Max H. ist Schweizer Banker und arbeitet seit mehr als zehn Jahren in Hongkong in der Finanzbranche. Im Interview mit finews.ch zu seiner persönlichen Wahrnehmung der Proteste will er lieber anonym bleiben. 


Max H., wie stark beeinträchtigen die anhaltenden Protestaktionen Ihren Alltag in Hongkong?

In Hongkong selber ist es viel ruhiger, als man das im Ausland gemeinhin annimmt. Die Demonstrationen finden in der Regel nur an den Wochenenden statt. Die Bilder in den Medien vermitteln einen trügerischen Eindruck, auf den ich sogar hereingefallen bin.

Wie denn das?

Von aussen gesehen denkt man schnell einmal, hier sei der Teufel los. Ich war unlängst in Thailand in den Ferien. Als ich die Bilder der Gewalteskalation im Fernsehen sah, dachte ich, in Hongkong sei das pure Chaos ausgebrochen.

«Es gab tatsächlich ein paar Tage, an denen die Chefs gesagt haben: Leute, bleibt besser zu Hause»

Ich bin dann früher abgereist – um festzustellen, dass alles seinen gewohnten Gang nimmt. Das Leben geht weiter – auch jetzt.

Machen Sie nun mehr Home Office?

Es gab tatsächlich ein paar Tage, an denen die Chefs gesagt haben: Leute, bleibt besser zu Hause. Mit dem Laptop ist das relativ einfach.

Gibt es jetzt mehr zu tun, weil die Kunden verunsichert sind?

Diese Antwort müssen Sie sich selber geben. Ich denke, ich darf dazu nichts sagen, weil man mich sonst identifizieren könnte.

Haben Sie Angst?

Vorläufig nicht. Ich habe schon anderswo im Ausland gelebt, wo es zu politischen Tumulten kam. Denken Sie nur an Thailand, wo es in den vergangenen 20 Jahren regelmässig zu grösseren Unruhen gekommen ist. Wenn allerdings die Chinesen hier einmarschieren, dann geht alles den Bach runter.

Wie meinen Sie das?

Die Uno beispielsweise müsste Sanktionen erlassen. Und stellen Sie sich vor, wenn Bilder mit Toten auf Hongkongs Strassen um die Welt gingen... Viele internationale Unternehmen würden abwandern. Und was geschähe mit den amerikanischen Staatsanleihen, die die Chinesen massenhaft halten? Würden sie konfisziert?

«Wenn es tatsächlich zu einem Einmarsch kommt, ist China sicher nicht mehr die Zukunft»

Ich denke, die Welt ist auf eine solche Situation überhaupt nicht vorbereitet. Wenn es tatsächlich zu einem Einmarsch kommt, ist China sicher nicht mehr «die Zukunft» – für niemanden.

Diskutieren Sie im Büro die Geschehnisse mit Ihren Kolleginnen und Kollegen?

Ja, wir diskutieren bankintern sehr offen über die Entwicklung, fast täglich, selbst mit den Vorgesetzten. Das Thema ist ja auch für unsere Arbeit relevant.

«Man hat die Hongkonger brandschwarz angelogen»

Man hat uns zudem gewarnt, möglichst ohne Mobiltelefon nach China zu reisen – sofern man das derzeit überhaupt noch möchte. Die Gefahr ist gross, dass einem das Handy weggenommen würde und man dann kommunikationslos dastünde. Bis jetzt sind auch noch viele Zeitungen in Hongkong erstaunlich frei in ihrer Berichterstattung. 

Wie denken Ihre Arbeitskollegen? Pro oder contra Demokratiebewegung?

Meistens pro. Das hat historische Gründe. Der Kern des Problems ist, dass China den Hongkongern im Jahr 2012 falsche Versprechen gemacht hat. Damals hätte es freie Wahlen geben sollen, die aber nie stattgefunden haben. Man hat die Hongkonger brandschwarz angelogen. Seither ist nichts mehr wie früher. Die Regenschirm-Bewegung von 2014 war bereits ein Ausdruck dieses Unmuts.

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