Das Timing hat gepasst: In den Wochen und Monaten seit das Coronavirus ausgebrochen ist, hat Libra Schritt um Schritt sein Weltwährungsprojekt vorangetrieben. Das war kein Zufall und macht aus verschiedenen Gründen Sinn.

Als Mark Zuckerberg das Projekt eines Stablecoin vor einem knappen Jahr präsentierte, rechnete er wohl nicht mit der geballten Ladung Kritik, die ihm und seiner jüngsten Idee zukommen würde. Das grösste Problem war dabei die ablehnende Haltung von Seiten der Zentralbanken und Regulatoren – denn ohne deren Unterstützung geht gar nichts.

Die Schweizer, denen wegen der Domizilierung der Libra-Stiftung in Genf eine Schlüsselrolle zukommt, machten schnell mal klar, dass in der ursprünglichen Form das Projekt nicht bewilligungsfähig wäre.

Ueli Maurer sagt nein

Schlimmer noch: Die mächtige US-Federal Reserve Bank bemerkte schon früh, dass eine Weltwährung das Potenzial hat, die Währungspolitik der Zentralbank zu beeinflussen. Die Chancen, dass die Politik dem Projekt eine Chance gäbe, sanken gegen Null.

Bald sprangen denn auch die wichtigsten Unterstützer ab. PayPal und Kreditkartenfirmen sagten ihre Unterstützung auf und Ende Dezember stellte der Schweizer Bundespräsident, Ueli Maurer, klar: «Die Schweiz kann Libra in der vorliegenden Form nicht bewilligen.»

Wer danach damit gerechnet hatte, dass Zuckerberg die Digitalwährung versenken müsse, hat sich getäuscht. Ein knappes halbes Jahr später sieht die Welt sehr anders aus und die Libra Association hat die Zeit gut genutzt.

Der Sieg des Online-Shopping

Es lohnt, sich kurz vor Augen zu halten, welche Bedingungen der Einführung einer neuen, nicht-staatlichen Weltwährung gedeihlich wären. Klar, mit Facebook im Rücken gibt es eine riesige potenzielle Nutzergruppe – das soziale Netzwerk hat etwa einen Viertel der Weltbevölkerung als Kunden.

Um diese Kundengruppe für den Libra zu gewinnen, muss das Produkt technisch perfekt aufgestellt sein. Erst wenn der Token einen klaren Vorteil bringt, wird er die nötige Breite erreichen. Das schrankenlose und günstige Bezahlen über Landesgrenzen hinweg ist bestens dafür geeignet. Und damit hängt der dritte Punkt zusammen: Kunden müssen ihre Einkäufe online tätigen wollen.

Mit der Bezahl-App im Tante Emma-Laden

Das Coronavirus hat diesem Aspekt zum endgültigen Durchbruch verholfen. Selbst Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft, Gewohnheiten und Lebensumstände die Einkäufe grundsätzlich im physischen Laden getätigt hatten, waren plötzlich genötigt, sich mit dem Online-Shopping vertraut zu machen.

Zudem: Nicht nur im Online-Shop, sondern plötzlich auch im Tante Emma-Laden war das Bargeld nicht mehr gefragt. Cash ist, wie verschiedentlich berichtet, auf dem Rückzug.

Topshot als CEO von Libra

Während also die Bedingungen für eine breite Akzeptanz einer digitalen, globalen Bezahlwährung gelegt wurden, legte die Facebook-Truppe inhaltlich und organisatorisch nach. Zuerst schob die Libra Association eine angepasste Version der ursprünglichen Eingabe nach, wie finews.ch berichtete. Als nächstes schraubte sie am Wallet, in dem die Libra verstaut werden und wird es künftig Novi nennen. Und zuletzt holte sich Zuckerberg Anfang Mai einen Topshot als ersten CEO der Firma.

Stuart Levey kommt von der britischen Grossbank HSBC, wo er als Chief Legal Officer tätig war. Der Zuzug des Währungsexperten, der jahrelang in Washington aktiv war, ist höchst symbolträchtig: Damit versucht das Silicon Valley der Finanzbranche zu zeigen, wo künftig die besten Leute aktiv sind. Zudem verfügt Levey über besten Zugang zu den politischen und regulatorischen Gremien, welche über die Libra-Bewilligung entscheiden.

Teil des globalen Ringens um Vormacht

Was bleibt, ist die Ablehnung durch die Währungshüter. Es steht viel auf dem Spiel. Wenn eine globale Parallelwährung den alten Währungen den Rang abläuft, verlieren die Zentralbanken den Hebel, um ihre Politik durchzusetzen. Damit stellt Zuckerberg die Macht der Staaten zur Disposition.

Bleibt die Frage, ob die neuen Kryptowährungen ein Puzzleteil in der globalen Machtpolitik werden. In China haben sich bekanntlich zwei Giganten etabliert – Tencent und Alibaba. Letzerer hat die Coronapandemie ebenso clever ausgenutzt wie Libra und sich zu einem ernsthaften Kreditgeber aufgeschwungen.

Auch diese chinesischen Firmen verfügen über riesigen Einfluss dank ihrer Reichweite und wissen diesen Vorteil zu nutzen. Dies muss der amerikanischen Politik ein Dorn im Auge sein, und Libra könnte eventuell von einer anti-chinesischen Stimmung profitieren.

Aber dazu müsste sie erst noch die Währungshüter selbst überzeugen. Und die sind bekanntlich selten geneigt zu überhasteten Experimenten. Wenn nicht alles täuscht, werden sie ihrem Namen noch alle Ehre machen.

 

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