Wie die VAE zum globalen Web3-Vorreiter wurden


Frau Adonis, die VAE gelten als Web3- und Krypto-Mekka. Worin unterscheidet sich die Regulierung in den VAE von anderen Jurisdiktionen?

Zwei Faktoren heben die VAE hervor: Regulierungsbehörden, die massgeschneiderte Regeln entwerfen und einsetzen und eine umfassende Abdeckung entlang der Wertschöpfungskette.

Dubai hat die weltweit erste Regulierungsbehörde geschaffen, die ausschliesslich für virtuelle Vermögenswerte zuständig ist: Die Virtual Assets Regulatory Authority (VARA) wurde 2022 gegründet und ist die erste ihrer Art. Anstatt Krypto in bestehende Wertpapiergesetze hinein zu zwingen, bieten VARAs Regelwerke klare Lizenzkategorien und fördern Innovation bei gleichzeitiger Gewährleistung des Anleger­schutz­es.

Der Abu Dhabi Global Market (ADGM) führte den ersten massgeschneiderten Regulierungsrahmen für digitale Vermögenswerte in der Region ein. Die dortige Financial Services Regulatory Authority (FSRA) war zudem global die erste Behörde, die multilaterale Handelsplattformen für virtuelle Vermögenswerte beaufsichtigte. 

Doch dies ist noch nicht alles. 

Sondern?

Auf der Staatsebene veröffentlichte die Zentralbank der VAE die Payment Token Services Regulation, gültig seit August 2024. Diese schreibt vor, dass Händler ausserhalb der Freizonen nur lizenzierte Zahlungstoken, die auf die lokale Währung Dirham lauten, akzeptieren dürfen, und beschränkt die Ausgabe von Stablecoins auf lizenzierte Anbieter. Das FiatReferenced-Token-(FRT)-Regime des ADGM ergänzt dies, indem es die Ausgabe fiat-besicherter Stablecoins erlaubt.

«Es ergibt sich ein Umfeld, das nur wenige Jurisdiktionen bieten können.»

Das Ergebnis ist eine Auswahl an regulatorischen «Homebases»: VARA in Dubai, ADGM in Abu Dhabi, das Dubai International Financial Centre (DIFC) mit einem eigenen Krypto-Regime unter der Dubai Financial Services Authority (DFSA), die Zentralbank für Zahlungstoken sowie die Securities and Commodities Authority (SCA) für Sicherheitstoken und Nicht-Freizonen-Aktivitäten.

Im Jahr 2025 gingen diese Rahmenwerke von Pilotprojekten in den operativen Betrieb über: VARA aktivierte Regelwerke zur Emission fiat- und vermögensbesicherter Token (FRVA/ARVA); die SCA formalisierte die Klassifikation digitaler Wertpapiere; die Zentralbank implementierte ein Live-System für Zahlungstoken in Dirham; Und Dubais Land Department (DLD) begann mit der Registrierung tokenisierter Immobilientransaktionen «on-chain».

Zusammengenommen ergibt sich ein ganzheitliches Umfeld, das nur wenige Jurisdiktionen bieten können.

Gibt es spezifische Regelungen für Tokenisierung, Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und Dezentralisierte Autonome Organisationen (DAOs)?

Ja. Die VAE haben gezielte Rahmenwerke für verschiedene Tokenisierungsmodelle und dezentrale Governance-Strukturen entwickelt:

  • Stablecoins und vermögensreferenzierte Token: Das Emissionsregelwerk von VARA für FRVA und ARVA verlangt 100 Prozent Reservedeckung, detaillierte Whitepaper, Mindestkapitalanforderungen und laufende Berichterstattung. Die «Payment Token Services Regulation» der Notenbank fordert vollständige Besicherung und Echtzeit-Einlösbarkeit für dirhamgestützte Zahlungstoken. ADGMs FRT-Regime erlaubt nur fiatgestützte Token und verbietet algorithmische Stablecoins.
  • Sicherheits- und Warentoken: Das Klassifikationssystem der SCA für digitale Wertpapiere (Resolution 15/2025) unterscheidet zwischen Sicherheits-, Rohstoff- und Utility-Token. Emittenten müssen Prospekte im Stile eines Börsengangs erstellen, ihre Token an von der SCA genehmigten Börsen listen und strenge Offenlegungs-, Anlegerverifizierungs- und Marktmissbrauchsregeln einhalten.
  • Immobilien-Tokenisierung: DLD und DIFC ermöglichen tokenisierte Immobilienverkäufe mit On-Chain-Titelregistrierung. Investoren führen Due-Diligence durch, durchlaufen KYC/AML über DIFC-zugelassene Anbieter, erwerben Token über VARA-lizenzierte Plattformen und registrieren den Eigentumserwerb automatisch beim DLD. Das Regelwerk integriert ausländische Eigentumsrechte und Scharia-konforme Strukturen.
  • DLT-Stiftungen und DAOs: ADGMs «DLT Foundations Framework», eingeführt 2023 und erweitert 2025, stellt international erstmals eine rechtliche Hülle für Blockchain-Stiftungen, DAOs und Web3-Entitäten bereit. Verankert im britischen Gewohnheitsrechts (Common Law), ermöglicht es Governance durch Token-Voting und Smart Contracts, verzichtet auf physische Präsenz und verleiht juristische Eigenständigkeit. Damit können Projekte schnell gegründet, Utility-Token ausgegeben und Vermögenswerte vor ausländischen Ansprüchen geschützt werden. Dies ist ein führendes Modell für dezentrale Strukturen.

Dank dieser umfassenden Regelwerke – von Zahlungstoken über Stablecoins und Sicherheitstoken bis zu Immobilien-Token und DAOs – können Unternehmen ein passgenaues regulatorisches Umfeld wählen. Das erklärt auch, warum die VAE weiterhin Web3-Unternehmen und Investoren aus aller Welt anziehen.

Welche Vorteile bietet das ADGM für Blockchain-Unternehmen?

ADGM bietet Rechtssicherheit durch das britische Gewohnheitsrecht, unabhängige Gerichte und einen ausgereiften regulatorischen Rahmen. Es führte als erstes in der Region ein massgeschneidertes Regime für digitale Vermögenswerte ein und ist nach wie vor die einzige Jurisdiktion weltweit, in der eine Behörde multilaterale Handelsplattformen für virtuelle Assets beaufsichtigt. Im Juni 2025 passte die FSRA ihr Regelwerk an, um die Zulassung virtueller Assets zu vereinfachen, Kapitalanforderungen zu verbessern und Interventionsbefugnisse zu erhalten. Dabei wurden auch Privacy-Coins und algorithmische Stablecoins im ADGM verboten sowie die zulässigen Investments von VC-Fonds erweitert.

Die Regeln zu Fiat Reference Tokens erlauben die Emission fiatbesicherter Token und verlangen vollständige Besicherung und Echtzeitbewertung. Das «DLT Foundations»-Regime – weltweit einzigartig – bietet eine robuste rechtliche Struktur basierend auf englischem Common Law und ermöglicht innovative Governance über Token-Voting und Smart Contracts ohne physische Präsenz. In Kombination mit einem modernen Schiedsgericht und einem flexiblen Geschäftsumfeld macht dies ADGM zu einem attraktiven Hub für globale Digital-Asset-Unternehmen.

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf bei VARA, ADGM und DIFC?

Eine Herausforderung ist die Fragmentierung. Unternehmen müssen sich weiterhin zwischen dem «Onshore»-Dubai und dem DIFC entscheiden, da es kein «Passporting»-System gibt. Viele Betreiber holen daher mehrere Lizenzen ein. Überschneidende Zuständigkeiten von SCA, Zentralbank, VARA und ADGM führen zu doppelter Compliance. Die «Payment Token Services Regulation» gilt nur für die VAE-Jurisdiktion und nicht für Freizonen, während ADGM und DIFC eigene Regime mit unterschiedlichen Kapitalanforderungen haben.

Es gibt jedoch Anzeichen für eine Annäherung: Im August 2025 kündigten SCA und VARA eine strategische Partnerschaft zur Vereinheitlichung der Regulierungsrahmen an. Ziel ist die gegenseitige Anerkennung von Virtual-Asset-Lizenzen und ein gemeinsamer Registrierungsmechanismus für VASPs (Virtual Asset Service Providers). Die Kooperation umfasst gemeinsame Aufsicht, Informationsaustausch und den Abbau regulatorischer Doppelungen. Ein Koordinierungsausschuss unter Vorsitz der SCA soll Rechtsvorschriften prüfen und harmonisierte Initiativen vorschlagen – mit dem Ziel eines einheitlichen Registers für virtuelle Vermögenswerte in den VAE. Parallel dazu überarbeitete das ADGM im Juni 2025 sein Digital-Asset-Regelwerk.

Das regulatorische Umfeld ist international fragmentiert. Sehen Sie Chancen für Harmonisierung?

Eine vollständige Harmonisierung ist unwahrscheinlich, regionale Annäherungen finden jedoch statt. ADGMs FSRA baut aktiv Beziehungen zu ausländischen Regulierungsbehörden über multilaterale und bilaterale MoUs auf. VARAs Fokus liegt stärker auf der Zusammenarbeit mit der föderalen SCA und der Mitarbeit in internationalen Gremien wie der FATF.

«International entwickeln sich parallele Standards mit den VAE als zentralem Akteur im Nahen Osten.»

Die Payment-Token-Services-Regulation schafft einen föderalen Standard für Stablecoins und könnte als Vorbild für andere Golfstaaten dienen. Projekte wie Project Aber (ein digitales Währungsprojekt zwischen VAE und Saudi-Arabien) zeigen die wachsende grenzüberschreitende Zusammenarbeit im GCC. Die SCA-VARA-Partnerschaft vom August 2025, mit einem gemeinsamen VASP-Register und gegenseitiger Lizenzanerkennung, deutet auf eine Harmonisierung innerhalb der VAE hin.

International entwickeln sich parallele Standards – etwa mit der EU-Verordnung MiCA oder dem US-amerikanischen GENIUS Act. Es ist mit regionalen Regulierungsbündeln zu rechnen – mit den VAE als zentralem Akteur im Mittleren Osten.

Warum vermeiden viele Banken in den VAE den Handel mit Kryptowährungen?

Risiken und Korrespondenzbanken sind die Hauptgründe. Die AML-/CTF-Richtlinien der Zentralbank in Abu Dhabi aus dem Jahr 2023 setzen hohe Anforderungen an Due Diligence bei Krypto-Transaktionen, was die Compliance-Kosten erhöht. Laut «Payment Token Services Regulation» dürfen Banken keine Zahlungstoken selbst ausgeben, sondern müssen dafür lizenzierte Tochterfirmen gründen, Kapitalanforderungen erfüllen und Berichtspflichten einhalten.

Da viele lokale Geldhäuser auf Korrespondenzbanken in den USA und Europa angewiesen sind, die Krypto kritisch sehen, vermeiden sie direkten Handel. Solange sich internationale Clearingbanken und Regulierer nicht öffnen, bleiben Finanzinstitute in den VAE zurückhaltend.

Welche Krypto-Assets sind am besten reguliert und somit am sichersten: Bitcoin, Ethereum, Stablecoins oder Altcoins?

Bitcoin und Ethereum bieten die grösste regulatorische Sicherheit, da sie in den meisten Ländern als Rohstoffe oder Nicht-Wertpapiere gelten. Die «Payment Token Services Regulation» definiert Dirham-Zahlungstoken und verlangt vollständige Besicherung, Lizenzierung und Einlösbarkeit.

«Die Schweiz gilt als Vorbild für klare und unternehmensfreundliche Regulierung.»

Das ADGM erlaubt nur fiatgestützte Stablecoins, keine algorithmischen. VARAs Emissionsregelwerke für FRVA und ARVA verlangen 100 Prozent  Deckung, umfangreiche Offenlegung und laufende Berichte. Stablecoins unter diesen Regimen gelten daher als relativ sicher. Altcoins hingegen variieren stark – einige gelten als Wertpapiere, andere als Utility-Token oder sind nicht-reguliert. Der rechtliche Status hängt von der Jurisdiktion ab.

Welches Rechtssystem ist besser für Web3 geeignet: französisches Zivilrecht oder britisches Common Law?

Common Law eignet sich besser für schnelllebige Technologien, da Richter auf Präzedenzfälle zurückgreifen können, ohne auf neue Gesetze warten zu müssen. Deshalb setzen ADGM und DIFC auf englisches Common Law. Zivilrechtssysteme wie Frankreich bieten zwar mehr Vorhersehbarkeit, sind aber weniger flexibel. Eine Hybridlösung aus zivilrechtlicher Klarheit und common-law-basiertem Anpassungsspielraum wäre ideal für Web3-Geschäfte.

Wie beurteilen Sie die Regulierung in der Schweiz im Hinblick auf Kryptowährungen und Web 3?

Die Schweiz gilt als Vorbild für klare und unternehmensfreundliche Regulierung. Das DLT-Gesetz klassifiziert Token als Zahlungs-, Utility- oder Anlage-Token und integriert sie in bestehendes Recht – was institutionelle Akteure anzieht. Zwar fehlen noch konkrete Regelungen zu DAOs, doch die Eidgenossenschaft zählt zu den vorhersehbarsten Jurisdiktionen und ist eine der Top-Adressen für Krypto-Unternehmen.

Vor zwei Jahren klagte das US-Justizministerium mehrere Krypto-Anbieter an. Ist das rechtliche Risiko in den USA weiterhin hoch oder hat sich das Klima verbessert?

Die USA sind nach wie vor der grösste Markt, aber auch ein Hochrisikogebiet. Die SEC und das Justizministerium gehen weiterhin aggressiv gegen Anbieter vor – insbesondere in Bezug auf Token-Klassifizierungen und Stablecoins. Der im Juli 2025 verabschiedete «Genius Act» schafft zwar einen föderalen Rahmen für bestimmte Stablecoins und der Kongress strebt mehr Klarheit an – das rechtliche Umfeld bleibt jedoch unberechenbar. Unternehmen sollten mit Durchsetzungsmassnahmen rechnen und lokalen Rechtsbeistand einholen.

Wo sehen Sie die Krypto-Regulierung in fünf Jahren?

Bis 2030 werden globale AML-Standards, klare Stablecoin-Regeln, formalisierte Regime für tokenisierte reale Vermögenswerte und weit verbreitete digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) erwartet – inklusive des digitalen Dirham in den VAE. Jurisdiktionen wie die VAE und die Schweiz, die Compliance als strategischen Vorteil begreifen, werden weiterhin Talente und Kapital anziehen. Rückständige Länder werden den Anschluss verlieren. Das vielschichtige Regulierungssystem der VAE und ihre innovationsfreundliche Haltung bieten ein Modell, das weltweit genau beobachtet wird.


Georgette Adonis ist Juristin mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Gründerin sowie geschäftsführende Partnerin der Adonis Advisory Group, einer Boutique-Beratung für Rechts- und Regulierungsfragen.

Ihre Fachgebiete umfassen digitale Vermögenswerte / Web3, Fintech, regulatorische Compliance, Gesellschafts- und Finanzrecht, Strukturierung von Privatvermögen sowie Investitionsmigration.