– dank Korrespondenzkonto bei der Grossbank Credit Suisse, wie finews.ch Ende 2018 berichtet hat.

Bei Neon steht nur die Banküberweisung auf das Konto der Hypothekarbank Lenzburg zur Verfügung. Das kann je nach Bank bis zu einem Tag dauern. Hat die Bank des Kunden entsprechend nervige Sicherheitsvorkehrungen, kann es vorkommen, dass die Zahlung erst mit Kartenleser autorisiert werden müsste, was unterwegs zumeist nicht möglich ist. Dann kann die Neon-App immerhin noch via Revolut aufgeladen werden. Oder zuhause.

3. Kosten

Im Inland dürfte die Nutzung von Neon günstiger sein als die von Revolut. Denn während bei beiden Dienstleistern Kartenzahlungen und Online-Überweisungen gratis sind, hat Neon beim Bargeld die Nase je nach Nutzung vorn: Man kann mit Revolut nur 200 Franken pro Monat kostenlos am Bankomat beziehen, danach werden 2 Prozent des jeweiligen Bezugs als Gebühr fällig. Damit deckt Revolut einen Teil der Kosten, hauptsächlich finanziert es sich aber mit den Premium-Kunden.

Neon schenkt der Kundschaft zwei Abhebungen, unabhängig von der Summe, die bezogen wird. Für weitere Abhebungen verrechnet die Neobank 2 Franken Gebühr. Im Ausland gewinnt Revolut ohne Frage. Das Fintech-Einhorn wechselt Währungen zum unschlagbaren Interbanken-Kurs, Zahlungen bleiben weiterhin kostenlos. Bei Neon werden maximal 1,5 Prozent Wechselkursaufschlag und zusätzlich 1,8 Prozent Transaktionsgebühr pro Bezahlung fällig.

4. Zusätzlicher Service

Die Einbindung der Services wirkt bei Neon schöner als bei Revolut, das Design mit mehr Liebe gemacht. Bei der Art und Weise der Services haben beide Vor- und Nachteile. Dank dem Bargeldbezugs-Fintech Sonect können Kundinnen und Kunden von Neon an den 2'100 Servicepunkten von Sonect – wie Apotheken, Kiosks oder Bäckereien – Bargeld beziehen. Zweimal pro Monat gratis, danach ebenfalls für 2 Franken pro Bezug.

Damit kann Revolut nicht aufwarten. Dafür mit dem Handel von Kryptowährungen: Bitcoin, Litecoin, Ethereum, Bitcoin Cash and XRP (Ripple) können mit dem Konto hin- und her gewechselt werden. Unkompliziert und – allem Anschein nach – gebührenfrei. Leider ist Revoluts Kryptowallet aber geschlossen, sprich mit den Coins kann man so gut wie nichts anfangen, ausser Traden und sich mit den Kursstürzen der Kryptowährungen unkompliziert und einfach graue Haare wachsen lassen.

5. Persönlicher Gesamteindruck

Dass viele Angebote und Dienstleistungen von Revolut zurzeit günstiger und/oder besser sind, lässt sich zu einem grossen Teil mit weniger strengen Regulationen, der längeren Vorlaufzeit und dem massiv höheren Budget erklären.

Was Neon Revolut aber bei weitem voraus hat, ist der Eindruck, den die Neobank in der Medienlandschaft und bei den Kunden hinterlässt. Neon mag vielleicht noch nicht so viel bieten wie Revolut, wird es vielleicht auch nie. Doch dafür verzichtet Neon auf den pathosschwangeren Kommunikationsstil von Revolut, wo man ständig mit der grossen Kelle anzurichten verspricht.

Revolut verspricht vieles, von A wie Aktienhandel bis W wie Wealth Management. Auch die Einbindung von Apple Pay war ein jahrelanges Versprechen, das die Neobank erst vor ein paar Monaten eingelöst hat. Oder die Reiseversicherung für Metal-Kunden, die dann aber Schweizer Kunden nicht einschliesst. 

Bei Neon dauert vieles – leider auch wirklich essenzielle Dinge – zurzeit ein wenig länger. Dafür weckt das Unternehmen nur die Erwartungen, die es innert nützlicher Frist auch erfüllen kann. Und damit gewinnt man nach gutschweizerisch bescheidener und zuverlässiger Art (Mittelfinger ausgenommen) Sympathiepunkte.

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