Radicant: Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?
Noch im April 2021 war Radicant das, was man eine «Frischzellenkur» nennt: Die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) kündigte die Gründung der Digitalbank an. Man schrieb sich die 17 UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung auf die Fahne, versprach personalisierte Finanzberatung und erhoffte sich Impulse vom Fintech-Netzwerk.
Weitab von den heimischen Gefilden, zielte man via Zürich auf den «höheren Mittelstand» ab und wusste wohl selbst nicht so genau, wie der definiert werden sollte, geschweige denn erreicht.
Wurm steckte schon früh drin
Mit Anders Bally war ein CEO am Ruder, der die Fantasien der BLKB-Spitze befeuern konnte und wohl so manches von Fintech verstand, dem aber das politische Fingerspitzengefühl völlig abhanden ging. Als er in einer internen Mail über Politiker herzog, war Schluss. Im Februar 2023 musste er seine Sachen packen: Freistellung.
Das Geschäft von Radicant kam nicht auf Touren. Natürlich hatten die Verantwortlichen auch Pech. Mit der Bewältigung der Corona-Pandemie wurde auch das Ende des ESG-Hypes eingeleitet. Nur mit schönen Worten lässt sich die Welt eben nicht retten und schon gar nicht mit einer neuen Banken-App.
Es gibt aber auch strategische Mängel: Will Radicant ein Fintech-Disruptor sein oder eine Mini-Kopie der Mutterbank im Digitalformat? So klar ist dies bis heute nicht.
Zu viele Abschreiber
Es kam alles noch viel schlimmer: Im Juli musste die BLKB mit den Halbjahreszahlen einen zusätzlichen Abschreiber auf der Bank Radicant von 105,5 Millionen Franken bekanntgeben. 18’000 Kunden zählt die Bank – eine Erfolgsstory sieht anders aus.
Der Pfad für rein digitale Vermögensverwalter ist in der Schweiz steinig. True Wealth und Finpension gehören zu den wenigen, die wirklich abzuheben vermochten. Sie haben klein angefangen und sich mit disziplinierter Arbeit in die Gewinnzone vorgekämpft.
Anders bei Radicant: Statt Digitalbank-Euphorie bestimmen Rücktritte und Vertrauensverlust nun die Schlagzeilen: BLKB-CEO John Häfelflinger nahm den Hut Ende Juli und mit ihm auch Bankratspräsident Thomas Schneider. Damit war die Krise noch nicht besiegelt.
Abgang um Abgang
Wenig später verkündete auch Radicant CFO Roland Kläy, immerhin seit Beginn an Bord, seinen Wechsel zur VP Bank. Anfang dieser Woche wurde bekannt, dass die BLKB zusätzlich einen neuen CEO für ihr Tochterunternehmen suchen muss: Anton Stadelmann. Er hatte Twint auf die Erfolgsspur gebracht, biss sich jetzt an Radicant aber die Zähne aus. Man trennt sich wegen unterschiedlicher Ansichten. Immerhin ist das Tischtuch nicht zerschnitten. Er lässt nicht alles stehen und liegen und geht. Aber spätestens im Februar 2026 hat auch er seine Sachen gepackt.
Es sei die Frage erlaubt: Braucht die Bank Radicant wirklich noch einen neuen CEO oder wäre die BLKB nicht besser beraten, ihr Zürich-Abenteuer zu beenden? Radicant ist für die BLKB unlängst zur Hypothek geworden – finanziell wie reputationsmässig.
«Mission Impossible», die schon am Drehbuch scheiterte
Für den Finanzplatz Schweiz ist Radicant ein Lehrstück über die Grenzen von Innovationsprojekten im Korsett traditioneller Strukturen. Wer als Kantonalbank in Start-up-Terrain vordringen will, muss nicht nur Kapital, sondern auch Risikokultur und Geschwindigkeit mitbringen. Radicant hatte das eine, aber nicht das andere.
Am Ende bleibt der Eindruck einer «Mission Impossible», die schon am Drehbuch scheiterte: zu viele gute Absichten, zu wenig marktreife Umsetzung.