Nächste Woche nimmt Ralph Hamers seine Arbeit als CEO der UBS auf. Die Ankunft des Digitalisierungsprofis löst intern enorme Nervosität aus. Der Holländer wird aber auf Gleichgesinnte treffen – wie Martha Boeckenfeld.

Bei der Erzrivalin der UBS, der Credit Suisse, hat man Ehrfurcht vor Martha Boeckenfeld. Dort sagte Präsident Urs Rohner einst von ihr, er kenne nur wenige, die so belastbar seien wie sie. Von Anerkennung zeugt auch der Spitzname, den die 55-jährige Managerin in der Branche weghat: Money Martha.

So nennt man im Finanzwesen eine, die weiss, was sie tut. Seit letztem Jahr lenkt die Deutsche den neu geschaffenen Geschäftsbereich Digital Platforms & Marketplaces der Grossbank UBS. Jenes Geschäft, in dem Internet-Giganten wie Google und Amazon das Vorbild sind. Ihre Mission: den Schweizer Bankern beibringen, wie das Plattform-Business funktioniert, das gerade die Wirtschaft weltweit auf den Kopf stellt.

Baustellen zuhauf

Damit gleicht Boeckenfelds Aufgabe jener, die Ralph Hamers am 1. September bei der UBS im Grossen anpackt. Vom neuen CEO wird erwartet, dass er die Digitalisierung der grössten Schweizer Bank beschleunigt. Der Wandel wird Opfer fordern, gerade in den Bankbereichen, wo die grössten «Baustellen» auf Hamers warten. So manche erwarten die Ankunft des zupackenden Niederländer wohl mit Nervosität; Boeckenfeld dürfte hingegen zu jenen zählen, welche sich auf die Zusammenarbeit mit einem Gleichgesinnten freuen.

Wobei sie Hamers gegenüber den Vorsprung hat, die Schweizer Finanzszene viel besser zu kennen. Aufgewachsen nahe von Münster im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, zog sie früh in Ausland – und in die Schweiz.

900 Millionen gespart

Nach der Schule zog es sie zum anschliessenden Studium der Rechtswissenschaften bereits nach Lausanne, mit dem Doktortitel in der Tasche siedelte sie 1997 nach Hongkong über, wo sie die Stelle als Rechtsberaterin für die Region Asien-Pazifik der damaligen Winterthur-Versicherung antrat. Die war damals relativ frisch Teil der Credit-Suisse-Gruppe geworden.

Dort arbeitete sie sich bis zur Finanzchefin für die Region Asien hoch und wurde 2002 wieder in die Schweiz beordert, um die Problemfälle der Versicherung zu übernehmen. In dieser Funktion machte sie sich weit über die Winterthur hinaus einen Namen: Die damals 40-Jährige sparte als Chefin der Abteilung Nichtleben-Rückversicherung mit ihrem Team bei der Winterthur rund 900 Millionen Dollar ein.

Unterstützung von Urs Rohner

Es ging um Nachzahlungen aus dem 2001 erfolgten Verkauf des internationalen Grosskundengeschäfts von Winterthur International an XL Capital, zu einem provisorischen Preis von rund 1 Milliarde Franken. Damals wurde vereinbart, dass die Netto-Schadensrückstellungen drei Jahre später festgelegt werden, als absehbar wurde, wie viel Rückstellungen überhaupt gebildet werden mussten.

Am Ende lief es darauf hinaus, das XL Capital in einem Verfahren eine Nachzahlung von 1,45 Milliarden Dollar forderte. Dank Boeckenfeld und ihrem Team – und in Zusammenarbeit mit dem damaligen CS-Chefjuristen Urs Rohner – musste die Tochter Winterthur schlussendlich «nur» 550 Millionen Dollar bezahlen.

Corporate Lawyer und Finanzspezialistin

Schon damals rühmte Boeckenfelds Umfeld ihr Können als Firmenanwältin und Finanzspezialistin. Zudem sei sie gewohnt im Umgang mit verschiedensten Nationalitäten und Mentalitäten, habe ein unheimliches Talent, ein Team zu motivieren, und verliere nie den Überblick.

Das anerkannte auch der Verwaltungsrat der Winterthur und beförderte Boeckenfeld 2006 als Leiterin Group Reinsurance Non-Life and Closed Portfolio Management in die Konzernleitung.

Disziplin wird erwartet

2007 folgte sie dem vormaligen Winterthur-CEO Leonhard «Lenny» Fischer zur Beteiligungsfirma RHJI, der späteren Bankengruppe BHF Kleinwort Benson, wo sie neun Jahre lang als Finanzchefin amtete.

Ab 2014 tat sie dies in einer Doppelfunktion, wurde Chefin von Kleinwort Benson. Fischer sagte in dieser Zeit, Boeckenfeld sei sehr diszipliniert, diese Disziplin erwarte sie aber auch von anderen. 

2016 legte sie ihre operative Bank-Karriere auf Eis und begann, sich stärker um strategische Posten zu bemühen. Es folgten Verwaltungsratsmandate beim Versicherer Generali und bei der italienischen Grossbank Unicredit.

Hungrig und zielstrebig

Dann 2019, die Rückkehr: Boeckenfeld kam zur Grossbank UBS. Am 26. September 2019 ernannte die Bank sie zur Leiterin des neugeschaffenen Geschäftsbereichs Digital Platforms & Marketplaces, gleichzeitig trat sie der Geschäftsleitung der UBS Schweiz bei. Dort heisst es von ihr, sie sei zielstrebig und eine Person, die nicht viel von starren Strukturen hält und ein erstaunliches Tempo an den Tag legt.

Zuletzt war sie massgeblich am Aufbau der Hypothekenvermittlungs-Plattform «Key4» der UBS beteiligt, ihr Gesellenstück als oberste Plattform-Bankerin in der Schweiz. Dabei setzte sie auch eine Kleinigkeit durch, die im offenen Online-Business viel zählt, aber bei der UBS bis vor kurzem undenkbar gewesen ist: Key4 ist das erste Projekt der Grossbank, bei der die Marke UBS nur noch in Minuskeln angefügt wird.

Eine Medienanfrage von finews.ch, um mit Frau Boeckenfeld über ihre neue Herausforderung zu sprechen, lehnte die Grossbank ab.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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