Martin Blessing will mit einer Spac-Gesellschaft noch diesen März an die Börse. Im Interview mit finews.ch sagt der ehemalige Manager der UBS, warum er von der Wertschöpfung von Spacs überzeugt ist und er auf einen Fussball-Philosophen hört.


Herr Blessing, Sie sind CEO des EFIC1, der gemäss Eigenbeschrieb ersten europäischen Spac-Gesellschaft, die auf den Fintech-Sektor in Europa, Grossbritannien und Israel zugeschnitten ist. Was ist Ihre Motivation, im Spac-Boom mitzumachen?

Es war ein Team-Entscheid, ein Spac zu lancieren. Ich selber bin an den Entwicklungen im Finanzsektor ohnehin stark interessiert – und neue Formen im Vertrieb fand ich immer hoch spannend, schon als CEO der Advance Bank im Jahr 2000, später auch als Aufsichtsratsvorsitzender der Comdirect. Auch bei der UBS Schweiz habe ich mich intensiv mit der Digitalisierung befasst. Die Möglichkeit, jungen und aufstrebenden Firme zu helfen, einerseits bei der Kapitalaufnahme und anschliessend auch bei der Etablierung an der Börse, das scheint mir sehr reizvoll zu sein.

Sie arbeiten im kleinen Team, nachdem Sie vorher immer in Konzernen tätig waren.

Ja, ich habe die letzten 20 Jahre versucht, grosse Firmen schneller zu machen. Jetzt mal umgekehrt: Ich versuche, schnelle Firmen grösser zu machen.

Die USA sind bezüglich Spacs weit voraus. Sehen Sie in der Lancierung Ihres Spacs auch eine notwendige Reaktion, dass die europäischen Börsenplätze nicht ganz ins Hintertreffen geraten?

Es ist nun mal so: Die meisten Finanzinnovationen beginnen in den USA. Aus europäischer Sicht zu prüfen und abzuklären, ob diese auch hier sinnvoll sind, ist völlig legitim. Wir halten den europäischen Fintech-Sektor für sehr vielversprechend und wollen eine Opportunität schaffen. Fintechs werden für ihr Wachstum Kapital brauchen, und es wäre schade, wenn sie jeweils nach New York gehen müssten, um an einer Börse gelistet zu werden.

Warum fiel die Wahl auf die Euronext-Börse in Amsterdam?

Wir haben verschiedene europäische Börsenplätze insbesondere mit Blick auf unsere Bedürfnisse und die unserer Investoren geprüft. Dabei stand zunächst im Fokus, möglichst viele Komponenten, die ein Spac ausmachen, auch nutzen zu können und dabei auf Investoren zu treffen, die mit Spacs bereits Erfahrungen haben.

«Das funktioniert an der Schweizer Börse nicht»

Zweitens benötigen wir eine Börse, die genügend Liquidität bietet und für Technologiefirmen interessant ist. Ausserdem bietet Amsterdam ein gutes M&A-Umfeld – und ein Teil unseres Teams ist ohnehin in Amsterdam stationiert.

Gab es Überlegungen, den Spac auch an der Schweizer Börse SIX Exchange zu kotieren?

SIX schreibt vor, dass Unternehmen mindestens drei Jahre existieren müssen, bevor sie an die Börse gehen. Ein Spac ist ganz anders aufgesetzt, das funktioniert also an der Schweizer Börse nicht.

Welche Fintechs und Fintech-Sektoren sehen Sie als besonders interessant an, via Spac an die Börse zu bringen?

Man darf vor einer Spac-Kotierung nicht mit potenziellen Unternehmen sprechen. Aber wir haben uns das europäische Fintech-Universum natürlich genau angeschaut. Und wir haben auch kommuniziert, dass für uns Fintechs mit der Bewertung von 1 Milliarde Euro oder mehr in Frage kommen.

Sie schliessen in Ihrer Suche Grossbritannien und Israel mit ein. Auch die Schweiz?

Natürlich, die Schweiz ist einer unserer Zielmärkte. Die Schweiz ist auch mit Blick auf die Investoren interessant, durchaus auch für langfristig orientierte «Long only»-Investoren. Nicht zuletzt ist mit der Credit Suisse auch unser Global Coordinator eine Schweizer Bank.

Ihr vormaliger Arbeitgeber, die UBS, kam dabei nicht in Frage?

Die Auswahl des Global Coordinators war ein strukturierter Prozess: Im «beauty contest» hat die Credit Suisse unter allen von uns angefragten Anbietern am besten abgeschnitten.

Die grössten Fintech-Märkte sind die USA und China. Wie würden Sie den europäischen Fintech-Sektor beurteilen?

In Europa konnten wir sehr viele interessante Fintech-Gründungen beobachten. Eine Herausforderung für Startups ist: Sie starten in aller Regel in einem Markt, der per se viel kleiner ist als der amerikanische oder chinesische.

«Wir können auch operative Unterstützung anbieten»

Und aus dem Heimmarkt heraus ein europäisches Geschäft aufzubauen, stellt einige Herausforderungen und Komplexitäten, was wiederum das Wachstumstempo behindert.

Das Problem bleibt auch nach einer Börsenkotierung.

Darum haben wir auch ein Team zusammengestellt, das einerseits über eine sehr breite Branchenerfahrung verfügt und das in der Vergangenheit unter verschiedenen länderspezifischen, regulatorischen Bedingungen gearbeitet hat. Insofern können wir unsere operative Unterstützung anbieten, um ein Fintech beim Wachstum und bei der Expansion zu fördern.

Das heisst, Ihr Spac wird ähnlich wie in der Private-Equity-Branche das Unternehmen auch in operativen Belangen begleiten und unterstützen?

Unsere Wertschöpfung besteht darin, für ein Unternehmen nicht nur den Börsenmantel zu stellen, sondern auch das Know-how unseres Team einzubringen. Und zwar nicht nur in Bezug auf Due Diligence und M&A-Verhandlungen, sondern auch darüber hinaus. Unser Ziel ist es, langfristig für Investoren Wert zu schaffen, zunächst über einen Börsengang, anschliessend aber auch durch die weitere Entwicklung des gelisteten Unternehmens.

Im gegenwärtigen Spac-Boom wurde im laufenden Jahr bereits nach zehn Wochen das Volumen des ganzen Jahres 2020 erreicht. Genügen die üblichen Kanäle nicht mehr, um die so reichlich vorhandene Liquidität bei Investoren zu platzieren?

In Europa hat der Spac-Boom noch nicht eingesetzt, die USA sind in einer ganz anderen Phase. Aber grundsätzlich sollte man Spacs als zusätzliches Instrument im Werkzeugkasten der Kapitalmärkte betrachten. Stellen Sie sich einen Akku-Schrauber vor: Der ersetzt zwar nicht den herkömmlichen Schraubenzieher, doch ist er für manche Gelegenheiten einfach schneller und praktischer.

«Natürlich nützt meine Erfahrung etwas»

Spacs sind so etwas wie der Hochgeschwindigkeitslift an den Kapitalmarkt, während man für den herkömmlichen Börsengang die Rolltreppe nimmt. Ausserdem bieten Spacs deutlich mehr Flexibilität in der Ausgestaltung. Darum sind sie für Unternehmen auch ein attraktives Angebot.

Spacs scheinen vor allem für ehemalige Bankenmanager eine Attraktion zu sein: Ihr früherer Chef Sergio Ermotti, Ex-Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam, Ex-Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier planen Spacs. Benötigen diese unbedingt das Know-how von Banken-CEO?

In den USA ist das Bild etwas differenzierter: Dort lassen sich erfolgreiche Spacs beobachten, die von Leuten aus der Venture-Capital-Branche gegründet worden sind, andere wiederum stammen aus der Private-Equity-Branche oder aus dem Investmentbanking – und dann gibt es auch Spacs, die auf dem Erfahrungsschatz eines früheren CEO bauen. Wir haben bewusst versucht, alle vier Komponenten in unserem Team abzubilden, um eine möglichst hohe Erfolgswahrscheinlichkeit herzustellen. Als ehemaliger CEO kann ich sagen: Natürlich nützt meine Erfahrung in Bereichen wie Kapitalmärkte, Compliance und Regulierung – wie auch mein Netzwerk bei der Suche nach Investoren.

Kritik an den Spacs gibt es häufig. Es sei ein lukratives Geschäft für clevere Financiers, während der Erfolg für die übrigen Investoren eher unsicher sei. Wie begegnen Sie solcher Kritik?

Unser Spac vermarkten wir nur an institutionelle Investoren. Zweitens erhalten Investoren früh alle Informationen über die Firma, die übernommen werden soll. Anschliessend können die Investoren an einer Aktionärsversammlung über die Transaktion abstimmen. Und selbst danach können sie sich, unabhängig von ihrem Stimmverhalten, ihr Geld zurückzahlen lassen, wenn sie in das Target-Unternehmen – aus welchen Gründen auch immer – nicht investieren wollen. Erst mit dem Listing können auch Privatanleger in das Unternehmen investieren – genau gleich wie einem normalen Börsengang.

Wie gross ist das Interesse der Investoren an Ihrem Spac?

Wir haben im Vorfeld viele Gespräche mit angelsächsischen wie auch europäischen Investoren geführt, teils auch mit Pensionskassen und Family Offices. Wenn wir kein positives Feedback erhalten hätten, würden wir dieses Gespräch heute kaum führen (lacht). Wir sind jedenfalls sehr optimistisch, dass wir mit unserem Spac zum Ende des Monats an der Börse sind.

Was folgt danach? Ein weiteres Spac?

Wir fokussieren uns derzeit ganz auf die Kotierung des EFIC1. Was danach folgt? Ein deutscher Fussball-Philosoph hat einst gesagt: «Schaunmer mal».


Martin Blessing war bis Oktober 2016 Konzernleitungsmitglied der UBS, zunächst als Schweiz-Chef und ab 2018 als Co-Chef im Global Wealth Management. Davor war der 58-Jährige CEO der Commerzbank gewesen. Nun ist er CEO des EFIC1, der European Fintech IPO Company1. Es ist das erste Spac in Europa, das sich auf Fintechs fokussiert. 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.63%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.55%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.22%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.11%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.5%
pixel