Der Fahrplan für die Swift-Sanktionen steht. Doch ihre Auswirkungen sind unberechenbar – besonders für die prestigeträchtigen Swiss-Banking-Dependancen in Russland.

Hinter dem Titel «Verordnung (EU) 2022/345 des Rates vom 1. März 2022» ist schwerlich ein Dokument von historischer Tragweite zu vermuten. Doch genau darum handelt es sich. Wie auch finews.ch berichtete, hat die EU am (gestrigen) Mittwoch entschieden, sieben russische Banken ab dem 12. März 2022 vom internationalen Finanzdaten-Kommunikationsdienst Swift auszuschliessen.

Der Schritt galt bis dahin als «nukleare Option» bei den Sanktionen gegen Russland und war auch innerhalb der EU höchst umstritten.

Enorme Reichtümer

Wohl auch angesichts der Unberechenbarkeit der Auswirkungen hat sich Brüssel eine zehntätige Übergangsfrist bis zur vollen Wirkungskraft ausbedungen. Ausserdem sind Institute wie Sberbank oder Gazprombank von der Massnahme ausgenommen; Beobachter messen den Instituten im Rohstoffhandel eine wichtige Rolle zu. Als direkte Folge der bisherigen Russland-Sanktionen musste allerdings die Europa-Tochter der Sberbank nun ihre Bilanz deponieren.

Eine Insolvenz könnte auch den Niederlassungen von Schweizer Banken in Russland drohen, warnt ein Experte gegenüber finews.ch. Angesichts der enormen Reichtümer, welche russische Unternehmer seit dem Fall der Sowjetunion angehäuft hatten, sind hiesige Akteure insbesondere im Private Banking «Onshore» gegangen. Als präferierte Destination dafür galt insbesondere Moskau.

Im Jahr 2020 formulierte etwa die Grossbank UBS das Ziel, innert fünf Jahren die verwalteten Vermögen im osteuropäischen Markt zu verdoppeln. Auf diese Wegmarke eingeschworen wurden damals nicht nur die Offshore-Teams des Instituts in London, Monaco, Singapur und der Schweiz – sondern auch die Kundenberater an der Moskwa.

Wie reagieren die Russen?

Angesichts der beispiellosen Sanktionen gegen Russland und der Sperre von Flugreisen über Europa sitzt jene gegen 50 Köpfe zählende Truppe nun in der russischen Hauptstadt fest. Eine Anfrage von finews.ch dazu wollte das Mutterhaus in Zürich nicht kommentieren.Wie es im Umfeld der Grossbank heisst, kommt die UBS den Sanktionsforderungen global – also auch in Russland – nach. Als Unsicherheitsfaktor gilt, ob die Russen Gegensanktionen gegen ausländische Häuser beschliessen. Bereits gilt ein Verbot für Wertpapierverkäufe ins Ausland.

Die UBS-Banker stehen mit ihrem Schicksal allerdings nicht alleine da; dem Vernehmen nach verfügt auch die Erzrivalin Credit Suisse (CS) über rund 100 Angestellte in Moskau. Dabei handelt es sich sowohl um Private- wie auch Investmentbanker und unterstützende Dienste. Wie es im Umfeld der Bank heisst, werde alles getan, um die Sicherheit der Teams zu gewährleisten.

Schwierige Umsetzung

Offiziell heisst es bei der Grossbank knapp, die CS halte sich bei der Betreuung ihrer Kunden an alle geltenden Gesetze und Vorschriften, einschliesslich allfälliger Sanktionen der zuständigen Behörden. Die Genfer Privatbank Lombard Odier, die ein so genanntes Rep-Office in Moskau führt, erwartet «keine besonderen Auswirkungen» der Ukraine-Krise und der Sanktionen gegen Russland auf die eigenen Aktivitäten. Im Übrigen halte sich die Bank in allen Märkten, in denen sie tätig sei, strikt an alle geltenden Sanktionen und Vorschriften.

Allerdings: Während die Sanktionen gegen Einzelpersonen im Umfeld des Kremls und russische Firmen sich schon in der Umsetzung als trickreich genug erweisen, sind die Swift-Ausschlüssen unberechenbar. Zu diesem Schluss gelangt Andreas Ita, einst ein hochrangiger UBS-Banker, der inzwischen als Mitgründer der Zürcher Firma Orbit36 Banken und Versicherungen unter anderem beim Risiko- und Kapitalmanagement berät.

Orbit36 hat zu den Swift-Sanktionen einen Bericht verfasst; zu finews.ch sagt der Risikospezialist, dass noch zuwenig bedacht werde, dass die von den Swift-Sanktionen betroffenen russischen Institute auch Korrespondenzbanken westlicher Banken seien.

Die Krux mit den Korrespondenzbanken

Die Krux mit den Korrespondenzbanken könnte sich für die Schweizer Aussenposten in Russland als fatal erweisen. «Es ist denkbar, dass Niederlassungen von Schweizer Gross- und Privatbanken in Russland technisch insolvent werden, wenn sie den Zugang zu ihren gruppeninternen Finanzierungsquellen verlieren», erklärt Ita. «Entfällt die Swift-Kommunikation zur Korrespondenzbank, müssen die Transaktionen mühsam auf anderem Weg organisiert werden.» Bei Tausenden Transaktionen pro Tag könne das sehr aufwändig werden.

Doch auch jenseits der russischen Grenzen bergen die Swift-Sanktionen Unwägbarkeiten für das Banking. «Jede Transaktion, die Rubel mit einschliesst, kann von dem Ausschluss betroffen sein – auch wenn das Geschäft rein zwischen westlichen Banken abläuft», mahnt Ita von Orbit36. Für das Cash-Management von Banken berge dies weitere Unsicherheiten. «Man blickt jetzt nur auf den Moment. Aber tangiert sind auch Zahlungen aus Geschäften, die erst in mehreren Monaten fällig werden und möglicherweise nicht termingerecht abgewickelt werden können», gibt der frühere Banker zu bedenken.

Misstrauen am Interbankenmarkt

Krieche die Unsicherheit bis in den Interbanken-Markt, sei dies generell gefährlich. «Wenn ein Institut beim anderen hohe Verluste aus Russland-Exposures vermutet, könnte dies die Liquiditätsversorgung unter den Banken empfindlich treffen.»

Bei jenen Schweizer und Liechtensteiner Häusern, die im Offshore-Geschäft mit reichen Osteuropäern aktiv sind, gibt man sich indessen recht zuversichtlich. «Die Kunden im Wealth Management sind mittelständisch geprägt, und das sind nicht die Menschen, die sich auf Sanktionslisten wiederfinden», heisst es beim Investmenthaus Vontobel auf Anfrage.

Die Genfer Konkurrentin Pictet betont, dass sie kein Personal in Russland habe. Von den Desks in Genf, Zürich und London aus betreue die Bank «weiterhin ihre bestehenden Kunden aus der Ukraine und Russland, natürlich unter Einhaltung aller geltenden Gesetze, Vorschriften oder Sanktionen.»

LGT formiert Spezialeinheit

Die liechtensteinische Fürstenbank LGT hält derweil auf Anfrage fest, dass der «Anteil der Kunden aus Osteuropa vergleichsweise gering» ausfalle. Deshalb seien auch die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen auf der Investment- und Devisenseite gering; LGT werde in Abstimmung mit den jeweiligen Aufsichtsbehörden die relevanten Sanktionen der EU, den USA und der Uno implementieren. Ausserdem habe das Institut ein spezielles Team eingesetzt, das die Entwicklung des Konflikts verfolgt und bei Bedarf weitere Massnahmen initiiert.

Gut möglich, dass mit Blick auf die Swift-Thematik dieser Truppe noch einige Arbeit blüht.


Mitarbeit: Jade Cano, Andreas Britt, York Runne

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