Privatmarkt-Anlagen sind der letzte Schrei in der Investorenwelt, besonders seit die Börsenbewertungen im laufenden Jahr regelrecht eingebrochen sind. Allerdings findet nun auch da eine Verlangsamung des Geschäft statt, wie Pierre Stadler im Gespräch mit finews.ch feststellt. Die Anleger richten sich neu aus. «Wir sind in eine Phase der Bereinigung eingetreten», erklärt der Fachmann von der Genfer Privatbank Pictet.  

Als Student hatte Pierre Stadler keinen konkreten Berufswunsch. Er wusste lediglich, dass er auf keinen Fall bei einer Bank arbeiten wollte. Geldhäuser kamen ihm intransparent vor; er stellte sich darin Menschen vor, die Tag für Tag vor ihren Bildschirmen sitzen und lediglich das ständige Auf-und-ab von Börsenkursen studieren. Das schien ihm langweilig und wenig greifbar zu sein.

Trotzdem arbeitet Stadler heute bei einer Bank, genauer gesagt bei der Genfer Privatbank Pictet, und das bereits seit 2007. Begonnen hat alles mit einem Praktikum unmittelbar nach dem Abschluss seines Master-Studiums an der Universität St. Gallen.

Der letzte Schrei

So begann er sich auch mit dem Thema Private Equity zu befassen, also mit Investitionsmöglichkeiten in nicht-kotierte, privat gehaltene Unternehmen, die in ihrer Entwicklung eine andere Dynamik aufweisen, als Firmen, die an der Börse sind, wie er im Gespräch mit finews.ch erklärt.

Private Equity oder auch der breiter gefasste Begriff Privatmarkt-Anlagen sind der letzte Schrei in der Investorenwelt. Dazu gehören, wie erwähnt, Investitionen in Firmen, die nicht kotiert sind, aber auch Engagements in Immobilien, oder Finanzierungen von einzelnen Unternehmensprojekten. Die Nachfrage nach solchen Investments ist in den vergangenen fünf Jahren enorm gestiegen. Entsprechend hat sich auch die Zahl der darauf spezialisierten Fondsmanagers binnen zehn Jahren auf rund 8’000 verdoppelt.

Schwindelerregende Höhen

Die Gründe für die hohe Nachfrage sind naheliegend: Zum einen stiegen die Börsenbewertungen – insbesondere im Technologiesektor – während der Tief- und Negativzinsperiode in schwindelerregende Höhen, zum andern, können nicht-kotierte Unternehmen wesentlich flexibler und langfristiger agieren als Firmen, die dem Druck der Quartalsberichterstattung an der Börse ausgesetzt sind.

Insofern erstaunt es auch nicht, dass immer mehr (Jung-)Unternehmen gar nicht mehr eine Börsenkotierung anstreben, sondern sich über Private-Equity-Investoren finanzieren.

Pioniergeist bei Pictet

Pictet begann schon früh, sich mit Privatmarktanlagen zu befassen, wie Stadler feststellt. Bereits 1989 tätigte die Bank als Pionierin ihre ersten Private-Equity-Anlagen. Ab 2003 bot das Geldhaus eigene Mandate an, und 2008 legte es den ersten Fund-of-Funds für Privatkunden auf, bei dessen Lancierung Stadler massgeblich beteiligt war.

Inzwischen arbeitet die Bank weltweit mit rund 70 externen Private-Equity-Managern zusammen, teils über Fonds, aber auch im Rahmen von Direktbeteiligungen an vielversprechenden Unternehmen. Damit verwaltet Pictet Kundengelder von rund 24 Milliarden, was ungefähr ein Zehntel aller Privatkunden-Depots des Hauses darstellt.

Noch einen Schritt weiter

Lange Zeit galten Privatmarkt-Anlagen als Privileg sehr vermögender Investoren, weil solche Anlagen in der Regel hohe Mindestbeiträge voraussetzen und die Haltedauer dieser Engagements oftmals bis zu zehn Jahre beträgt; die an der Börse gebotene Liquidität ist so nicht gegeben. Das hat sich in der Branche nun aber geändert, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass eine wachsende Nachfrage nach Private Equity selbst unter Kleinkunden entstanden ist. Deswegen versuchen viele Finanzinstitute und Fintech-Plattformen wie iCapital oder Moonfare, diese Anlageklasse zu «demokratisieren», wie es im Jargon gerne heisst.

Will heissen, mit der Bündelung und Strukturierung solcher Investments entstehen Fonds, in welche die Bankkunden auch mit kleineren Beträgen einsteigen können, wie Stadler erklärt. Pictet ging 2020 noch einen Schritt weiter und lancierte Private-Equity-Fonds, die sich thematisch fokussieren, also nur in Technologie- oder in Gesundheits- oder Umwelt-Firmen investieren. Für diese Sparte, die insgesamt zehn Fachleute in drei dedizierten Teams beschäftigt, ist Stadler in seiner heutigen Funktion als «Head of Thematic Private Equity» verantwortlich. In diesem Geschäftsfeld beträgt die Mindesteinlage 200'000 Franken.

Investoren müssen sich neu ausrichten

Im Idealfall winken bei Privatmarktanlagen Renditen, die das Zwei- oder gar das Dreifache des investierten Kapitals ausmachen, wie Stadler erklärt, allerdings kann er auch nicht verhehlen, dass die globale Börsenbaisse seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der unvermutet starken Inflation die Investments gehörig unter Druck gebracht haben. Viele Anlegerinnen und Anleger verharren an der Seitenlinie; die Bewertung vieler Unternehmen, namentlich im Technologiesektor, hat sich massiv reduziert. Als Folge davon sind die Deal-Aktivitäten – auch im Wagniskapitalbereich (Venture Capital) – insgesamt seit Anfang 2022 regelrecht eingeschlafen.

«Wir werden sicherlich eine Verlangsamung im Geschäft erleben, institutionelle Investoren müssen sich neu ausrichten, und manche werden vorsichtiger in diese, grundsätzlich halt doch wenig liquide Anlageklasse einsteigen», stellt Stadler fest. Kraft seines Jobs muss der Pictet-Investmentspezialist aber trotz aller Turbulenzen Optimist bleiben. Darum deutet er die aktuelle Phase als eine Bereinigung im Private-Equity-Sektor, in der sich gute von schlechten Investments trennen.

Neue Themen gewinnen an Bedeutung

Zudem würden nun auch neue Anlagethemen an Bedeutung gewinnen, wie erneuerbare Energien, ESG-Kriterien oder die Eindämmung des Klimawandels respektive der Fokus auf sogenanntes Naturalkapital, sagt Stadler. «Unser Umweltansatz konzentriert sich nicht bloss auf ESG oder den Klimawandel, sondern er umfasst jede Branche, die einen positiven Beitrag zu Umweltfragen leisten kann, insbesondere mit der Berücksichtigung des natürlichen Kapitals», erklärt er weiter. Mit Letzterem meint er Firmen, die zur verantwortungsvollen Nutzung von Luft, Wasser, Boden und anderen natürlichen Ressourcen beitragen.

Insofern wird Stadlers Job bei der Bank auch in Zukunft nicht darin bestehen, an einem Computerbildschirm das Auf-und-Ab der Börsenkurse zu beobachten, sondern Unternehmen und Fondsmanager ausfindig zu machen, die mit ihren Dienstleistungen und Investitionen den Unterschied machen in der Welt von morgen.

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