Drei Monate nach dem Tod des Patriarchen Joseph Safra zeigt sich die von dessen Familie kontrollierte Bank J. Safra Sarasin kerngesund. Verwaltungsratspräsident Jürg Haller spricht mit finews.ch über Akquisitionen und Rekrutierungen.


Herr Haller, was hat sich innerhalb der Bank geändert seit dem Tod von Joseph Safra?

Es hat sich nichts geändert, was das operative Geschäft und die Kundenbeziehungen betrifft. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie Joseph Safra die Vorbereitungen für sein mögliches Ableben getroffen hat. Der Schlüssel war – neben der Besitzstruktur, welche der Familie alle strategische Entscheidungsmacht lässt – die Vorbereitung für die nächste Generation. Das internationale Geschäft leitet Jacob Safra, der auch Chairman der J. Safra Sarasin Gruppe ist.

J. Safra Sarasin ist als Privatbank äusserst diskret, sogar im Vergleich zu anderen Schweizer Privatbanken. Wird sich mit der Übergabe an die nächste Generation daran etwas ändern?

Wir sind die grösste Privatbank der Welt, die ganz in Familienbesitz ist. Wir führen einen sehr aktiven Dialog mit unseren Kunden, mit unseren Angestellten und natürlich mit unseren Aktionären. Aber diese Dialoge sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Die Bank wächst. Wie schwierig ist die Rekrutierung neuer Leute während dieser Pandemie – bleiben die talentierten Berater und Teams zurzeit nicht lieber auf ihren Jobs sitzen?

Für Kundenberater ist die Frage «kann ich meine Kunden mit transferieren, wenn ich den Arbeitgeber wechsle» sicherlich bedeutender geworden als vor der Corona-Pandemie.

«Es bedeutet, für das eigene Handeln gerade zu stehen»

Dennoch wäre es falsch zu sagen, dass sich der Arbeitsmarkt gar nicht bewegt.

J. Safra Sarasin möchte unternehmerisch denkende Private Banker anstellen. Was ist damit gemeint?

Wir erwarten, dass unsere Angestellten volle Verantwortung dafür zu übernehmen, was sie hier umsetzen wollen. Wir haben klar messbare Parameter aufgestellt, die ein gewisses Mass an Flexibilität erlauben. Unternehmerisch zu handeln bedeutet jedenfalls nicht, mehr Risiken nehmen zu müssen. Es bedeutet in erster Linie, für das eigene Handeln gerade zu stehen.

Worin liegt der Reiz für Private Banker, gerade bei Ihnen zu arbeiten?

Als ich zur Bank kam, war ich wirklich beeindruckt von der Art und Weise, wie die Interviews mit Jobkandidaten geführt werden. Das heisst nicht, dass jeder auch Erfolg hat, der von uns angestellt wird. Aber wir sind sehr konsistent darin und legen sehr viel Wert darauf, dass die Leute unsere Kultur als Bank verstehen, die Werte und die Prinzipien, und wie wir diese führen.

Hilft die Pandemie J. Safra Sarasin, sich weiter als Konsolidiererin zu betätigen, etwa, dass kleinere Privatbanken einen Exit suchen?

Wir beobachten eher das Gegenteil. Einerseits sind alle damit beschäftigt, nur schon die täglichen Herausforderungen zu meistern.

«Die Familie erhält auch dieses Jahr keine Dividende»

Und zweitens scheint es, wenn Sie die gegenwärtige Profitabilität in der Branche anschauen, dass manche Institute eine Gnadenfrist erhalten haben.

Was ist mit den laufenden Rechtsfällen, dem Korruptionsfall Lava Jato in Brasilien beispielsweise?

Da es sich um eine juristische Auseinandersetzung handelt, kann ich sie nicht kommentieren.

In den USA wird intensiv im venezolanischen PDVSA-Korruptionsfall ermittelt. Ist J. Safra Sarasin davon betroffen?

Die Bank ist von diesen Untersuchungen nicht betroffen.

Welcher Anteil des erzielten Jahresgewinnes von 441 Millionen Franken geht an die Familie Safra als Dividende?

Wie letztes Jahr auch zahlen wir auch jetzt keine Dividende.

Also wird der Gewinn reinvestiert?

Grundsätzlich verfügen wir bereits über genügend Kapital, um auch grössere Expansionsschritte finanzieren zu können. Die Gruppe verfügt aus regulatorischer Sicht über signifikantes Überschusskapital. Einen Teil davon haben wir bereits für frühere Akquisitionen eingesetzt.

«Natürlich sind uns hier Grenzen gesetzt»

Doch verfügen wir weiterhin über eine sehr solide Basis, um mögliche Opportunitäten zu nutzen. Letztlich obliegt die Entscheidung jedoch der Familie.

Ist es klug, so viel Cash zu halten, wenn in der Schweiz Negativzinsen erhoben werden?

Es ist bekannt, dass wir über 8 Milliarden Franken bei der Schweizerischen Nationalbank hinterlegt haben. Wir versuchen, dieses Kapital so wirkungsvoll zu nutzen, wie es in diesem Umfeld möglich ist. Aber natürlich sind uns hier auch Grenzen gesetzt.

Sie werden hier wohl kaum die nächste Akquisition ankündigen. Aber können Sie die Prioritäten von J. Safra Sarasin in diesem Jahr benennen?

Wir wollen unser Nachhaltigkeits-Engagement weiter verstärken, da dieses zum Kern unserer Aktivitäten gehört. Die Ausführung dieser Initiativen wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Dasselbe gilt bezüglich Investitionen in die Technologie: Wir werden uns weiterhin auf die Bereiche konzentrieren, die aus Kundenperspektive einen echten Mehrwert bieten und auf Bereiche, welche die Bank produktiver und effizienter machen.


Jürg Haller war zuletzt bei der UBS als Vice Chairman für wichtige Kundenbeziehungen zuständig gewesen. Von 2006 bis 2008 war Haller Chairman der UBS Lateinamerika und Chef der UBS Pactual. Diese musste die UBS im Zuge der Finanzkrise wieder verkaufen. Der 62-jährige Haller begann seine Karriere als Lehrling im Jahr 1973. Im vergangenen Oktober wurde er Verwaltungsratspräsident von J. Safra Sarasin.

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