Seit heute ist die Credit Suisse Geschichte. Der Schweizer Finanzprofessor Bernhard Koye liefert exklusiv für finews.ch eine erste Einschätzung zum Shareholder-Value-Kapitalismus auf dem Weg zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen.

Die Credit Suisse (CS) hat sich mit jahrelangem Missmanagement und Risikogeschäften selbst ins Abseits manövriert. Die Bank hat aus Renditeappetit in grösserem Ausmass neben den soliden und volkswirtschaftlich wichtigen Kerngeschäften auch in grösserem Ausmass risikoreichere Geschäfte getätigt. Eine nachhaltigere Unternehmens- und Risikosteuerung hätte diese Art von Risikogeschäften anders bewertet.

Wenn eine Unternehmenskultur stark auf extrinsische Anreize wie hohe Boni setzt, steigt der Risikoappetit und die Risikobereitschaft. Die Risiken dieser Geschäfte wurden zu unkritisch bewertet. Die Bank hat seit 2013 kumuliert 3,2 Milliarden Franken Verlust gemacht, aber das Management hat im selben Zeitraum 32 Milliarden Franken an Boni erhalten.

Signale nicht ernst genug genommen

Die tiefen Börsenbewertungen waren klare Zeichen dafür, dass der Markt das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der CS graduell verloren hat. Diese Marktsignale und Alarmzeichen wurden von der CS zu lange nicht ernst genug genommen. Sie hat dabei bis vor einigen Monaten weder Transformationsfähigkeit in Richtung eines nachhaltigen Bankgeschäfts gezeigt noch den Abgang der Kundschaft, die ihre Konten auflösten und ihre Vermögenswerte in immer grösserem Ausmass zu anderen Banken transferierten, wirklich ernst genommen.

Das Vertrauen in die Unternehmensführung und die Bank als Ganzes wurde stetig weiter geschwächt – die Nomination des aktuellen Verwaltungsratspräsidenten Axel Lehmann und des aktuellen CEO Ulrich Körner, welche die nachhaltige Unternehmensausrichtung sofort und konsequent voranzutreiben begannen, kam im Nachhinein betrachtet zu spät. Der Kundenexodus war bereits weit fortgeschritten – und der Vertrauensverlust war nicht mehr ausreichend schnell zu korrigieren.

Drohender Flächenbrand

Rund 110 Milliarden Franken und damit etwa 8 Prozent der verwalteten Vermögen zogen die Kunden alleine im vierten Quartal 2022 von der Bank ab. Schliesslich hat die Nervosität der Anlegerinnen und Anleger, nach der Ankündigung der Saudi National Bank (SNB) von dieser Woche, die CS nicht mehr zu unterstützen, den Aktienkurs definitiv zum Einsturz gebracht.

Am (morgigen) Montag wäre ein eigentlicher Bank-Run zu befürchten gewesen – also der Versuch aller Kunden, die Vermögenswerte sofort abzuheben. Das hätte das definitive Ende einer Bank bedeutet, mit der Gefahr, dass ein Flächenbrand entstehen könnte für das gesamte Bankensystem. Daher ist der heutige Entscheid, vor Börsenbeginn einen geordneten Übergang anzugehen, trotz weitreichender Schwächen zu begrüssen.

Was sind die konkreten Schritte?

Die US-Bankenkrise hat die Krise der CS auch verschärft. Die Abflüsse der Depositen wurden beschleunigt. Zunächst wurde die Liquidität der Bank vergangene Woche in zwei Tranchen gestärkt, aber es war zu spät, das Vertrauen konnte nicht mehr hergestellt werden. Dies wurde im Verlauf des Wochenendes klar.

Ein Konkurs hätte für die Schweiz als Finanzplatz, für die Schweizer Volkswirtschaft und für die globalen Finanzmärkte verheerende Flurschäden mit sich gebracht. Die Einführung eines STAF-Fonds war aus Gründen des 2008 eingeführten Gesetzes verunmöglicht, denn «Too big to fail» sollte nie mehr einen direkten Staatseingriff wie nach der UBS-Krise nötig machen – daher das entsprechende Gesetz.

Doch 15 Jahre später war die Situation trotz allem wieder gegeben. Die grosse Tragweite für die Stabilität des Finanzplatzes, für die Privat- und Unternehmenskunden und für ein liquides Finanzsystem und auch als internationaler Finanzplatz haben nun einen Schritt mit einer noch grösseren Dimension nötig gemacht.

Historische Lösung dank Notrecht

In der Forschung spricht man oft vom «Tipping Point»; wenn eine genügend grosse Schwelle erreicht wird, dann gehen Entwicklungen positiv wie negativ durch die Decke. Aus dieser Sicht ist es wichtig, die Entwicklungen aus globaler Sicht nun zu beruhigen.

Dazu hat die Schweiz mit einer beeindruckenden Schnelligkeit beigetragen. Der Stresstest für schnelles Lernen ist von den Partnern bei der Entwicklung dieser Lösung (Bundesrat, SNB, Finma und die beiden Banken) angenommen und bestanden worden – auch, um weitaus Schlimmeres zu verhindern. Die getroffene Lösung ist historisch – sie wird mit Notrecht ermöglicht.

Die wahre Chance der Krise

Nun gilt es zum einen, die Gesetzmässigkeiten der heutigen, schnelllebigen globalen Vernetzung zu verinnerlichen. Zudem ist die Diskussion um eine zukunftsorientierte Regulierung von systemrelevanten Finanzinstituten ebenso eröffnet wie die Debatte um die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen– und sie müsste auch auf globaler Ebene geführt werden. Dies ist heute am konkreten Fall gut gelungen.

Hier liegt die wahre Chance in der Krise – vernetztes Denken und Handeln über Landesgrenzen und Silos hinweg hat funktioniert. Aber dennoch ist dies nur das Medikament gegen Kopfweh am Montag nach der Party am Wochenende – dies hilft kurzfristig zur Symptomberuhigung.

Die längerfristigen Folgen und vernetzten Realitäten in Bezug auf die Verwerfungen an den Finanzmärkten sind nun aber dringend zu adressieren.

Kopfwehtabletten nach der Party

Seit Abschaffung des Bretton-Woods-Systems ist die USA in der Lage, Geld nach Bedarf zu schaffen. Dieses Vorgehen ist nun in den vergangenen zehn Jahren auch durch die Europäische Zentralbank (EZB) übernommen worden – viele Kopfwehtabletten verändern aber das grundsätzliche Syndrom und Verhalten nicht – und hier gilt es anzusetzen.

Die Party ist vorüber, die Diskussion um einen nachhaltigeren Kapitalismus und die Rolle der Notenbanken und der systemrelevanten Banken ist nun umso zwingender zu führen.

Wie einst Gorbatschow

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, so kommentierte Michail Gorbatschow das Ende der DDR vor 35 Jahren. Hoffen wir, dass wir dies in zehn Jahren nicht in Bezug auf die Frage nach nachhaltigen Formen der wirtschaftlichen Weiterentwicklung unseres Finanzplatzes sagen müssen.


Bernhard Koye 2222

Bernhard Koye ist Co-Gründer und Leiter des Swiss NextGen Finance Institut (SNFI). Dabei handelt es sich um einen kürzlich gegründeten Think Tank der Finanzbranche, der sich auf die Zukunftsfähigkeit der Finanzbranche in der Forschung, Lehre und Entwickling spezialisiert hat und mit Universitäten in der Schweiz, Deutschland sowie Österreich zusammenarbeitet und auch Aus- und Weiterbildungskurse anbietet. Nach Stationen als Bereichsleiter Executive Education am Swiss Finance Institute (SFI) von 1998 bis 2004, als Abteilungsleiter Leadership & Executive Training im UBS Wealth Management und als Managing Director des Zürich Wealth Forum leitete Koye zuletzt das Hochschulinstitut Kaleidos. Er doktorierte an der Universität Zürich zur Bedeutung des digitalen Zeitalters für die Finanzbranche und war als Forscher und Transformstionsbegleiter tätig.

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