Will die Credit Suisse glaubhaft eine Veränderung bewirken, um nicht alle paar Jahre von den Aktionärinnen und Aktionären wieder frisches Kapital einzufordern, wird sie nicht umhinkommen, temporär harte Konsequenzen zu ertragen – vor allem in ihrem Investmentbanking.

Die jüngsten Ereignisse rund um die Milliardenverluste mit dem US-Hedgefonds Archegos sowie mit den Lieferkettenfonds von Greensill haben eine Reorganisation der Credit Suisse (CS) unumgänglich gemacht. Zu gross ist offensichtlich das Risiko, dass sich die Schweizer Grossbank nochmals in eine so desolate Situation bringt – zumal das übrige Geschäft sehr gut läuft.

Verursacher der jüngsten CS-Krise ist im Wesentlichen das Investmentbanking in New York, das innerhalb des Konzerns schon immer ein Eigenleben fristete. In seinen Ursprüngen geht das Investmentbanking auf den Anspruch der CS zurück, in dieser US-geprägten Domäne neben Grössen wie Goldman Sachs, Morgan Stanley oder J.P. Morgan eine führende Rolle zu spielen. Damit konnte sich die CS stets von ihrer Hauptrivalin UBS differenzieren.

Grösser als die UBS

Vor diesem Hintergrund formte die CS in den 1970er-Jahren ein Joint-Venture mit der traditionsreichen US-Investmentbank First Boston. Das verschaffte dem Schweizer Unternehmen eine bis dahin nie dagewesene Präsenz an der Wall Street. Sukzessive übernahm die CS weitere Anteile an der First Boston und integrierte dann 1996 die Bank als Credit Suisse First Boston (CSFB) in den Konzern. Mit dem Investmentbanking erzielte die CS bisweilen sehr hohe Erträge, so dass der Konzern gemessen an seiner Börsenkapitalisierung zur Jahrtausendwende sogar kurze Zeit einmal grösser war als die UBS.

Allerdings musste das solide Vermögensverwaltungsgeschäft der CS auch regelmässig die hohen Verluste absorbieren, welche die amerikanischen Investmentbanker einfuhren, was ständig zu Animositäten zwischen den CS-Lagern in der Schweiz und in den USA führte. Denn die Kultur der CS-Investmentbanker in New York zielte stets darauf ab, mit riskanten Einsätzen kurzfristig die höchsten Gewinne zu generieren; ein Gebaren, das in totalem Kontrast steht zur langfristig ausgelegten Vermögensverwaltung.

Neue Ära eingeläutet

Die Fälle Archegos und Greensill sind die jüngsten Beispiele dafür, was diese Kultur anrichten kann – mit der Konsequenz, dass sich die CS nun gezwungen sieht, ihr traditionsreiches Investmentbanking radikal zu stutzen. Wie der vor wenigen Monaten eingewechselte Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório bereits angekündigt hat, will er bis gegen Ende 2021 einen Plan präsentieren, um die CS neu zu organisieren. Vieles deutet darauf hin, dass dieser Umbau tiefgreifend sein wird und so auch die DNA der einstigen First Boston definitiv aus der Unternehmenskultur verschwinden dürfte.

Damit läutet die CS eine neue Ära ein und nimmt in Kauf, zum Teil wichtige Ertragsströme zu verlieren. Dabei geht es nicht bloss um einzelne Geschäftsbereiche wie das Prime-Brokerage, wo die hohen Verluste der vergangenen Monate anfielen, sondern um einen kulturellen wie strategischen Paradigmenwechsel.

Der letzte Schrei an der Wall Street

Denn wie finews.ch unlängst feststellte, zählten zahlreihe CSFB-Investmentbanker auf ihrem Gebiet als absolute Spezialisten, wie zuletzt Niron Stabinsky; er verhalf seiner Arbeitgeberin die wichtigste Bank an der Wall Street für die Bildung von sogenannten SPACs, zu werden. Das Kürzel SPAC steht für Special Purpose Acquisition Company. Dabei handelt es sich um eine Mantelgesellschaft, die zunächst Kapital über einen Börsengang einsammelt, um dieses dann in einem zweiten Schritt in die Übernahme eines Unternehmens zu investieren – der letzte Schrei an der Wall Street.

Angeführt von Stabinsky hat die Credit Suisse laut «Wall Street Journal» im vergangenen Jahr bei sieben der zehn grössten SPAC-Transaktionen die Fäden gezogen. Der Banker, der seine Karriere bei der einstigen Credit Suisse First Boston (CSFB) begann, den Grossteil aber bei der Deutschen Bank absolvierte, ist seit 2015 wieder bei der Schweizer Bank. Dank ihm gilt sie nun als Königsmacherin im SPAC-Business an der Wall Street.

Schluss mit Fremdbestimmung

Gerade weil die Veränderungen innerhalb des CS-Konzern radikal sein werden, kehren bereits jetzt namhafte Investmentbanker dem Unternehmen den Rücken, wie auch finews.ch berichtete. Der vergangene Woche vom CS-Top-Management angekündigte rigidere Umfang mit Boni dürfte weitere Wall-Street-Koryphäen veranlassen, eine neue Arbeitgeberin zu suchen.

Doch will die CS glaubhaft eine Veränderung bewirken, um nicht alle paar Jahre von den Aktionärinnen und Aktionären wieder frisches Kapital einzufordern, wird sie nicht umhinkommen, die temporär harten Konsequenzen zu ertragen. Denn nur so hat sie eine reelle Chance sich als global tätige Schweizer Bank nicht länger von den Launen an der Wall Street fremdbestimmen zu lassen.

 

 

 

 

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