Manche Vorgesetzte neigen dazu, ihre Führungsaufgabe dem Machterhalt unterzuordnen oder sich an Status und Lohn auszurichten, wie der Leadership-Experte Richard Egger auf finews.first schreibt.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


Ob Recep Erdoğan, Wladimir Putin oder Viktor Orbán: Allenthalben findet man Leader, die sich an die Macht klammern, koste es was es wolle. Sie wollen nicht führen, sondern herrschen und sind bereit, dafür zu opfern, wofür sie gewählt wurden: demokratische Prozesse und das Wohl der eigenen Landsleute, manchmal auch deren Leben.

Das kommt bei uns nicht vor, denken Sie vielleicht. Doch auch hier gibt es machtverliebte Leaderinnen und Leader, nicht nur in der Politik, sondern genauso in den Unternehmen. Vielleicht kennen Sie selber welche.

Allerdings gelangt man hierzulande nicht durch Volksverführung oder Populismus in Führungspositionen. Bei uns rutschen Menschen meist darum in eine Vorgesetztenrolle, weil sie fachlich gut sind. Der Kundenberater macht seinen Job kompetent und drängt sich darum als Teamleiter auf, die Buchhalterin arbeitet zuverlässig und findet sich bald als Leiterin im Rechnungswesen wieder.

«Leicht neigen Vorgesetzte dazu, ihre Führungsaufgabe dem Machterhalt unterzuordnen»

Sobald aber die Führung beginnt, kommt auch die Macht ins Spiel. Sie bedeutet, die eigene Absicht auch gegen den Willen anderer durchsetzen zu können. Vielleicht braucht das die Teamleiterin im Backoffice selten zu tun. Aber je höher die Hierarchiestufe, je einflussreicher die Position einer Führungskraft, umso mehr muss sie Entscheidungen fällen, die nicht nur auf Zustimmung stossen.

Darum kann sie kaum verhindern, dass sie sich unbeliebt macht und die Kritik der Mitarbeitenden auf sich zieht.

Manche trösten sich mit den Gegenleistungen, die mit der Vorgesetztenfunktion verbunden sind: Bewunderung, Statussymbole oder mehr Geld. Beides – der Widerstand wie die Privilegien – kann verführen. Leicht neigen Vorgesetzte dazu, ihre Führungsaufgabe dem Machterhalt unterzuordnen oder sich an Status und Lohn auszurichten.

Wirkliche Leader hingegen lassen sich nicht von falschen Anreizen ködern und von ihren Zielen abbringen. Sie meistern ihre Führungsaufgabe deshalb souverän, weil sie wissen, warum sie diese gewählt haben. Vielleicht wollen sie etwas bewegen, Bedeutsames schaffen oder Verantwortung für ein grosses Ziel übernehmen. Auf jeden Fall haben sie eine ganz persönliche Antwort auf die Frage: Warum führe ich überhaupt?

«Allerdings sind solche Freunde rar, besonders in der dünnen Luft oberer Kaderstufen»

Echte Leadership setzt darum zwingend voraus, sich mit der eigenen Führungsmotivation auseinanderzusetzen und mit den Werten, auf denen sie gründet. Echte Leaderinnen sind sich ihres Führungskonzepts bewusst.

Wie gelangt man dahin? – Drei Wege stehen offen. Manch einer hat einen guten Freund, der mehr ist als Saufbruder oder Golfpartner. An ihn wendet er sich, wenn er in schwierigen Führungssituationen steckt. An diesem Sparringpartner kann er sich reiben, um als Persönlichkeit und Leader weiterzukommen. Allerdings sind solche Freunde rar, besonders in der dünnen Luft oberer Kaderstufen.

Auch ein Coach kann weiterhelfen, der die Vorgesetzte eine Zeitlang wohlwollend-kritisch begleitet. Er spielt nicht nur Feuerwehrmann, wenn’s brennt, sondern geht gemeinsam mit ihr ein gutes Stück auf dem Weg von der Führungskraft zur Führungspersönlichkeit.

«Wer sich mit wohlwollend-kritischen Partnern auseinandersetzt, gewinnt Klarheit»

Schliesslich gibt es auch Führungsweiterbildungen, die sich nicht auf das Vermitteln von Skills und Management-Techniken beschränken, sondern die Persönlichkeit der Führungskraft ins Zentrum stellen. Hier geht es darum, dass die Teilnehmenden ihre eigene Person besser kennen lernen, ihre Stärken stärken und ihre Schwächen schwächen können. Hier vergewissern sie sich ihrer eigenen Führungsmotivation und ihres Führungsverständnisses.

Wer sich auf diesen Wegen mit wohlwollend-kritischen und menschlich-verbindlichen Partnern auseinandersetzt, gewinnt Klarheit und Souveränität für die eigene Führungsaufgabe. Er ist besser dagegen gewappnet, der Versuchung von Macht und äusserlichen Anreizen zu erliegen. Dafür konzentriert er sich auf die Aufgabe, für die er da ist: Menschen zu führen, um mit ihnen Ziele zu erreichen.


Richard Egger ist Leadership-Trainer, -Berater und Unternehmer. Zusammen mit seinem Kollegen Paul A. Truttmann bietet er an der Hochschule Luzern zwei Weiterbildungen im Bereich Führung an.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer (zweimal), Oliver Berger, Rolf Banz, Dieter Ruloff, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Peter Hody, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Thomas Fedier, Claude Baumann und Beat Wittmann.

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