Immer mehr Menschen halten die Globalisierung für ungerecht. Hinter dieser Sichtweise verberge sich ein sozialistisch-kollektivistisches Bestreben, schreibt der Ökonom Thorsten Polleit auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Die Globalisierung ist in Verruf geraten. Immer mehr Menschen lehnen sie rundherum ab, halten sie für ungerecht und als Quelle aller Arten von Unliebsamkeiten – wie Wirtschaftskrisen und Wanderungsbewegungen.

Eine solche Pauschalverurteilung der Globalisierung ist jedoch ein grosses Problem. Warum, das wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Globalisierung zwei Dimensionen hat: eine wirtschaftliche und eine politische.

Die wirtschaftliche Globalisierung steht für die grenzüberschreitende Arbeitsteilung. Kein Land produziert mehr nur für den Eigenbedarf, sondern auch für den Bedarf von Produzenten und Konsumenten in anderen Ländern. Und jedes Land produziert dabei das, was es am relativ besten kann.

«Die politische Globalisierung ist eine Kraft»

Die wirtschaftliche Globalisierung, und zu ihr gehört natürlich auch der Freihandel, erhöht die Ergiebigkeit der Arbeit. Ohne sie hätte sich die Armut auf diesem Planeten niemals in dem Ausmass vermindert lassen, wie es in den vergangenen Jahrzehnten geschehen ist.

Die politische Globalisierung ist eine Kraft, die mit der wirtschaftlichen Globalisierung zunächst einmal gar nichts zu tun hat. Sie zielt darauf ab, die Gestaltung aller Beziehungen zwischen den Menschen aus unterschiedlichen Erdteilen obrigkeitsstaatlich zu lenken und zu bestimmen.

Nicht durch den freien Markt, durch Arbeitsteilung und Freihandel soll bestimmt werden, was wann und wo produziert und konsumiert wird, sondern all das soll letztlich das Ergebnis eines ideologisch-politischen Gestaltungswillens sein.

«Die EU zielt in letzter Konsequenz darauf ab, einen Europa-Superstaat zu errichten»

Ein Kernargument der politischen Globalisten ist, die Bewältigung der immer komplexer werdenden Probleme auf der Welt – von Wirtschaftskrisen bis hin zum Umweltschutz – erfordere zentrale Entscheidungszentralen. Der Nationalstaat – als Souveränitätsvertreter der Menschen – habe ausgedient und müsse durch eine global wirkende Politikmacht ersetzt werden.

Hinter dieser Sichtweise verbirgt sich natürlich nichts anderes als ein sozialistisch-kollektivistisches Bestreben. Es liegt beispielsweise der Idee der Europäischen Union (EU) zugrunde. Sie zielt in letzter Konsequenz darauf ab, einen Europa-Superstaat zu errichten, in dem die Nationalstaaten sich wie Zuckerstückchen im heissen Tee auflösen sollen.

«Die EU befindet sich vielleicht sogar bereits in der Auflösung»

Doch dieser Traum ist bis auf weiteres ausgeträumt. Der Machbarkeitswunsch der Vereinheitlichung ist in der harten politischen und wirtschaftlichen Realität gescheitert. Die EU ist im Umbruch – spätestens mit dem Austritt der Briten –, und vielleicht befindet sie sich sogar bereits in der Auflösung.

Unter der US-Präsidentschaft von Donald J. Trump gibt es zudem keine intellektuelle Unterstützung mehr aus Amerika für das EU-Vereinheitlichungsprojekt. Der Macht- und Kurswechsel in Washington entmachtet zwar die politischen Globalisierer – und das gibt Hoffnung auf eine künftig weniger militärisch aggressive US-Aussenpolitik.

Denn Präsident Trump trachtet – anders als seine Vorgänger – nicht danach, eine neue Weltordnung durchzusetzen. Gleichzeitig machen sich jedoch die wirtschaftlichen Globalisierer Sorge.

Das ist verständlich. Denn die Trump-Administration liebäugelt mit protektionistischen Massnahmen, ob nun in Form von Importzöllen oder steuerlichen Diskriminierungen von Importgütern, um die Produktion und Beschäftigung in den USA auszuweiten – und wenn es sein muss, auch auf Kosten anderer Länder.

«Allerdings muss es nicht so kommen»

Ein solches Stören und Zurückdrehen der wirtschaftlichen Globalisierung würde nicht nur den Wohlstand schmälern. Es würde vermutlich auch alte und neue politische Konflikte heraufbeschwören. Allerdings muss es nicht so kommen.

Präsident Trump kann mit seinen geplanten Steuersenkungen – es soll eine gewaltige Erleichterung in Höhe von 9,5 Billionen Dollar über die nächsten zehn Jahre werden – einen derart positiven Wirtschaftsanschub auslösen, dass all die rückwärts gewandten protektionistischen Wahlversprechen alsbald in der Schublade verschwinden.

Und das wäre sehr wünschenswert: Die Globalisierung – die freiwillige Arbeitsteilung und der freie Welthandel – befördert eine produktive und vor allem auch eine friedvolle Kooperation über die Grenzen hinweg.

Daher ist es wichtig, die wirtschaftliche Globalisierung zu bewahren.


Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt beim Goldhändler Degussa und volkswirtschaftlicher Berater des P&R Real Value Fonds. Zudem ist er Autor mehrerer Wirtschaftsbücher. Als Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre lehrt er an der Universität Bayreuth. Der gebürtige Deutsche präsidiert zudem das Ludwig von Mises Institut in Deutschland.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Frédéric Papp, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Claude Baumann, Adriano B. Lucatelli und Nicolas Roth.

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