Beim Verkauf eines Familienunternehmens liegt die Qualität der Berater darin, die Familie vor einem Drama zu bewahren, wie sich das nun zwischen den Burkards und der Firma Sika abspielt, schreibt finews.ch-Redaktorin Katharina Bart auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


Der Vater erstellt’s, der Sohn erhält’s, dem Enkel zerfällt’s. In wohl jeder Sprache existiert ein Bonmot dafür, wie ein Familienvermögen entstehen und sich nach einigen Generationen wieder verflüchtigen kann, etwa wenn die Nachfahren über die ganze Welt verstreut sind, das Interesse an der Firma schwindet oder manche Familienmitglieder untereinander zerstritten sind.

Vermögende Familien beschäftigen oftmals eine Armee an Finanzexperten, Familiy-Office-Spezialisten, Steuer- und anderen Beratern, mit denen sich die Finanzbranche brüstet, die besten Vorkehrungen zu schaffen, um ein Vermögen erfolgreich zu verwalten.

Die Schweizer Familie Burkard ist indessen ein tragisches Beispiel dafür, wie sich ein «Clan» in die Nesseln setzen kann. Die Familie besitzt die Mehrheit an dem Baustoff-Konzern Sika und will diese dem französischen Konkurrenten Saint-Gobain für 2,75 Milliarden Franken abtreten.

«Die Burkards sind keineswegs das einzige Beispiel»

Dagegen wehren sich der Verwaltungsrat und das Management in einem der gehässigsten Rechtskonflikte in der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgesichte.

Die Burkards sind keineswegs das einzige Beispiel: In der Schweiz und Deutschland gibt es eine Menge Firmen in Familienbesitz, die sich teilweise für externe Aktionäre geöffnet haben, wie Volkswagen, Roche, Swatch, Continental, Richemont, Schindler, Merck, Kühne & Nagel, Porsche oder Vontobel. Und natürlich ist jedes Beispiel wieder anders.

Oftmals aber, wie das nun auch bei den Burkards der Fall ist, kontrollieren Familien ihr Unternehmen mit weniger Kapital und mehr Stimmrechten als die übrigen Aktionäre – indem zwei Aktienkategorien existieren. Diese Praxis verhindert feindliche Übernahmen und garantiert der Familie, dass der Verwaltungsrat und das Management der Firma auf die Besitzer hören.

Manche Familienunternehmen wechseln auch ohne grosses Aufhebens ihren Besitzer, wie das etwa bei der Familie Bertarelli der Fall war, die 2006 ihre Biotech-Firma Serono für 10,3 Milliarden Euro dem deutschen Merck-Konzern anvertraute – ebenfalls ein familienkontrolliertes Unternehmen.

«Ein Unternehmen zu besitzen, bedeutet auch Freiheit»

Warum sollte das nicht gehen? Ein Unternehmen zu besitzen, bedeutet ja auch die Freiheit zu haben, über dessen Schicksal zu befinden, selbst wenn das irgendwann einmal heisst, es nach mehreren Generationen zu veräussern.

Warum aber sorgt der Fall Sika für dermassen viel Zündstoff? Tatsächlich haben sich die Burkards in einen gehässigen, medial hochstilisierten Kampf mit dem Verwaltungsrat, dem Management und einigen Aktionären von Sika verwickelt; ein Konflikt der mittlerweile schon zwei Jahre währt.

Verwaltungsrat und Management erlangten sogar prominente Unterstützung, unter anderem von einer Beteiligungsgesellschaft des amerikanischen Milliardärs Bill Gates. Diverse Hedgefonds wetteten an der Börse bereits auf den grossen Showdown, der indessen unzweifelhaft im Sinne der Familie ausfallen wird, aber nicht bevor beide Seiten noch Millionen von Franken in die juristische Auseinandersetzung investiert haben werden.

Ein Gerichtsbeschluss, der später in diesem Jahr zu erwarten ist, wird der ganzen Angelegenheit eine Richtung geben, ohne dass nun aber anzunehmen ist, die Sache sei dann abgeschlossen.

«Wo war die Armada von Beratern?»

Eher deutet einiges darauf hin, dass das zu erwartende Urteil angefochten wird, womit sich die Annahme verhärtet, dass es dereinst gar keine Gewinner geben wird.

Wo eigentlich war die Armada an Beratern, Private Bankern, Familienplanern und anderen Spezialisten, die sich sicherlich irgendwann einmal der Familie empfohlen haben, als es darum ging, einen reibungslosen Verkauf des Familienunternehmens zu vollziehen?

Die Antwort darauf ist, dass selbst die besten Berater und Finanzexperten keine Lösung erzielen können, wenn sich das Engagement der Familie im Unternehmen in Grenzen hält oder gar nicht mehr existent ist.

Ein Vertreter der Burkard-Familie sagte denn auch, der Entschluss, das Unternehmen zu verkaufen, sei gewachsen, nachdem sich die Familie durch das Management der Firma zunehmend ausgegrenzt gefühlt habe.

«In der Beziehung lief etwas schief»

Der heutige CEO von Sika, Jan Jenisch, bestätigt denn auch, dass die Familie nie eine bevorzugte Behandlung erhalten habe, zumindest nicht als Aktionärin.

«Wir verfolgen die Strategie 2018 mit unseren Wachstums-, Margen- und Investitionszielen. Diese Ziele sind transparent und bestens bekannt innerhalb unserer Organisation wie auch in der Finanzgemeinde, sei das nun bei den Aktionären der Familie (Burkard), bei Fondsgesellschaften oder Kleinaktionären», sagte Jenisch gegenüber finews.ch an einem Symposion der «stars foundation» diese Woche in Stein am Rhein.

«Daran möchte ich auch festhalten und sicherstellen, dass wir ein erfolgreiches Geschäft betreiben», sagte der CEO weiter.

Tatsächlich lief in der Beziehung Sika und Burkard etwas schief, besonders im Vergleich zu anderen familiengetriebenen Transaktionen, die wesentlich ruhiger und geordnet über die Bühne gingen, wie der erwähnte Verkauf der Firma Serono an Merck oder der mehrheitliche Rückzug der Familie Bär aus der Bank Julius Bär.

Die Mitglieder der Familie Bär stiegen 2005 aus dem Geschäft aus und gaben gleichzeitig die Kontrolle der Bank ab – nur Raymond J. Bär amtet noch als Ehrenpräsident und verleiht so dem Haus den Markennamen, der für viele Kunden bis heute enorm wichtig ist. Insofern trägt die Familie indirekt nach wie vor zum Erfolg der Bank bei, aber sie übt keinen Einfluss mehr auf das Geschäft aus.

«Manche Familienvertreter können nur schwerlich loslassen»

Es gibt allerdings auch Beispiele, bei denen die Familienvertreter nur schwerlich loslassen können: Der Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne etwa hat den Verwaltungsrat seines Unternehmens Kühne & Nagel schon vor fünf Jahren verlassen und amtet bloss noch als Ehrenpräsident. Das hindert ihn jedoch nicht daran, hinter den Kulissen noch immer viel Einfluss auf die Firma zu nehmen.

Die Porsche-Piech-Familie wiederum lieferte ein Paradebeispiel dafür, wie zerstritten ein Familienclan sein kann, und wie sich dies negativ auf das Unternehmen (Volkswagen) auswirkt. Zwar setzten sich die Familienvertreter zu Verhandlungen zusammmen, konnten sich aber nur darauf einigen, keinen operativen Einfluss mehr auf das Unternehmen zu nehmen.

Doch gerade das erwies sich spätestens mit dem jüngsten Schadstoff-Emissionsskandals als grober Fehler, wären doch viele Kunden und Aktionäre entspannter gewesen, eine Stellungnahme der Familie zu dieser Affäre zu vernehmen. Doch so weit kam es nicht, was Anlass zu einiger Kritik gab.

«Nachfahren der Gründer sind nicht immer die besten Verwalter»

So unterschiedlich die Beispiele der Familien Bär und Porsche-Piech sind, sie zeigen beide doch auf, wie wichtig es ist, bei allfälligen Verhandlungen auch den erklärten Willen zu einer Lösung zu haben und dabei auch die Emotionen aus dem Spiel zu halten. Ausserdem muss da auch klar die Einsicht herrschen, dass die Nachfahren der Gründerfamilie nicht (mehr) unbedingt die besten Verwalter des Unternehmens sind.

Insofern funktioniert ein Familienunternehmen vor allem dann, wenn die Rolle – ob aktiv oder passiv – der Familienmitglieder klar definiert ist – was offensichtlich bei Sika und den Burkards am Ende nicht mehr der Fall war.

Natürlich bietet das Engagement von Familienmitgliedern in einem Unternehmen keine Garantie auf Erfolg, aber ein aktives Mitwirken beugt vor Meinungsdifferenzen oder gar Konflikten vor.

Im Fall Sika deutet einiges darauf hin, dass die Familie Burkard nicht die nötige professionelle Beratung und Betreuung – etwa von einer Investmentbank – suchte oder erhielt, um einen Verkauf angesichts der Komplexität und Grösse der Transaktion (immerhin fast drei Milliarden Franken) erfolgreich abzuwickeln.

Die Klage der Familie Burkard, von der Sika-Führung zu wenig geschätzt und gewürdigt worden zu sein, sollte auch ein Weckruf für Family Offices und andere Vermögensberater sein: Familienmitglieder mögen vermutlich nicht so gern unbequeme Wahrheiten über ihre Firma hören wollen.

Doch die Qualität eines Beraters liegt gerade darin, eine Familie vor einem Drama zu bewahren, wie sich dies nun zwischen den Burkards und Sika abspielt. Selbst die Burkards räumen ein, seitdem der Konflikt eskaliert ist, dass man im Nachhinein immer klüger sei.


Katharina Bart ist als Senior Contributor für finews.ch und finews.com tätig. Darüber hinaus schreibt sie auch für die asiatische Partnerseite finews.asia. Die schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin ist seit knapp 15 Jahren im Journalismus tätig, zuletzt war sie Chief Correspondent im Zürcher Büro der internationalen Nachrichtenagentur «Thomson Reuters», für die sie insgesamt vier Jahre arbeitete. Zuvor war sie von 2003 bis 2011 Correspondent für das «Wall Street Journal» sowie für die Nachrichtenagentur «Dow Jones Newswire».

Nach ihren Studien in Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Grand Valley State University in Michigan, USA, sowie an der Universität in Fribourg in der Schweiz, arbeitete Bart unter anderem für die damalige Zurich Financial Services (ZFS) sowie für den Industriekonzern Rieter und Friedli Corporate Finance.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Thomas Fedier, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Peter Hody, Steve Hanke, Andreas Britt, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana und Stefan Kreuzkamp.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.22%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.74%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.9%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.48%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.67%
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