Früher beschlossen die USA Sanktionen häufig im Alleingang. Nun gelten erstmals Vorschriften, welche auch die EU und sogar die Schweiz mittragen. Für die Banken beginnt damit eine neue Ära – mit drohenden Fehltritten, wie finews.ch feststellt.

Die Zahl der potenziellen Verstösse gegen die US- und EU-Sanktionen in der Finanzbranche dürften sprunghaft zunehmen, sobald die Banken die neuen Vorgaben in ihre IT-System eingespeist haben werden. Besonders heikle Fälle dürften zu einem langwierigen Hin und Her zwischen den Bankern und den jeweiligen Sanktions-Teams führen. Wobei es dann vor allem um die Frage gehen wird, ob eine teilweise oder vollständige Kontosperrung verhängt werden soll.

Dabei müssen die Spezialisten feststellen, ob es sich bei einer Meldung um eine direkte oder indirekte Bankbeziehung handelt – also wer genau der wirtschaftlich Berechtigte hinter einem Konto ist. Dies dürfte in manchen Fällen ein monatelanges, internes Gerangel nach sich ziehen, bevor eine Bank einen Verstoss wirklich meldet.

Beispiellose Sanktionen

In manchen Fällen könnte sogar Jahre dauern, bis eine Entscheidung über die Beendigung einer Geschäftsbeziehung getroffen wird. Und wenn die Swift-Sperre bestehen bleibt, haben die Banken möglicherweise nicht einmal die Möglichkeit, die Vermögenswerte aus beendeten Kundenbeziehungen zurückzugeben, die nicht direkt unter staatlich verhängten Einfrierungsanordnungen stehen.

Eigentlich waren die EU-Sanktionen gegen Russland bereits vor der Ankündigung der Swift-Sperre schon beispiellos. Angesichts der Ereignisse in der Ukraine sind sie indessen mehr als gerechtfertigt. Tatsache ist aber auch, dass sie letztlich jedem international tätigen Banker enormes Kopfzerbrechen bereiten. Insbesondere auch den Schweizer Banken, seit der Bund beschlossen hat, die EU-Sanktionen zu übernehmen – und erst noch vollständig.

Auf den Mann spielen

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die EU ihre Sanktionen ausdrücklich transparent gemacht hat. Jeder Name wird auf ihren Listen vollständig aufgeführt, ebenso wie das Geburtsdatum sowie andere identifizierende Informationen wie Nationalität und Tätigkeit. Zudem enthalten die Unterlagen auch die eigentlichen Gründe für die Aufnahme auf die Listen.

Diese EU-Praxis ist nicht nur eine Blaupause für die USA, sondern auch ein erheblicher Fortschritt gegenüber den regelmässigen E-Mails des Office of Foreign Asset Control (OFAC) des amerikanischen Finanzministeriums.

Viele entfernte Verwandte

Die erste Welle der EU-Sanktionen betraf 680 Personen sowie 53 Einrichtungen und umfasste vollständige Reiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten und die Sperrung von Geldern. Selbst wenn dies auf den ersten Blick nicht nach viel klingt und der Geltungsbereich inzwischen erweitert wurde, darf man nicht vergessen, dass die betroffenen Personen viele entfernte und nahe Verwandte haben, von denen manche nicht denselben Familiennamen tragen wie die sanktionierte Person.

Und einige von ihnen haben – weil sie wussten, was irgendwann einmal passieren könnte – möglicherweise Geld bei Freunden oder Bekannten gebunkert.

Verwirrende Namen

Sanktionierte Unternehmen wiederum betreiben wahrscheinlich zahlreiche Tochtergesellschaften, Einheiten und verbundene Unternehmen im Besitz von Minderheiten, die alle weit unter den vorgeschriebenen Schwellenwerten liegen; ganz zu schweigen von verwirrenden Namen und unmöglich zu entschlüsselnden Eigentumsverhältnissen. Und einige dieser Firmen sind vermutlich bereits an Personen übertragen worden, die keine greifbaren Verbindungen zu den sanktionierten Gesellschaften haben.

Insofern befinden sich die Banken nun in einer neuen Phase, zumal es sich hier nicht mehr um spezifisch einseitige Sanktionen einer grossen Wirtschaftsmacht wie die USA geht, sondern um komplexe Beschlüsse geht, die von einer Staatengemeinschaft getragen werden. Angesichts dessen deutet vieles darauf hin, dass deren Umsetzung unvorhersehbare und unbeabsichtigte Folgen zeitigen dürfte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Banken dabei einige Fehltritte begehen werden, ist enorm.

Banken im Dilemma

Die Banken befinden sich in einem Dilemma. Denn einerseits wird es in vielen Fällen lange dauern, bis sie einer möglicherweise sanktionierten Kundenbeziehung auf den Grund gegen können, und andererseits dürfte gerade die Öffentlichkeit wenig Geduld für angebliche Verstösse aufbringen, die nicht umgehend geahndet werden.

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