Die Liste der Firmen, die Russland den Rücken kehren, wird täglich länger. Doch die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sind weiterhin vor Ort – und in einem unangenehmen Sandwich zwischen westlichem Boykott und russischen Gegenmassnahmen.

Der Webseite der UBS zufolge ist die Filiale an der Paveletskaya Ploshchad in Moskau weiterhin und zu normalen Bürozeiten geöffnet. Gegen 50 Angestellte sind in Russland für die grösste Schweizer Bank tätig, deren Niederlassung vor Ort unter dem Namen OOO UBS auch mit einer russischen Banklizenz ausgestattet ist.

Laut dem kürzlich publizierten Geschäftsbericht der Schweizer Bankenkonzerns verwaltete die Russland-Tochter Ende 2021 Netto-Vermögenswerte von 51 Millionen Dollar.

In einer speziellen Situation

Auf Anfrage mochte die UBS die Situation vor Ort nicht kommentieren. Doch es ist davon auszugehen, dass das dortige Team nur noch wenig Handlungs-Spielraum hat. Im Gegensatz zu vielen anderen internationalen Konzernen hält das Institut in Russland jedoch die Stellung, wobei die Position der Banken insgesamt eine besondere ist: Sie sind wie etwa die Wirtschaftsprüfer und IT-Dienstleister an vertragliche Leistungen gebunden, zudem unterstehen sie dem russischen Regulator.

Ohne dessen Plazet dürfte ein Rückzug gar nicht möglich sein. Die UBS hat bei Ausbruch des Ukraine-Kriegs betont, dass sie sich an alle für sie geltenden Sanktionen und Gesetze hält – als auch an die russischen.

Drohende Verstaatlichung

Dasselbe gilt für die Niederlassung der Credit Suisse (CS) in Moskau, die dem Vernehmen gegen 100 Personen beschäftigt – Berater für reiche Privatkunden, Investmentbanker sowie den rückwärtigen Dienst.

Auch die zweite Schweizer Grossbank will sich zum Onshore-Geschäft nicht äussern. Offiziell heisst es knapp, die CS beachte bei der Betreuung ihrer Kunden alle geltenden Gesetze und Vorschriften, einschliesslich allfälliger Sanktionen der zuständigen Behörden. Das Institut hat sich in Russland seit dem Ende der Sowjetunion stark engagiert und blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Medienberichten zufolge unterhielt zumindest ein sanktionierter Oligarch Konten beim Schweizer Geldhaus.

Franzosen mit höchstem Exposure am Markt

Bezüglich allfälliger russischer «Gegensanktionen» müssen sich auch die Schweizer Häuser mit dem Szenario beschäftigen, das die Société Générale (SocGen) aufs Tapet gebracht hat. So fürchtet man bei der französischen Grossbank, dass dem Institut die Eigentumsrechte an den russischen Tochterfirmen entzogen werden, wie unter anderem das deutsche «Handelsblatt» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete.

SocGen ist unter anderem Mehrheitseignerin der russischen Rosbank und zählt zu den Banken mit dem höchsten «Exposure» gegenüber diesem Markt.

Boykott-Druck wächst

Noch viel mehr Druck kommt jedoch aus dem Westen. Die Liste der Unternehmen, die ihr Russland-Geschäft angesichts des Krieges in der Ukraine aussetzen, wird fast täglich länger. Unter den Retail-Firmen haben Ikea, H&M oder die spanische Inditex mit ihrer Kette Zara für die grössten Schlagzeilen gesorgt. Nun sind nach einigem Zögern auch grosse US-Firmen wie McDonalds, KFC oder die Getränke-Konzerne Coca-Cola und Pepsi ins Boykott-Lager gewechselt.

Demgegenüber verteidigte etwa der Besitzer der japanischen Uniqlo-Marke, Tadashi Yanai, die Fortführung der Aktivitäten mit den rund 50 Bekleidungsläden. «Die Menschen in Russland haben das Recht genauso zu leben wie wir», wird er etwa bei «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) zitiert. Damit stellt sich das in der Schweiz vor allem als Sponsor von Roger Federer bekannte Unternehmen gegen Rufe nach einem Russland-Boycott.

Luxusuhren-Hersteller liefern nicht mehr

Ähnlich argumentieren Konsumgüter- und Lebensmittelkonzerne wie Unilever, Procter&Gamble, Mondolez – aber auch die Schweizer Nestlé, wenn es um die Frage der Aktivitäten in Russland geht. Man trage zur Grundversorgung der Russinnen und Russen mit lebenswichtigen Produkten bei, hiess es aus der Unternehmenszentrale in Vevey. Auch der Kilchberger Schokoladehersteller Lindt & Sprüngli will das Angebot seiner acht Läden in Russland aufrechterhalten.

Uhren, Autos oder Computer und Handys werden von ihren Anbietern offensichtlich als nicht lebensnotwendig erachtet. Neben Ikea gehörten Firmen aus der Automobil- und Elektronikindustrie zu den ersten, die den Verkauf in Russland ausgesetzt haben. Auch die Schweizer Uhrenfirmen Swatch und Breitling haben die Lieferungen eingestellt.

Spaltpilze bei den Wirtschaftsprüfern

Zuletzt hatten sogar die grossen Beratungs- und Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen KMPG, PricewaterhouseCoopers (PwC) und EY ihre Verbindungen nach Russland gekappt und die russische Mitglieds-Unternehmen aus ihren globalen Verbünden ausgeschlossen.

«Als Folge der Invasion der russischen Regierung in die Ukraine haben wir entscheiden, dass PwC unter diesen Umständen keine Mitgliedsfirma in Russland haben sollte», hiess es in einer Erklärung. Zu den PwC-Kunden in Russland gehörten bisher unter anderem die Sberbank oder der Ölkonzern Gazprom.

Die bisherigen Mitgliedsfirmen in Russland und Belarus, würden unter einem neuen Namen weiterhin für lokale Kunden arbeiten können, schrieb die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig).

Als nächstes ein Brain-drain?

Den russischen Konsumentinnen und Konsumenten dürfte beim Gang durch die Einkaufsstrassen ihrer Städte durch die «Geschlossen»-Schilder die internationale Isolation ihres Landes deutlich werden. Ob das auch innenpolitisch für Druck auf die Führung des Landes sorgen kann, wird sich weisen.

Inzwischen gibt es immer mehr Berichte darüber, dass viele junge und gut ausgebildete Russinnen und Russen ihrer Heimat den Rücken kehren. Die wachsende Isolation lässt offenbar den Glauben daran schwinden, in Russland eine Zukunft aufbauen zu können.

Das reimt sich sinnigerweise auf die Entstehung des Begriffs Boykott: 1880 erfuhr der englische Gutsverwalter Captain Charles Cunningham Boycott eine solche Ausgrenzung vonseiten mit seiner irischen Pächter. Damals unterlag Boycott – und verliess am Ende Irland.


Mitarbeit: York Runne und Samuel Gerber

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.53%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.89%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.58%
pixel