Am Freitag hat im Vincenz-Prozess vor dem Bezirksgericht in Zürich die Verteidigung das Wort. Diese brachte gleich zu Anfang eine Verletzung des Bankgeheimnisses ins Spiel.

Für Lorenz Erni, den Strafverteidiger von Pierin Vincenz, steht Neid am Anfang der Vorwürfe gegen seinen Mandaten. Vincenz, das sei ihm auch von Raiffeisen- und Aduno-Managern in der Einvernahme beurkundet worden, habe bei den genannten Unternehmen sehr viel bewegt.

Erfolg mache jedoch andere neidisch, und dies habe wohl eine unbekannte Person bewegt, jene Millionenüberweisung durchsickern zu lassen, die den ganzen Fall ins Rollen gebracht hatte – dies unter Verletzung des Bankkunden-Geheimnisses.

Eine Straftat als Auslöser

Tatsächlich waren Informationen über eine Zahlung von 2,9 Millionen Franken, das der im Prozess ebenfalls Hauptbeschuldigte Beat Stocker im Juli 2015 von der Zürcher Privatbank Julius Bär auf das Konto von Vincenz bei einer Raiffeisen-Bank im Tessin überwiesen hatte, im Jahr 2016 an den Finanz-Blog «Inside Paradeplatz» weitergegeben worden.

Es folgten eine Untersuchung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) und schliesslich im Jahr 2017 einer Strafanzeige gegen Vincenz und Stocker vonseiten der Bezahlspezialistin Aduno. Später erstattete auch Raiffeisen Anzeige.

«Am Anfang des Verfahrens stand also eine Verletzung des Bankkunden-Geheimnisses», gab Verteidiger Erni zu bedenken. Damit können man sich auf den Standpunkt stellen, dass die Verwertung aller weiteren Untersuchungen rechtswidrig seien. Die Verteidigung habe aber darauf verzichtet, diesen Weg zu beschreiten.

Ein Chat-Verlauf zwischen Vincenz und Stocker, der noch dazu aktenkundig sei, zeige, dass es sich bei den besagten 2,9 Millionen Franken um nichts anderes als ein Darlehen für einen Hauskauf gehandelt habe. Und nicht etwa um die verdeckte Teilhabe von Vincenz an einer Beteiligung von Stocker an der Firma Investnet. Die Private-Equity-Unternehmung wurde später von Raiffeisen Schweiz übernommen.

Vorwurf der Schattenbeteiligungen

Dennoch halte er klar fest, so Erni weiter, dass die Vorwürfe gegen Vincenz allesamt ungerechtfertigt seien. Dieser müsse vom Gericht als unschuldig befunden werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Raiffeisen-Chef Vincenz und dem Ex-Aduno-CEO vor, sie sollen bei mehreren Firmentransaktionen Schattenbeteiligungen aufgebaut, die Preisgestaltung bei Übernahmen durch Raiffeisen und Firmen der Aduno-Gruppe (der heutigen Viseca) in ihrem eigenen Sinne beeinflusst – und damit in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben.

Ebenfalls macht die Anklage geltend, beide hätten ungerechtfertigt Spesen bezogen. Für Vincenz wie für Stocker gilt die Unschuldsvermutung.

«Vom Medienhype beeinflusst»

In Richtung der Staatsanwälte um Chefkläger Marc Jean-Richard-dit-Bressel meinte Erni, diese habe entgegen früheren Untersuchungen mit ähnlicher Ausgangslage übermässig reagiert, mit zahlreichen Vernehmungen, Hausdurchsuchungen und mit der langen Untersuchungshaft für Vincenz von 106 Tagen. Darin, vermutete der Vincenz-Verteidiger, seien die Ermittler wohl vom Medienhype um den Fall Vincenz beeinflusst gewesen.

Ebenfalls rügte Erni die vielen Indiskretionen rund um die Untersuchungen und warf sogar Raiffeisen Schweiz ganz direkt vor, Informationen an Journalisten «geleakt» zu haben.

Strategie der Anklage demontieren

Im Zusammenhang mit den Hauptvorwürfen versuchte die Verteidigung dann, die Anklage-Strategie zu demontieren. Die Zürcher Staatsanwaltschaft wirft Vincenz und Stocker vor, in einem über die Jahren perfektionierten «Doppelspiel» die Preise in ihrem Sinne in die Höhe getrieben zu haben. Dies sei zuungunsten von Aduno-Firmen und Raiffeisen Schweiz geschehen, wo die Beschuldigten teils als Entscheider massgeblich Einfluss nehmen konnten.

Im Sinne eines Bundesgerichts-Urteils zu Retrozessionen hätten Vincenz und Stocker diese Gewinne zudem herausgeben müssen. In der Anwendung des Urteils auf die Firmentransaktionen hat die Anklage allerdings juristisches Neuland betreten.

Wie Rechtsanwalt Erni am Freitag nun ausführte, sei der Bundesgerichts-Entscheid in diesem Fall aber gerade nicht anwendbar.

Gar noch Geld gespart?

Die Bewertung etwa der Firma Commtrain sei bei der Aduno-Firma Viseca zudem bekannt gewesen. 2007 hatte die Aduno-Tochter Viseca Commtrain übernommen, an denen Vincenz und Stocker private Beteiligungen hielten. Laut Erni habe Vincenz die Verhandlungen nie beeinflusst. Durch die früher als geplant erfolgte Übernahme habe Viseca gar noch Geld gespart – also das genaue Gegenteil dessen, was die Anklage ins Feld geführt hat.

Die Fronten vor dem Bezirksgericht sind also klar gezogen. Der Commtrain-Deal ist besonders wichtig für die Anklage, weil damals sowohl Vincenz als Raiffeisen-Chef wie Stocker als Viseca-Verwaltungsrat an entscheidenden Stellen sassen.

Über 4'000 Rechnungen

Zu den medial viel beachteten Spesen-Abrechnungen, die Vincenz als damaliger Chef Raiffeisen belastet hatte, nahm Erni nur summarisch Stellung. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten diesbezüglich Veruntreuung vor.

Dessen Verteidiger wies nun am Freitag daraufhin, dass über die einschlägige CEO-Kostenstelle seinerzeit über 4’400 Bewegungen abgerechnet wurden. Da könne man nicht erwarten, dass jemand stets die Übersicht behalte und irrtümlich belastete Rechnungen jederzeit erkenne. Wo Irrtümer geschehen seien, habe Vincenz bereits erklärt, die Fehlbelastungen zurückzuzahlen, so Erni weiter.

Rechnungen nicht erkannt?

Ein leises Raunen ging durch den Saal im Zürcher Volkshaus, als der Verteidiger weiter erklärte, die Rechnung für die Renovation eines Zimmers im Zürcher Nobelhotel Park Hyatt, das im Streit zwischen Vincenz und einer Bekannten beschädigt worden war, sei von Vincenz als solche nicht erkannt worden.

Dies, weil das Park Hyatt in der Rechnung nur eine Übernachtung (mehr als 3’000 Franken) berechnet hatte, wie es auch die Anklageschrift festhält. Man dürfe, so die Verteidigung, das Netzwerken von Vincenz nicht mit der «engen Brille» der Staatsanwaltschaft betrachten – ein schädigender Vorsatz sei bei Reisen, der Verrechnung von Anwaltskosten und Ausgaben in Nachtlokalen nicht zu erkennen.

Staat soll zahlen

Für Vincenz forderte Erni einen vollumfänglichen Freispruch, ausserdem Genugtuung für die Untersuchungshaft und die Vorverurteilung in der Öffentlichkeit. Dies zulasten der Staatskasse, welcher Vincenz auch seine Anwaltskosten belasten will. Erni sprach hier von über 1’750 Honorarstunden. Des Weiteren seien Zivilklagen abzuweisen und blockierte Vermögen auszuhändigen.

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