Bisweilen sind es durchaus profane Erkenntnisse, die im digitalen Zeitalter weiterhelfen können, zumal die meisten Schweizer Banken «verknorzte Kolosse» sind, wie der frühere Google-Maps-Erfinder Samuel Widmann findet. 

Können die Banken vom US-Technologie-Giganten Google etwas lernen? Dieser Frage ging vergangene Woche ein Seminar der Fachschule für Bankwirtschaft (FSB) in Zürich nach. Anschauungsunterricht aus erster Hand lieferte dabei Samuel Widmann (Bild unten), seines Zeichens «Mit-Erfinder» von Google Maps, dem globalen Online-Kartendienst des gleichnamigen Konzerns.

Der gebürtige Zürcher und ETH-Abgänger Widmann brachte 2006 seine eigene Firma Endoxon in Google ein und arbeitete in der Folge noch mehr als zehn Jahre für das Unternehmen; in dieser Zeit entwickelte er Google Maps sukzessive weiter und trug damit massgeblich dazu bei, dass der Standort Zürich für den US-Konzern so wichtig wurde. Inzwischen hat er Google verlassen und betätigt sich als Angel-Investor, Berater von Startups sowie als aktiver Verwaltungsrat.

Nordstern fehlt

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(Samuel Widmann, Mitgründer von Google Maps, Bild zvg)

Er habe, sagte er, mindestens acht Banken-Apps auf seinem Handy. Doch keine überzeuge ihn wirklich. Das wiederum führt er darauf zurück, dass viele Banken «verknorzte Kolosse» seien, denen der «Nordstern fehle». Gemeint ist damit der Polarstern und gleichzeitig der hellste Stern im Sternenbild des «Kleinen Bären». In der Vergangenheit hätten sich viele Kapitäne auf Hoher See nach dem Nordstern orientiert, um ihre Richtung zu finden, so Widmann.

Und gerade dies gehe vielen Verwaltungsräten in den Banken ab, betonte er, «viele Verwaltungsräte wissen gar nicht wohin sie sollen, es fehlt ihnen der richtige Mindset, zumal Banken heute recht eigentlich IT-Firmen sind», sagte der frühere Google-Kadermann.

Kostspielige Wette

Tatsächlich ist das Bestreben unter Finanzinstituten sehr gross, neue digitale Massstäbe zu setzen, insbesondere auch, um die jüngere Klientel der «Next Gen» oder «Generation Z» zu erreichen. Doch über einfache Dienstleistungen wie Payment-Services oder einfache Kontoabfragen reicht das Angebot oftmals nicht hinaus.

Mit dem Abbruch der geplanten Übernahme des digitalen US-Vermögensverwalters Wealthfront durch die UBS zeigte sich gerade dieser Tage auch wieder, wie komplex der Auf- und Ausbau eines umfassenden digitalen Angebots ist, wie auch finews.ch berichtete.

Der Wind hat gedreht

Gerade die jüngere Klientel, die auf dem Radar der Banken steht, verfügt noch gar nicht über die erforderlichen Mittel, um als digitale Kunden genügend attraktiv zu sein. Entsprechend ist jedes Engagement einer etablierten Bank in die digitale Welt heute erst einmal eine kostspielige Wette darauf, dass sich über die Zeit genügend Kundinnen und Kunden gewinnen lassen, die auch entsprechende Vermögen besitzen.

In Zeiten von Nullzinsen liessen sich solche Ambitionen leicht finanzieren. Doch inzwischen hat der Wind gedreht, und die Investitionen rechnen sich möglicherwiese kaum mehr, wie das Beispiel UBS/Wealthfront illustriert. Am FSB-Seminar zeigte sich überdies, dass die Nachfrage nach digitalen Tools oder gar nach einer Super-App der Banken gar nicht zwingend gegeben ist.

Impressionen vom FSB-Seminar

Viele Kundinnen und Kunden wollen sich nicht vollständig einer einzigen Bank anvertrauen. Ausserdem stellt der Datenschutz besonders in der Schweiz oder in Deutschland eine hohe Hürde dar, um möglichst umfassende Apps anzubieten. Schliesslich sind nach wie vor viele Schweizerinnen und Schweizer gar nicht gewillt, ihre Daten einem Finanzinstitut in Ausland anzuvertrauen.

Vielleicht wird sich dies ändern, sobald eine neue Kundengeneration aufrückt, die unbefangener bereit ist, eigene Daten weiterzugeben. Doch davon sind wir noch ein ganzes Stück weit entfernt.

Zahnbürsten-Test von Larry Page

Von Google können die Schweizer Banken sicherlich lernen, was Google-Mitgründer Larry Page einst als den «Zahnbürsten-Test» bezeichnet hat: Eine Entwicklung solle so beschaffen sein, dass sie jede Nutzerin und jeder Nutzer möglichst mehrmals am Tag gebrauche, wie Widmann erklärte.

Und es braucht Verwaltungsräte, die mit dem nötigen Know-how durchaus bereit sind, digitale Entwicklungen entschlossen zu fördern – allerdings immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der hiesige Markt in seinen Dimensionen beschränkt ist. «Dazu braucht es umso mehr eine Vision, genauso wie Google eine hatte, um sich zu differenzieren», betonte Widmann. Tatsächlich ist der Wettlauf unter den Suchmaschinen exemplarisch.

First Movers überrundet

Ein Blick zurück zeigt, dass bereits 1995 zwei Unternehmen, Altavista und Yahoo, in den Markt einstiegen und die Messlatte setzten. Gleichwohl gelang es Google nach 1999, zur heute unagefochtenen Nummer eins zu avancieren und die beiden Konkurrenten in den Schatten zu stellen. Altavista existiert nicht mehr, Yahoo fristet mittlerweile ein Nischendasein. 

Insofern sind bezogen auf das Banking die Karten noch längst nicht verteilt. Mit einem klaren Blick zum Nordstern, dem Zahnbürsten-Test von Larry Page und der Bereitschaft sich auch in den Verwaltungsräten gezielter und kompetenter mit digitalen Innovationen auseinanderzusetzen, lässt sich von Google durchaus etwas lernen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
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  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.46%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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