Der neue Präsident António Horta-Osório druckst um die wohl grösste Herausforderungen für die Bank herum: die ausser Rand und Band geratene Unternehmenskultur bei der Credit Suisse, schreibt Katharina Bart, Senior Editor von finews.ch.

Es fällt schwer, aus António Horta-Osórios Antritts-Interview in der «NZZ» vom heutigen Donnerstag Substanzielles herauszulesen. Ausser vielleicht, dass der neue Präsident der Credit Suisse (CS) problemlos eine Karriere im diplomatischen Korps hätte einschlagen können.

Es gibt kein einziges unbedachtes Wort und nicht einen Stolperer in seiner ersten offiziellen Wortäusserung vor der Schweizer Öffentlichkeit. Wichtiger ist demnach, was der 57-jährige portugiesisch-britische Topbanker zwischen den Zeilen hat durchscheinen lassen: Horta-Osório setzt sich mit der Kultur der CS auseinander.

Schwung eingebüsst

In den besten Zeiten hat das 165-Jahre-alte Schweizer Geldhaus die Loyalität seiner Kunden – und die eigenen Einnahmen – mit unternehmerischer Risikobereitschaft verdient. In den schlechtesten Zeiten hat diese Kultur ein Chaos angerichtet, wie zuletzt im Doppel-Debakel um die geschlossenen Greensill-Fonds und die New Yorker Finanzfirma Archegos.

«Ich erwarte, dass alle als ein Team agieren und sich mit der Zeit eine neue Kultur herausbildet – eine Kultur des Miteinanders», forderte der Bankpräsident nun. Viel Glück dabei, «Sir» Tónio: Bei der CS, wo kulturelle Gräben tief verlaufen, hat Horta-Osório bereits Schwung eingebüsst, indem er es jetzt vermied, eine klarere Ansage zu machen.

Riesiges Casino

Schönes Beispiel für die kulturellen Hindernisse sind die während der Nullerjahre zum Konzern gestossenen US-Investmentbanker, die sich immer noch mit «First Boston» anreden, obwohl die Marke vor 15 Jahren von der Credit Suisse begraben wurde. Dies, nachdem Ex-CSFB-CEO John Mack eingestehen musste, dass die Bank ein «riesiges Casino» sei, das spekulative Wetten und Boni über langfristige Gewinne stelle.

Das Greensill-Debakel erinnert an diese Zeiten, allerdings ergänzt um die Komplexität der «One-Bank», bei der Vermögensverwaltung und Investmentbank Hand in Hand arbeiten. Dies, während jede Division gleichzeitig die eigenen Pfründen zu vergrössern sucht. Im Jahr 2017 macht der Ex-UBS-Banker David Solo das CS Asset Management mit Lex Greensill bekannt, einem australischen Bauernsohn, der sich mit Debitoren-Finanzierungen ein eigenes Imperium gezimmert hatte.

Eingestürztes Kartenhaus

Was folgte, war dem Schein nach eine Erfolgsgeschichte für alle Beteiligten. Das Asset Management sammelte mehr als 10 Milliarden Dollar für die CS-Greensill-Fonds ein, nicht zuletzt bei schwerreichen Privatkunden. Die Privatbank wiederum durfte Financier Greensill persönlich bedienen, während die Investmentbank den Börsengang von dessen Finanzfirma Greensill Capital mit vorbereitete.

Vergangenen März musste die CS jedoch die Greensill-Fonds schliessen, weil der Versicherungsschutz für die Investments fehlte. Das gesamte Kartenhaus brach zusammen, mit noch nicht definitiv bezifferbaren Kollateralschäden quer durch die ganze Bank.

Über Gebühr zuversichtlich

Horta-Osório kennt die Investmentbanker-Kultur aus zwei Jahren in der Corporate-Finance-Abteilung der US-Grossbank Goldman Sachs in London und New York während des Booms in den 1990er-Jahren. Warum also bleibt er so vage, wenn es darum geht, die kulturellen Probleme der CS anzugehen?

Zwei Gründe drängen sich auf: Erstens steht die Bank unter vollem Beschuss, und Horta-Osórios zuversichtlicher Grundton täuscht über den Ernst der aktuellen Situation für die Bank hinweg. Die CS hat ihr Risiko eingedämmt, während intern vom Verwaltungsrat und extern von der Finanzmarktaufsicht geprüft wird, wie «es» zu Greensill und dann zu Archegos kommen konnte.

Ein Ansammlung von Zirkussen

Investoren sollten genau darauf achten, ob und wie Horta-Osório und Richard Meddings, der als Risikoaufseher des Verwaltungsrat einspringt, diese Zügel lockern und wieder grössere Wetten zulassen. Dies vor allem im Handel, aber auch in Asien und bei den Lombard-Krediten im Private Banking.

Ein CS-Banker verglich die verschiedenen Sparten der Grossbank einmal mit einer Ansammlung von Zirkussen: Jeder sei auf seine Weise unterhaltsam und fesselnd, aber das Leitmotiv fehle. Horta-Osórios oberste Aufgabe wäre es demnach, den gemeinsamen Nenner zu finden und zu kultivieren. Dass jeder Banker «im Herzen ein Risikomanager» sein müsse, wie er es im Inteview forderte, wäre da ein Anfang.

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