Anleger sollten sich nicht zu sehr an ein bestimmtes, von den Notenbanken «künstlich» herbeigeführtes Zinsniveau gewöhnen, findet der Schweizer Finanzprofessor Maurice Pedergnana in seinem Essay für finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


Vor der Finanzkrise gab es eine Zeit, in der man sich im Allgemeinen kaum um Notenbanken kümmerte. Die Sicherung der Preisstabilität als vorrangiges Ziel wurde in ruhigen Sitzungen besprochen und mit wenig spektakulären Massnahmen umgesetzt. Bei der Ableitung der Geldmengen-Ziele ging man von einem jährlichen Preisanstieg von mehr oder weniger zwei Prozent aus.

Mittlerweile sind die Vorsitzenden von Zentralbanken wie Janet Yellen (US-Notenbank, Federal Reserve, Fed), Mario Draghi (Europäischen Zentralbank, EZB) und Thomas Jordan (Schweizerische Nationalbank, SNB) bekannt wie Popstars.

Nicht nur ihre Referate, sondern ihre ganze Mimik oder auch einzelne Wörter wie «geduldig» und «temporär» werden genau verfolgt, um eine Veränderung festzustellen. Die Protokolle aus den Sitzungen, mittlerweile von vielen Zentralbanken veröffentlicht, werden von hunderten Analysten und Marktstrategen auf kleinste Hinweise hin geprüft und interpretiert.

«Das hätte massive Verschiebungen in der Bewertung von Währungen zur Folge»

Im Sog der Finanzkrise wurde die Geldpolitik massiv gelockert, um die Wirtschaft zu stabilisieren und die Vermögenswerte zu bewahren. In China war die Lockerung stärker als in den USA, in Europa und Japan. Massiv war sie aber allerorts, auch in der Schweiz.

Im zeitlichen und instrumentellen Vorgehen waren Unterschiede erkennbar, die jetzt verzögert dazu führen, dass man rückblickend den Erfolg der jeweiligen Massnahmen zu unterscheiden vermag. So hat die Fed jedenfalls eine grössere Finanzkrise in den USA durch ihr resolutes Vorgehen verhindert und eine Rückführung der Wirtschaft an ihr Wachstumspotenzial ermöglicht.

Nun scheint in den USA der Moment gekommen zu sein, da nach dem zögerlichen Zinsschritt vom Dezember 2015 weitere folgen könnten. Das hätte zweifelsohne massive Verschiebungen in der Bewertung von Währungen und Anlageklassen zur Folge.

«In den USA sind weitere Zinserhöhungen eine beschlossene Sache»

Höhere Zinsen beeinflussen beispielsweise die Anleihen. Je länger die Laufzeit, desto grösser wird der Kursverlust sein. Schon heute frage ich mich, wie zahlreiche Anleihefonds die Managementkosten rechtfertigen wollen – bei einer Aussicht auf garantierte Wertvernichtung.

Höhere Zinsen prägen ebenso die Immobilienwerte. Auch hier dürfte der von einer expansiven Geldpolitik erzeugten Immobilienblase die Luft ausgehen. Der entsprechende UBS-Index zeigt auch in der Schweiz an, dass er in der Risikozone angelangt ist – wo er historisch betrachtet nie lange verblieb...

Höhere Zinsen steigern überdies die Finanzierungskosten in der Unternehmenslandschaft. Bei einem stabilen Bruttoertrag führt dies zu einem sinkenden Gewinn. Der Banksektor wird von höheren Zinsen tendenziell profitieren, vermutlich auch die Versicherungsbranche. Alle anderen Wirtschaftszweige geraten unter Druck, insbesondere in kapitalintensiven Geschäftsmodellen wie bei Versorgern oder Telecom-Unternehmen.

In den USA sind weitere Zinserhöhungen eine beschlossene Sache. Die Frage ist nur noch, wann und wie viel. Können wir uns deshalb in Europa zurücklehnen?

«Weiter runter werden die mittel- und langfristigen Zinsen nicht mehr gehen»

Die EZB hatte bereits im September 2014 ein massives Staatsanleihen-Kaufprogramm besprochen und es Anfang 2015 dann auch beschlossen. Begonnen wurde es im März 2015 und in der Folge sanken die Zinsen in der Eurozone wie auch in der Schweiz auf ein rekordtiefes Niveau. Aber wie lange noch?

Der Verfall der Ölpreise und der exportfördernde Währungszerfall haben Europas Konjunktur zusätzlich beschleunigt. Vor diesem Hintergrund dürften die extrem niedrigen Zinsen über kurz oder lang der Vergangenheit angehören. Ebenso wie die negativen Teuerungsraten – vielmehr werden wir uns wieder mit Werten über Null beschäftigen müssen.

Weiter runter werden die mittel- und langfristigen Zinsen nicht mehr gehen. Doch steigen die Zinsen allzu abrupt und stark an, entstehen neue Risiken. Auch hierzulande gilt, dass Zinsen nicht nur fallen können, sondern irgendwann auch wieder steigen werden.

Man sollte sich daher nicht zu sehr an ein bestimmtes, von den Notenbanken «künstlich» herbeigeführtes Zinsniveau gewöhnen. Wer sich jetzt nicht auf eine Zinserhöhung auch in Europa und in der Schweiz vorbereitet, wird dies früher oder später bereuen.


BIld buch 161Maurice Pedergnana ist seit einigen Jahren Chefökonom der Zugerberg Finanz, einer grösseren Vermögensverwaltungs-Gesellschaft in Zug mit 25 Mitarbeitern, die sich ausschliesslich auf den Schweizer Markt konzentriert. Der gebürtige Winterthurer war von 1999 bis 2011 im Bankrat der Zürcher Kantonalbank. Er hat mehrere Bücher verfasst und doziert heute noch nebenamtlich an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Sein neustes, soeben erschienenes Werk heisst «Perspektiven für die Vermögensvermehrung».


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Thomas Fedier, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Maurice Pedergnana, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Peter Hody, Steve Hanke, Andreas Britt und Urs Schoettli.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.2%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.92%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.45%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.66%
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