Liechtenstein: Besuch im «Ländle» des Lächelns
«Gut», lautete das Votum der Mehrheit. Als Moderator und SRF-Anchor Reto Lipp das Finance Forum Liechtenstein 2025 mit einer Live-Umfrage eröffnete, beurteilten über 78 Prozent der mehr als 400 Teilnehmenden im Vaduzer Saal den Zustand des heimischen Finanzplatzes als gut, weitere 10 Prozent sogar als ausgezeichnet.
Lediglich 11 Prozent sahen dunklere Wolken am Horizont – angesichts der jüngsten Turbulenzen in den globalen Finanzmärkten ein bemerkenswerter Befund.
Gelassene Offenheit
In anderen Ländern hätte ein solches Resultat wohl eine Diskussion ausgelöst. In Vaduz wirkte es bodenständig. Drei Jahrhunderte Souveränität unter der Regentschaft des Hauses Liechtenstein und eine kulturelle Mischung aus katholischer Gelassenheit und pragmatischer Offenheit verleihen dem Land etwas, das vielen Finanzplätzen fehlt: institutionelle Bodenständigkeit und kollektiven Optimismus.
In diesem Geist hätte eine inoffizielle Auszeichnung als «Ländle der Lächelns» bestens zur Stimmung gepasst.
Einigkeit von Regierung bis Privatbank
Ein Merkmal, das Liechtenstein auszeichnet, ist seine ganz eigene «unité de doctrine»: ein seltener Gleichklang zwischen öffentlicher Hand und Finanzwirtschaft. Dies zeigte sich nicht nur im Ton, sondern auch in der Besetzung des Rednerpults.
Land des Lächelns: Regierungschefin Brigitte Haas. (Bild: zVg)
Eröffnet wurde das Forum, das unter dem Patronat des Ministeriums für Präsidiales und Finanzen steht, von der neuen Regierungschefin und Finanzministerin Brigitte Haas.
Und MiCAR?
Kaum im Amt, mitten im weltweiten Beben rund um Donald Trumps umstrittenen «Liberation Day», machte Haas klar, dass Wirtschaftsdiplomatie in ihrem ersten Amtsmonat oberste Priorität hatte. Sie berichtete von Gesprächen bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington, unter anderem mit Christine Lagarde und Karin Keller-Sutter, und bekräftigte Liechtensteins Bekenntnis zu Offenheit, Stabilität und Kooperation im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Erstaunlich: Das heisse Thema der MiCAR-Lizenz, mit der Liechtenstein als Krypto-Pass in die EU fungieren möchte, blieb unerwähnt – weder Haas noch ein anderer Redner griff es umfangreich auf. Das Thema war allerdings Gegenstand eines separaten, vorangehenden Workshops von Liechtenstein Finance.
Beeindruckende CEO-Dichte
Der Liechtensteiner Corpsgeist zeigte sich auch in der Gästeliste: Anwesend waren fast alle CEOs der acht Liechtensteiner Banken – darunter Gabriel Brenna (LLB), Roland Matt (LGT Bank), Urs Monstein (VP Bank), Edi Wögerer (Bank Frick), Philipp Forster (Bendura Bank) und Roman Pfranger (Neue Bank).
Wie jedes Jahr verlieh Erbprinz Max von und zu Liechtenstein dem Anlass besonderen Glanz. Der Chairman der LGT-Gruppe hielt eine Grundsatzrede und unterstrich dabei die zentrale Rolle des Fürstenhauses im Finanzplatz. Auch wenn er nicht jedes Mal ans Rednerpult tritt – seine Anwesenheit beim Forum ist fast schon Tradition.
Verantwortung als Gemeinschaftsaufgabe
Ein Sektor-übergreifendes Panel brachte die zentralen Pfeiler des Liechtensteiner Finanzplatzes zusammen: Bruno Schranz (LLB Fund Services) für die Fondsbranche, Stefan Wenaweser (Marxer & Partner) für die Treuhänder, Urs Monstein für das Private Banking und Fredy Wolfinger für die zunehmend herausgeforderte Branche der unabhängigen Vermögensverwalter.
Von links nach rechts: Fredy Wolfinger, Stefan Wenaweser, Urs Monstein, Bruno Schranz, Reto Lipp. (Bild: zVg)
Ihre Botschaft: Die unterschiedlichen Sektoren sprechen miteinander und kooperieren. Und obwohl unabhängige Vermögensverwalter auch in Liechtenstein mit Gegenwind kämpfen, überwiegt ein Gefühl gemeinsamer Verantwortung.
Der deutsche Patient
Für einen nachdenklichen Moment sorgte der Ökonom Clemens Fuest. Deutschland, so seine Analyse, stecke in einem Geflecht aus Investitionsstau, demografischem Abschwung und Abhängigkeit von der Autoindustrie. Die Reaktionen im Saal waren eher betroffenes Schweigen als Überraschung.
Doch Fuest sandte auch Signale der Hoffnung aus: Würde Europa die Kapitalmarktbarrieren etwas abbauen, könnte das BIP-Potenzial der Region um über zwei Prozentpunkte steigen. Die überwiegend kapitalmarkt-affinen Gäste nickten. Die europäische Wachstumsschwäche sei kein Schicksal, sondern politische Fehlsteuerung – und damit korrigierbar.
Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts. (Bild: zVg)
Als Prinz Max anschliessend auf die Bühne trat, wurde deutlich, wie stark seine Position ist. In der Schweiz kontrolliert die UBS unter Sergio Ermotti rund 50 Prozent der verwalteten Vermögen – in Liechtenstein liegt der Marktanteil der LGT unter Prinz Max bei über 80 Prozent.
Der Prinz wird deutlich
Mit 367,5 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen dominiert LGT den liechtensteinischen Bankenplatz – inklusive ausländischer Tochtergesellschaften. Das verleiht den Worten von Prinz Max besonderes Gewicht – und er nutzte es gekonnt.
Prinz Max (rechts) mit Moderator Reto Lipp. (Bild: zVg)
Er griff die geopolitischen Themen von Brigitte Haas und Clemens Fuest auf und übte überraschend scharfe Kritik an der US-Politik unter Trump. Europa müsse sich emanzipieren, sagte der Prinz – strategisch, wirtschaftlich und politisch selbstbewusster auftreten.
Technologie mit Augenmass
Dann der Wechsel zu digitalen Themen: Martin Möller, Microsofts Leiter für KI im Finanzsektor EMEA, zeigte auf, wie künstliche Intelligenz Prozesse automatisieren und Beratung individuell zuschneiden kann.
Microsoft-Manager Martin Möller. (Bild: zVg)
Eine Spur zurückhaltender zeigte sich Nikolaus Trzeschan von Mastercard: Technologie, ja – aber nur mit Wachsamkeit. Besonders beim Zahlungsverkehr gelte es, Betrugs- und Geldwäscherisiken nicht zu unterschätzen.
Fokus auf Betrugsrisiken: Nikolaus Trzeschan von Mastercard. (Bild: zVg)
Dystopische Denkanstösse
Die Schlussrede der Schweizer Politphilosophin Katja Gentinetta liess keinen Raum für Illusionen. Sie zeichnete ein düsteres Bild Europas, gefangen zwischen einem ins Autoritäre abdriftenden Amerika und einem aggressiven Russland.
Ihre Warnung: Ein russischer Angriff auf europäischen Boden sei keine Frage des Ob, sondern des Wann. Ihr Appell: Resilienz, Zusammenhalt und entschlossenes Handeln – von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Schärfe ihrer Worte stand in starkem Kontrast zur ansonsten heiteren Grundstimmung des Tages.
Zum Ausklang: Wein, Häppchen – und 439 Milliarden
Zum Schluss hellte sich die Stimmung wieder auf. Bei einem Apéro riche, organisiert von der heimischen Ospelt-Gruppe, wurden Visitenkarten getauscht, Hände geschüttelt – und das Finanzzentrum Liechtenstein kehrte, leicht durchgerüttelt und dezent inspiriert, zurück in seinen Rhythmus.
Dystopische Impulse: Philosophin Gentinetta. (Bild: zVg)
Und unter der Oberfläche sprechen die Zahlen: Die verwalteten Vermögen der liechtensteinischen Banken (inklusive Töchter im Ausland) haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt – von 195 Milliarden Franken im Jahr 2013 auf 439 Milliarden Ende 2023. Zum Vergleich: Die Schweizer Banken legten im gleichen Zeitraum lediglich um 40 Prozent zu, wie Zahlen von Nationalbank und Bankiervereinigung zeigen.
Souveränität mit einem Lächeln
Und die liechtensteinische Fondsbranche? Wuchs von 70 Milliarden Franken im Jahr 2021 auf über 100 Milliarden 2023.
Kein Wunder also, dass die Stimmung gut war. In Liechtenstein ist der Finanzplatz nicht nur ein Wirtschaftssektor. Er ist Teil einer souveränen Tradition – garniert mit einem Lächeln.