Universa: Landet der «Black Swan»-Hedge-Fund am Zugersee?
Der in Miami ansässige Hedge Fund Universa Investments, gegründet von Mark Spitznagel, erwägt die Eröffnung eines Büros in der Schweiz. Chief Operating Officer Brandon Yarckin bestätigt die Pläne im Gespräch mit finews.ch und nannte Zug als wahrscheinlichsten Standort. «Die Schweizer Denkweise rund um Sicherheit und Kapitalerhalt macht die Schweiz für uns zu einem natürlichen Zuhause», sagte er.
Laut dem jüngsten ADV-Formular, das Universa bei der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC) eingereicht hat, verwaltet der Hedge Fund rund 20 Milliarden Dollar an Regulatory Assets Under Management (RAUM). Seit der Gründung im Jahr 2007 liegt die geprüfte durchschnittliche Jahresrendite auf das gesamte Fondskapital bei über 100 Prozent.
Bernoulli, Spitznagel, Taleb
Bekannt ist das Haus vor allem für sein intellektuelles Profil: Gründer Mark Spitznagel, seit Jahrzehnten im Optionshandel tätig, wird unterstützt von Nassim Nicholas Taleb, dem Autor von «The Black Swan», der als Distinguished Scientist wirkt. Spitznagel selbst hat Deutschschweizer Wurzeln, und Universa bezeichnet den Mathematiker Daniel Bernoulli (1700–1782) augenzwinkernd als seinen «Hausheiligen» – Sinnbild für die Verwurzelung in einem geometrischen Risikoverständnis und der Kunst der Vermögensbildung.
Im Kern beruht die Philosophie von Universa auf einem einfachen Prinzip: katastrophale Verluste abfedern, um das Vermögen so anzulegen, dass es sich langfristig besser vermehrt. Es ist ein Ansatz, der sich deutlich vom verbreiteten Risikomanagement durch Diversifikation unterscheidet.
Raschere Vermehrung des Vermögens
«Diversifikation senkt die Volatilität, aber auch das langfristige Vermögen. Tail Hedging bewirkt das Gegenteil: Es begünstigt eine raschere Vermehrung des Vermögens und schützt gleichzeitig vor grossen Einbrüchen», erklärt Yarckin im Gespräch mit finews.ch.
Die Kritik des Hauses an der Diversifikation geht zurück auf Bernoullis berühmtes Paradoxon. Im 18. Jahrhundert beschrieb er das Dilemma der Petersburger Kaufleute: Von zwanzig Schiffen kehren im Schnitt neunzehn zurück, eines fällt Piraten oder Stürmen zum Opfer. Versicherer verlangten eine höhere Prämie, als sie der Verlustwahrscheinlichkeit entsprach.
Vom Petersburger Paradoxon …
Bernoulli zeigte, warum Kaufleute trotzdem Policen abschlossen: Der Verlust eines einzelnen Schiffs zerstörte die Fähigkeit, es immer wieder aufs Meer zu schicken und damit nachhaltig Erträge zu erzielen. Einen solch nachhaltigen Totalausfall zu verhindern, war bei langfristiger Betrachtung also trotzdem vorteilhaft.
«Dieses Paradoxon ist der Kern unserer Philosophie», sagt Yarckin. «Konvexe Absicherungen, die selten, aber umso massiver auszahlen, schlagen die versteckten, ständig laufenden Kosten der Diversifikation. Diversifikation sieht gratis aus, aber wenn man sie im Hinblick auf den Zinseszinseffekt misst, ist sie teuer.»
… zur Formel 1
Zur Veranschaulichung dient auch ein Bild aus Mark Spitznagels Buch «Safe Haven: Investing for Financial Storms»: die Formel 1. Während eines Rennens setzen die Teams auf weiche Reifen, die schnell abnutzen und Boxenstopps erfordern – aber die höchste Geschwindigkeit über die gesamte Distanz ermöglichen.
Ähnlich funktioniert Spitznagels Investmentansatz: Er hat einen sichtbaren Preis, erlaubt es den Investoren aber, ihre Portfolios «schneller» zu fahren, indem sie mehr Risikoanlagen halten. «Darum wechseln unsere Kunden oft von einem 60/40-Portfolio zu einer Struktur mit 70 Prozent Aktien zuzüglich Tail Hedge», so Yarckin. «Die Belastung ist geringer, die Widerstandskraft grösser.»
Mehr Spielraum für Aktien
Ob Kaufmannsparabel oder Rennreifen – die Lehre ist dieselbe: Ein kleiner, kalkulierbarer Preis schützt vor seltenen, aber existenziellen Rückschlägen. Es ist zugleich die Essenz von Talebs «Black Swan»-Erkenntnis, wonach Unwahrscheinliches den langfristigen Anlageerfolg bestimmt. Universas Absicherungen sind für genau diese Momente geschaffen, in denen an den Märkten das Undenkbare geschieht.
Auf die Frage, ob Universas Strategie in Zeiten ruhiger Märkte und steigender Kurse schwerer zu vermitteln sei – wie über weite Strecken seit der globalen Finanzkrise – hält Yarckin dagegen: «Selbst in steigenden Märkten sehen unsere Kunden, dass wir ihnen erlauben, mehr Aktien zu halten, als sie es sonst könnten. Und auch wenn die Absicherung in einem Jahr ein Prozent kostet, übertrifft ihr Gesamtportfolio oft die Mitbewerber, die durch Diversifikationsinstrumente gebremst werden. Dieser relative Vorteil überzeugt Verwaltungsräte, Family Offices oder die Anlagechefs von Banken – sie schauen nicht so sehr darauf, was Universa in einem Jahr zugelegt oder verloren hat.»
Bereits Kunden in der Schweiz
Heute betreut Universa eine globale Klientel institutioneller Kunden, rund ein Fünftel davon ausserhalb der USA. Die Schweiz zählt schon jetzt zu den bedeutenderen internationalen Beziehungen des Hauses. «Wir passen sehr gut zu Investoren mit langen Anlagehorizonten und Verpflichtungsstrukturen – Pensionskassen, Versicherer, Stiftungen», sagt Yarckin. «Pensionskassen müssen insbesondere jährliche Zahlungen an Rentner mit dem langfristigen Ziel der Finanzierung in Einklang bringen. Das ist eine schwierige Balance. Eine richtige, nicht teure Absicherung gibt ihnen das Vertrauen, auch in Stressphasen investiert zu bleiben – und das macht den Unterschied.»
Seine Botschaft an langfristige Investoren fasst Yarckin schlicht zusammen: «Mit uns können sie ihre Finanzkraft auch in Krisenzeiten erhalten, ohne deswegen auf langfristiges Wachstum verzichten zu müssen. Deshalb besteht mehr als die Hälfte unserer Kundenbasis aus Pensionskassen, Versicherern, Stiftungen und Fonds.»
«Naive Empirie»
Der Zugang ist allerdings institutionellen Anlegern vorbehalten. Yarckin nennt keine Zahl, betont jedoch: «Wir sind nicht darauf ausgerichtet, direkt mit Privatanlegern zu arbeiten.» Aus den SEC-Unterlagen geht hervor, dass die meisten Universa-Fonds eine Mindestinvestition von 150 Millionen Dollar erfordern.
Im Unterschied zu vielen Hedge Funds ist die Strategie von Universa nicht auf eigenen Marktprognosen aufgebaut. «Wir praktizieren, was wir ‹naive Empirie› nennen: aus der Geschichte lernen, ohne anzunehmen, dass sie sich in Zukunft wiederholen muss», erklärt Yarckin. «Wenn Sie Aktien vor ein paar Jahren nur deshalb verkauft hätten, weil sie teuer aussahen, hätten Sie die letzten 50 Prozent dieses Rallys verpasst.»
Schliesst sich das Aktien-Fenster?
Das bedeutet nicht, dass Universa die Makrolage ignoriert. «Unser CIO Mark Spitznagel war in den letzten drei Jahren einer der prononciertesten Aktien-Bullen. Für einen Tail-Hedge-Fund mag das kontraintuitiv klingen, es war aber die richtige Sichtweise», sagt Yarckin. 2022, als viele Marktteilnehmer ins Bärenlager wechselten, argumentierte Universa öffentlich, warum sich der Aktien-Aufschwung fortsetzen würde.
Heute allerdings warnt Yarckin, dass sich das Bullen-Fenster schliessen könnte. «Wenn die Märkte auf normalere Bewertungen zurückgehen, haben sie historisch meist überschossen. Das könnte eines der grössten finanziellen Ereignisse der letzten Jahrzehnte auslösen», sagt er. «Wir wissen nicht, wo genau wir in diesem Spektrum landen werden, weil politische Entscheidungen oder sogar Kräfte wie die künstliche Intelligenz den Pfad verändern könnten. Aber die Wahrscheinlichkeit einer grösseren Verwerfung ist derzeit deutlich höher als üblich.»