Im Schweizer Banking fallen die Generalversammlungen wegen der Corona-Krise aus. Positiv für die Top-Manager: Sie entgehen der alljährlichen Kritik an Boni und Vergütungen.

Vergangenes Wochenende hätte die Generalversammlung der Hypothekarbank Lenzburg stattfinden sollen. Hätte: Denn der Anlass, der mit regelmässig über 1'000 teilnehmenden Aktionären aus der Region eher den Charakter eines Volksfestes hat, fand heuer nicht statt.

Der Grund ist bekannt: Zig andere Unternehmen und Banken in der Schweiz mussten wegen der Corona-Krise ihre Generalversammlungen absagen. Die Aktionäre waren aufgefordert, ihre Stimmen auf elektronischem Weg oder mittels schriftlicher Weisung an den Stimmrechtsvertreter im Vorfeld abzugeben.

Die Hallen bleiben leer

Grossbanken wie die Credit Suisse (CS) und UBS müssen ihre Einladung und Traktandenlisten erst noch verschicken. Beide Generalversammlungen sind erst auf Ende April angesetzt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Zürcher Hallenstadion und die St. Jakobhalle in Basel an den beiden letzten Tagen im April aufgrund der anhaltenden Corona-Krise leer bleiben – und Spitzenbanker wie CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner ohne die obligate und oft stundenlange Abreibung von Aktionären davon kommen.

Anlass für Kritik und Fragen hätten die CS-Aktionäre jedoch genug, um Rohner zu «grillen»: der Spionage-Skandal, der CEO Tidjane Thiam den Kopf kostete, dessen millionenschweres Abschiedspaket, die anhaltenden Rechtsfälle.

Gekürzte Traktandenlisten

Doch in diesem Jahr dürfte die CS-Generalversammlung in weniger als einer Stunde vorüber sein. Wie hatte es die Bank Linth anlässlich ihres Versands zu Beginn des Monats formuliert? «Die Generalversammlung wird sich auf die geschäftlich und rechtlich notwendigen Traktandenpunkte beschränken.»

In der Regel beinhalten diese Punkte die Genehmigung der Jahresrechnung, die Entlastung des Verwaltungsrates, Neuwahlen und die Genehmigung einer Dividende. Manchen Instituten wird nun etwas fehlen. Denn der gesellschaftliche Teil solcher Generalversammlungen mit Festmusik, Bankett und Tanzabend ist bei vielen Inland- und Regionalbanken viel wichtiger als das Abarbeiten der Traktanden.

Roche musste Aktionäre abhalten

Auf mancher Teppichetage grösserer Schweizer Finanzinstitute dürfte der eine oder andere CEO oder Verwaltungsratspräsident jedoch aufatmen. Denn die oftmals über Stunden von kritischen Aktionären in Beschlag genommenen Rednerpulte bleiben leer. Dem Pharmakonzern Roche gelang es vergangene Woche noch knapp, die Aktionäre davon abzuhalten, zur Generalversammlung zu erscheinen, nachdem der Bundesrat kurz davor das Versammlungsverbot ausgedehnt hatte.

«Wäre ich die UBS», sagte der General Counsel von Roche Gottlieb Keller im Gespräch mit finews.ch, «dann würde ich die Generalversammlung auf den Verwaltungsratspräsidenten, den CEO, zwei Stimmrechtsvertreter und einen Protokollführer beschränken. Jede zusätzliche Person, insbesondere anreisende Manager, sei schlicht überflüssig, so Keller.

Live-Stream ohne Wortmeldungen

Doch bislang halten die UBS und auch die CS an ihren Generalversammlungen vom 29. und vom 30. April fest. Bislang ist noch nicht klar, wie lange die Corona-Restriktionen in der Schweiz fortdauern werden. Beide Banken haben ihre Einladungen mit den Traktanden denn auch noch nicht verschickt.

Dem Vernehmen nach planen die beiden Grossbanken, die Anlässe über einen Live-Video-Stream abzuhalten. Ein aufwendiges Zugeständnis an die Aktionäre, auch wenn diese nicht die Gelegenheit haben würden, sich zu Wort zu melden. Nicht nur die CS, auch die UBS müsste andernfalls einem konfliktreichen Anlass entgegen sehen. Denn vergangenes Jahr hatten die Aktionäre der UBS-Führung die Décharge wegen des Steuerstreit-Urteils in Frankreich verweigert.

Die Rolle des Blitzableiters

Bei der CS wird Rohner genügend Stimmen für die Wiederwahl als Präsident – sein letztes Jahr – erhalten, nachdem er im Februar einen Machtkampf mit Aktionären und im Verwaltungsrat für sich entscheiden konnte. Die seit seinem Antritt als CS-Präsident gewohnte Rolle als Blitzableiter wird Rohner in diesem Jahr wohl nicht spielen müssen. Aufgrund seiner intransparenten Rolle im Spionage-Skandal würde aber erneut viel Kritik auf ihn niederprasseln.

Aktionärsversammlungen können künftig ganz im virtuellen Raum stattfinden. Die von der SIX im Aufbau begriffene digitale Börse SDX will dereinst die Stimmabgabe über Smart Contracts ermöglichen.

Keine kritischen Punkte auslassen

Roche-Counsel Keller sagte weiter, die Banken sollten sich trotz der Umstände in diesem Jahr nicht scheuen, kritische Traktanden aufzunehmen und Aktionäre darüber abstimmen zu lassen.

«Seien wir ehrlich: Es gab in den vergangenen Jahren zahlreiche Diskussionen über Vergütungen und Boni – aber bewirkt haben sie nicht viel», so Keller. «Ich würde einer Grossbank wie der UBS raten, die kritischen Stimmen ernst zu nehmen. Sie sollte ihre Aktionäre auffordern, allfällige Fragen einzuschicken und ankündigen, dass im nächsten Jahr sicher eine reguläre Generalversammlung stattfinden wird.»

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