Das Programm der Krypto-Lobby für mehr Innovation

Die Swiss Blockchain Federation, die Crypto Valley Association und die Bitcoin Association Switzerland wollen die Innovation am Schweizer Finanzplatz stärken und haben dazu am Dienstagmorgen ein Zwölfpunkteprogramm veröffentlicht. Dieses enthält Empfehlungen für die Politik, die Verwaltung und die Industrie.

Die Verbände halten im Analyseteil ihres «Manifests» fest, dass sich die Schweiz in den vergangenen Jahren dank fortschrittlicher Regulierung, innovationsfreundlicher Behörden und enger Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft als führender Standort für Blockchain-Technologien, Fintechs, KI- und Technologieunternehmen etabliert hat – um dann gleich Alarm zu schlagen und konkret zu werden.

Warum der Schweizer Vorsprung gefährdet ist

«Doch dieser Vorsprung ist gefährdet: Länder in Asien und im Nahen Osten, holen rasant auf und bieten zunehmend attraktive Bedingungen für Blockchain-Unternehmen; der scharfe Politikwechsel der Trump-Regierung wirkt wie ein Fanal.» Erwähnt wird aber auch die Markets in Crypto Assets Regulation (MiCar), die in der EU einen einheitlichen Binnenmarkt für Krypto-Vermögenswerte und -Dienstleistungen schafft , «der jedoch gegenüber Drittstaaten wie der Schweiz hermetisch abgeriegelt ist». 

Gleichzeitig würden in der Schweiz langwierige Prozesse, regulatorische Unsicherheiten und neue internationale Anforderungen als Hindernisse wahrgenommen. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) verfolge eine deutlich innovationskritischere Haltung als 2019/2020 und betone primär Risiken. Die Bewilligungsverfahren für Fintechs und Handelssysteme mit Distributed-Ledger-Technologie (DLT) gestalteten sich langwierig.

Schweiz fällt in Rankings zurück

Zudem sei das Innovationsziel aus der jüngsten Vierjahresstrategie der Finma gestrichen worden – «ein völlig falsches Signal». «Weitere regulatorische Vorhaben wie die Übernahme des Basler Krypto-Standards oder des Crypto-Asset Reporting Standard (CARF) dürften die Position der Schweiz als Fintech- und Blockchain-Zentrum langfristig zusätzlich schwächen.»

Die Konsequenz: Die Schweiz ist in internationalen Rankings von Blockchain-Jurisdiktionen zuletzt zurückgefallen. Die Verbände führen in diesem Zusammenhang pikanterweise eine vom Swiss Financial Innovation Desk (FIND; eine Stelle, die im Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF angesiedelt ist und damit zur Bundesverwaltung gehört) kürzlich durchgeführte Umfrage an. Diese habe ergeben, dass zahlreiche Unternehmen von einer Ansiedlung in der Schweiz abgesehen hätten oder gar einen Wegzug in Erwägung zögen.

Regulierung soll Innovation fördern

Die drei Verbände betonen, dass die Schweiz weiterhin über viele Stärken verfüge. «Neben einer Reihe hochspezialisierter Kryptobanken und anderer Dienstleister sind derzeit über 40 traditionelle Banken in der Schweiz in das Krypto-Geschäft oder DLT-Projekte involviert – mehr als in jeder anderen Jurisdiktion.» Lobend erwähnt wird auch neue Rechtsrahmen für die Tokenisierung von Finanz- und Sachwerten. Auch die «enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Politik, Behörden und Zivilgesellschaft» wird zu den Stärken der Schweiz gezählt.

Die Krypto-Lobby legt auch offen, wie sie das Verhältnis von Innovation und Regulierung sieht. «Regulierung kann Innovation fördern, wenn sie Rechts- und Planungssicherheit schafft. Führt Regulierung jedoch zu übermässig hohen Markteintrittshürden, ist sie zu komplex oder dauern Bewilligungsverfahren zu lange, wirkt sie innovationshemmend.»

Keine Innovation ohne Risiko

Es wird auch daran erinnert, dass es keine Innovation ohne Risiken gibt. «Scheitern ist in einer sozialen Marktwirtschaft erlaubt und notwendiger Bestandteil jedes Innovationsprozesses.» Folglich sollte die Regulierung auf «unvertretbare Risiken» ausgerichtet sein, worunter solche im Zusammenhang mit der Finanzstabilität, der Integrität des Finanzsystems und des Kundenschutzes verstanden werden.

Das Programm schlägt deshalb folgende Massnahmen vor:

  • Innovationsfreundliche Rahmenbedingungen stärken: Die Finma soll die Innovationsförderung wieder als strategisches Ziel aufnehmen und über Fortschritte berichten. Das entspreche auch dem Digital-Finance-Bericht des Bundesrats und dem gesetzlichen Auftrag der Finma. Zudem sollen «innovationsfreundliche Strukturen» wie das FIND gestärkt werden.
  • Technologieneutrale und verhältnismässige Regulierung: Anforderungen für Kryptodienstleister und Stablecoins müssen differenziert und wettbewerbsfähig gestaltet werden. Dabei haben die Verbände v.a. die laufenden Arbeiten des SIF an einem Regulierungrahmen für Kryptodienstleister, Fintechs und Stablecoins im Blick.
  • Verbindliche Fristen für Finma-Bewilligungsverfahren: Verfahren, speziell für DLT-Handelssysteme und Fintech-Lizenzen, sollen klar strukturiert und innert sechs Monaten abgeschlossen werden.
  • Digitales Geld fördern: Stablecoins und digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currency, CBDC) sollen die Grundlage für eine digitale Wirtschaft und damit die Realisierung von Effizienzgewinnen und Skaleneffekten schaffen. Der Beseitigung von regulatorischen Hürden für die Emission von Stablecoins wird «höchste Bedeutung» zugemessen. Die von der Finma in diesem Bereich geplanten Rahmenbedingungen seien international nicht wettbewerbsfähig.
  • Technologieeinsatz für Compliance: Innovative Technologien sollen Compliance-Prozesse effizienter und kostengünstiger gestalten. Als Beispiel wird die Verwendung von Blockchain-Technologie bei der Bekämpfung der Geldwäscherei angeführt. 
  • Selbstregulierung stärken: Selbstregulierungsorganisationen (SRO) sollen wieder mehr Handlungsspielraum erhalten. Die Finma mache z.B. den SRO im Geldwäschereibereich seit Jahren immer mehr Vorgaben. Zudem soll das Projekt einer Krypto-SRO «mit hoher Priorität» weiterverfolgt werden.
  • Transparente Aufsichtspraxis: Die Finma soll ihre Aufsichtspraxis offener gestalten und den Dialog mit der Branche stärken. Branche und Verbände müssten ihre gesetzlichen Mitwirkungsrechte wirksam wahrnehmen können. Als Negativbeispiel wird die Aufsichtsmitteilung zu Stablecoins im Juli 2024 angeführt – mit einer Praxisverschärfung, die bekanntlich für viel Unmut in der Kryptoindustrie und eine Kontroverse mit der Finma gesorgt hat. 
  • Technische Investitionshürden abbauen: Hürden für ausländische Investitionen sollen identifiziert und reduziert werden. Kritisiert werden insbesondere die Anforderungen der Finma an die konsolidierte Aufsicht. Zahlreiche ausländische Platttformen hätten zwsichen 2020 und 2022 eine Ansiedlung in der Schweiz geprüft – alle Vorhaben scheiterten. Die konsolidierte Aufsicht sei ein immer wiederkehrendes Thema gewesen. 
  • Präzisere Regulierung: Vage Normen (die sich bei einer prinzipienbasierten Regulierung nicht immer vermeiden lassen) sollen durch Dialog zwischen Behörden und Industrie konkretisiert werden. 
  • Internationale Standards kritisch prüfen: Die Übernahme internationaler Standards in Schweizer Recht muss den Interessen des Standorts dienen. Internationale Standards seien oft von spezifischen Interessen grosser Staaten geprägt und nicht einfach «Ausdruck überlegener Weisheit». Die Mitwirkung an solchen Standards dürfe daher nicht allein den Fachbehörden überlassen werden, sondern müsse politisch eng begleitet werden. Als abschreckendes Beispiel wird der Basler Krypo-Standard genannt, der für das Halten von Kryptovermögenswerten «prohibitiv hohe Eigenmittelanforderungen» vorsehe.
  • Industrie zur Eigeninitiative ermutigen: Die Branche soll Standards entwickeln und eigene Schwächen proaktiv adressieren. Beispiele sind die fehlenden Verwahrungsmöglichkeiten für die massenhafte Tokenisierung von Finanzinstrumenten und der fehlende Zugang von Startups zu Basisbankdienstleistungen.
  • Finanzierung für Start-ups und KMU stärken: Staatliche Förderprogramme und steuerliche Anreize sollen ausgebaut werden. Die Verbände denken dabei an eine spezielles Fördermandat für Innosuissse und die Beseitigung steuerlicher Hürden.

Ganz offensichtlich will die Kryptoindustrie die Gunst der Stunde auch vor dem Hintergrund von internationalen Entwicklungen nutzen. Das ist durchaus legitim, und ein grosser Teil ihrer Forderungen scheint insbesondere angesichts des (zu) vorsichtigen Kurses der Finma grundsätzlich auch berechtigt zu sein.

Gewisse Punkte – z.B. die Förderung von CBDC oder der Ruf nach mehr finanzieller Unterstützung – sind allerdings heikel und bedürfen einer vertieften Diskussion.