Andrew Norelli: Sein «Business» sind Krisen

Andrew Norelli kennt die Finanzmärkte seit fast einem Vierteljahrhundert. Er hat einen BA, einen Universitätsabschluss, in Wirtschaftswissenschaften von Princeton. «Die Finanzkrise war meine beste Business-Schule», sagt er bei einem Treffen in Zürich. Seine Karriere begann er als Kredittrader für Schwellenländer bei Morgan Stanley in London, später wechselte er zur Buy-Side und landete 2012 bei J.P. Morgan Asset Management in Columbus, Ohio. 

Dort entstand 2014 unter seiner Leitung die JPMorgan Income Strategy, ein Festzinsprodukt, das  heute rund 30 Milliarden US-Dollar wert ist (bezogen auf die Strategie insgesamt über verschiedene Vehikel/seg Mandate), gekennzeichnet durch gezielte Verwaltung von Zins- und Kreditrisiken und geringere Volatilität als traditionelle Unternehmensanleihen.

Volatilität als Dauerzustand 

Norelli analysiert Märkte heute primär aus makroökonomischer Perspektive: Währungen, geopolitische Spannungen, Zinskurven. Und er spart nicht mit Skepsis. Die aktuelle geopolitische Lage – vom Auseinanderdriften zwischen den USA und Europa über Konflikte im Nahen Osten bis hin zur Unsicherheit über Trumps aussen- und handelspolitische Agenda – lässt für ihn nur einen Schluss zu: «Die Unsicherheit wird bleiben.»

Insbesondere die Entdollarisierung sieht Norelli als zentrales Risikothema, das institutionelle Investoren im Auge behalten sollten. Zwei Faktoren treiben diesen Trend aus seiner Sicht: Erstens die reale oder auch nur hypothetische Möglichkeit, dass Fremdwährungsreserven zwangsweise verkauft oder in ultra-langfristige US-Staatsanleihen «umgewandelt» werden könnten; Trump-nahe Ökonomen wie Stephen Moran haben diesen Vorschlag nicht nur angedacht, sondern öffentlich verteidigt. Und zweitens die Erosion jener vier Säulen, die den Dollar als globale Reservewährung stützen: Vertrauen, Währungsstabilität, Rechtsstaatlichkeit und militärischer Schutzschirm. 

Portfolio-Reaktion auf geopolitische Risiken

Was bedeutet das für die Portfolioallokation? Die J.P. Morgan-Income-Strategie ist auf eine Bärensteilung (steigende langfristige Zinsen) eingestellt, ganz im Gegensatz zur klassischen Durationserweiterung, die in Phasen erhöhter Unsicherheit üblich wäre.

Aktuell hält der Fonds netto Short-Positionen in 20- und 30-jährigen US-Treasuries und bündelt sein Exposure im kurzen Laufzeitenbereich. «Du weisst deutlich mehr über die Zahlungsfähigkeit eines Kreditnehmers, wenn er dir in zwei Jahren Geld schuldet, als wenn er dir in zwölf Jahren Geld schuldet», bringt es Norelli auf den Punkt. Durch diese Ausrichtung kombiniert das Portfolio niedrige Zins- und Spread-Duration mit einem Zielertrag von 6 bis 7 Prozent (nicht garantiert) – bei deutlich geringerer Volatilität als vergleichbare High-Yield-Ansätze.

Zusätzlich ist rund die Hälfte des Risikobudgets derzeit in Nicht-Dollar-Währungen investiert. Dies ist zwar ungewöhnlich für einen Income-Fonds mit US-Fokus, ist jedoch Ausdruck der gestiegenen Sensibilität gegenüber Währungsrisiken und der strategischen Flexibilität, die der Fonds für sich beansprucht.

Ein US-Fonds mit europäischer Relevanz 

Die Gefahr, dass geopolitische Verwerfungen Kapitalflüsse beeinflussen und den Dollar weiter unter Druck setzen, ist laut Norelli real. Der Income-Fonds bietet hier aus seiner Sicht eine widerstandsfähige Lösung: «Wenn die De-Dollarisierung weitergeht, sollte dieser Fonds überdurchschnittlich abschneiden. Wenn nicht, liefert er trotzdem eine anständige Rendite.»

Persönliches Commitment

Dass er selbst in die Strategie investiert ist – ebenso wie viele seiner Kollegen bei J.P. Morgan Asset Management – unterstreicht Norellis Überzeugung. «Wir behandeln dieses Portfolio wie unsere eigenen Konten», sagt er. Und auch wenn der Fonds bislang überzeugt hat, bleibt für den Portfoliomanager keine Zeit zum Ausruhen. Hat er eine Krise bewältig, hält der Ausschau nach der nächsten: «Egal ob du eine gute oder schlechte Entscheidung triffst: Du musst immer wieder neu entscheiden.»