Anfang Jahr hat Olivier de Perregaux die Leitung von LGT Private Banking von Prinz Max von Liechtenstein übernommen. Was sind seine Prioritäten und Erwartungen in einer nach wie vor durch Covid-19 beeinträchtigten Umwelt?


Herr de Perregaux, Sie sind seit dem 1. Januar 2021 CEO von LGT Private Banking. Die Gruppe stellt sich aktuell neu auf: Private Banking, Asset Management und Impact Investing werden künftig als eigenständige Unternehmen auftreten. Was ändert sich dadurch?

Die drei eigenständigen Unternehmen haben durch die neue Struktur mehr Autonomie und Agilität. Als LGT Private Banking können wir uns noch stärker auf das Privatkundengeschäft fokussieren, während sich unsere Kollegen von LGT Capital Partners auf das Asset Management für institutionelle Kunden und die Kollegen von Lightrock auf das Impact Investing konzentrieren.

Damit können wir noch gezielter auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden in den jeweiligen Zielmärkten eingehen. Das langjährige Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen den drei Unternehmen bleibt aber unverändert bestehen.

Wie haben Sie das von Corona geprägte Jahr erlebt?

Es war ein Wechselbad der Gefühle – sowohl aus Sicht der Kunden als auch im Innenverhältnis aus Sicht der Mitarbeitenden. Wir wussten zu Beginn der Pandemie nicht, welche Folgen sie haben wird. Heute können wir sagen, dass sich das Homeoffice gut etabliert hat und wir ausser einer kleinen Delle im Frühling ein gutes Jahr hatten.

«Wir hoffen natürlich auch, dass bald wieder normalere Zeiten kommen»

Dabei hat uns sicher die Entwicklung an den Finanzmärkten geholfen. Wir waren aber auch im Kerngeschäft sehr erfreulich unterwegs und konnten gerade beim Netto-Neugeld im zweiten Halbjahr kräftig zulegen. Teilweise konnten wir unsere Kundenbeziehungen dank der technischen Möglichkeiten sogar vertiefen. Wir hoffen aber natürlich auch, dass bald wieder normalere Zeiten kommen.

Wie lange werden die Auswirkungen der Pandemie spürbar sein?

Der weitere Verlauf der Covid-19-Pandemie ist immer noch unklar, und es ist weiterhin schwer abzuschätzen, welche kurz-, mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Folgen sie haben wird. Die Staatsverschuldung hat durch die massiven Unterstützungspakete nochmals zugenommen. Es ist deshalb heute wichtiger denn je, vorsichtig und langfristig zu agieren.

Wird es unter Ihrer Führung Anpassungen an der Strategie geben?

Wir haben die Weichen für unsere Wachstumsstrategie schon vor zwei Jahrzehnten gestellt. Die Überlegungen, die damals gemacht wurden, haben zu einem grossen Teil auch heute noch ihre Gültigkeit. Die Internationalisierung hat funktioniert, und wir sind heute geographisch hervorragend aufgestellt.

«Wir wollen auf diesem Gebiet unsere Führungsposition weiter ausbauen»

In den nächsten Jahren wird es darum gehen, unsere Plattformen noch besser auszulasten und gezielt zu ergänzen. Auf der Produkteseite werden wir den Ausbau unserer Palette von nachhaltigen Anlagelösungen noch stärker forcieren. Wir wollen auf diesem Gebiet unsere Führungsposition weiter ausbauen.

Wo möchten Sie Schwerpunkte setzen?

Die Schwerpunkte bleiben die gleichen, aber wir werden sicher versuchen, den einen oder anderen Akzent zu setzen. Ich sehe beispielsweise noch Potenzial im Bereich der Digitalisierung: Das Thema ist keine rein technologische Herausforderung, die es auf IT-Ebene zu lösen gilt. Vielmehr stellen wir uns die Frage, wie es unseren Kunden und uns helfen kann, noch besser zusammenzuarbeiten.

«Die Marktreife der auf der Blockchain-Technologie beruhenden Applikationen ist noch zu wenig gegeben»

Im Zentrum unseres Geschäftsmodells wird aber auch künftig der persönliche Kontakt stehen – die Technologie wird bestehende Kommunikationswege ergänzen. Ausserdem wird uns die Digitalisierung dabei helfen, unsere internen Prozesse weiter zu vereinheitlichen und zu vereinfachen.

Wenn wir schon von Digitalisierung sprechen: In Sachen Blockchain ist die LGT noch sehr zurückhaltend. Warum?

Mit Ausnahme der Kryptowährungen ist die Marktreife der auf der Blockchain-Technologie beruhenden Applikationen noch zu wenig gegeben. Wir beobachten die Entwicklung aber genau und prüfen ständig neue Anwendungsmöglichkeiten.

Und wie sieht es mit Kryptowährungen aus?

Bei Kryptowährungen ist uns die Rechtssicherheit sehr wichtig. Nun, wo nach Liechtenstein auch entsprechende Regulierungen in anderen Ländern ausgearbeitet werden, beschäftigen wir uns damit, wie wir zukünftig ebenfalls Kryptowährungen verwahren oder Käufe und Verkäufe abwickeln können.

Im Dezember wurde bekannt, dass die LGT das Wealth Management der UBS Österreich übernimmt. Was waren die Gründe für diesen Kauf?

Vielleicht kurz zur Historie: Unsere Präsenz in Österreich ist eine Erfolgsstory. Wir haben 2013 bei Null begonnen und verwalten unterdessen acht Milliarden Euro Vermögen. Mit der Übernahme des Wealth Managements von UBS können wir neben sehr kompetenten und erfahrenen Mitarbeitern nochmals vier Milliarden Euro dazugewinnen.

«Wenn man in neue Märkte einsteigen will, braucht es extrem viel Vorarbeit»

Das Geschäft umfasst fast ausschliesslich in Österreich domizilierte Kunden und passt deshalb bestens zu unserer Strategie. Dank dieser Übernahme werden wir zur führenden Privatbank in Österreich.

Halten Sie die Augen nach weiteren Akquisitionen offen, oder ist der Kaufhunger fürs erste gestillt?

Akquisitionen sind ein wichtiges Element unserer Wachstumsstrategie. Wir sind gut im Markt vernetzt und prüfend laufend Angebote. Wir stehen aber nicht unter Zugzwang. Kultur, Strategie, Qualität und Preis müssen stimmen.

Wo möchte die LGT künftig vorwiegend wachsen? Viele europäische Banken versuchen ihr Glück derzeit vor allem in Asien, wo Sie bereits seit den 1990er-Jahren tätig sind.

Sowohl Europa als auch Asien bleiben für uns interessant. Wir sind im Fernen Osten sehr gut gewachsen und erwarten auch in den kommenden Jahren ein starkes volkswirtschaftliches Wachstum. Als zweitgrösste reine Privatbank in Asien wollen wir hier unsere Marktanteile weiter ausbauen.

Aber auch in Europa und Grossbritannien haben wir weiteres Potenzial. Wir werden immer bekannter, was uns bei der Kundenakquise weiterhilft.

Wäre auch der Einstieg in komplett neue Märkte denkbar?

Ich würde es nicht per se ausschliessen, allerdings muss man hier sehr grosse Sorgfalt walten lassen. Wenn man in neue Märkte einsteigen will, braucht es extrem viel Vorarbeit.

«Wir werden im September ein grosses Volksfest organisieren – sofern es die Situation zulässt»

Dass wir das können, haben wir ja aber mit LGT Vestra und dem Einstieg in den britischen Markt gezeigt.

In diesem Jahr feiert die Bank ihren 100. Geburtstag. Was haben Sie geplant?

Richtig, die Bank in Liechtenstein nahm im Mai 1921 die Geschäftstätigkeit auf. Um dieses besondere Jubiläum zu feiern, werden wir im September ein grosses Volksfest organisieren – sofern es die Situation zulässt. Dabei werden wir sowohl in Vaduz als auch in Bendern Live-Konzerte und weitere Aktivitäten für Gross und Klein anbieten.


Olivier de Perregaux hat nach seinen Studien seine ersten beruflichen Erfahrungen bei einer Unternehmens- und Strategieberatung in Zürich und New York gesammelt, bevor er 1999 als Chief Financial Officer zur LGT Gruppe wechselte. Seit dem 1. Januar 2021 hat der Schweizer die Funktion des CEO LGT Private Banking von Prinz Max von Liechtenstein übernommen.