Die Schweizerische Bankiervereinigung hat einen Leitfaden zum Umgang mit Daten im Geschäftsalltag der Banken verfasst.

Andrea Luca AerniVon Andrea Luca Aerni, wissenschaftlicher Mitarbeiter Digitalisierung

Die wachsende Menge an digital erhobenen Daten und neue technologische Möglichkeiten steigern das Potenzial einer systematischen Datennutzung, die sowohl den Datenschutz gewährleistet als auch neue Erkenntnisgewinne für die Kunden und Banken ermöglicht.

Dies hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) dazu veranlasst, einen Leitfaden zum Umgang mit Daten im Geschäftsalltag zu verfassen. Begleitend zur Publikation werden in den kommenden Wochen an dieser Stelle diverse Blogs veröffentlicht. Der vorliegende Beitrag stellt den Startschuss für eine über den Leitfaden hinausgehende Auseinandersetzung zum Umgang mit Daten in der Finanzbranche dar.

Wussten Sie, dass die Schweiz ein Rechenzentrumsland ist? Laut einer Studie von Coldwell Banker Richard Ellis (CBRE) besteht in hierzulande die zweithöchste Rechenzentrumsdichte pro Kopf in Europa. Die Wirtschaftssendung «Eco» kam im vergangenen Februar zum Schluss, dass ein Ende des gegenwärtigen Wachstums beim Bau von neuen Rechenzentren nicht in Sicht ist.

Das exponenzielle, von privaten und staatlichen Akteuren getriebene Datenwachstum führt zu einem unaufhörlichen Bedarf an digitaler Infrastruktur. Schätzungen besagen, dass sich die globale Datenmenge zwischen 2021 und 2025 von 60 auf 175 Zettabyte1 verdreifachen wird.

Auch die Finanzbranche ist vom Datenwachstum betroffen

Die Finanzbranche ist von diesem Trend ungleich stärker betroffen als andere Sektoren. Dazu kommt, dass nur wenige Unternehmen derzeit einen so starken Druck verspüren, sich neu erfinden zu müssen wie die Banken. Ihr Kerngeschäft wird insbesondere durch «BigTechs» immer stärker herausgefordert.

Ausserdem drängen zunehmend branchenfremde Unternehmen in die Wertschöpfungsketten und versuchen, ein eigenes Kunden-Ökosystem inklusive Zahlungen, Kreditvergabe und anderen, traditionell aus dem Finanzsektor stammenden, Leistungen aufzubauen. Obendrauf werden mobile Applikationen beliebter, da Anwender vermehrt mit dem Smartphone bezahlen, sparen und anlegen möchten.

Bei all diesen Prozessen fallen zunehmend grössere Datenmengen an, die übermittelt, gespeichert und verarbeitet werden müssen. Sowohl bei Banken als auch bei anderen Akteuren. Diese wachsende Menge an digital erhobenen Daten und neue technologische Möglichkeiten steigern das Potenzial einer systematischen Datennutzung, die sowohl den Datenschutz gewährleistet als auch neue Erkenntnisgewinne für die Unternehmen ermöglicht.

So können zum Beispiel Kundenbedürfnisse besser verstanden und in innovative Geschäftsmodelle überführt, interne Prozesse effizienter ausgestaltet und das Risikomanagement verbessert werden. Banken sollten sowohl rechtlich als auch organisatorisch in der Lage sein, dieses enorme Potenzial vollständig auszuschöpfen.

Leitfaden verschafft Übersicht

Vor diesem Hintergrund hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) einen Leitfaden zum Umgang mit Daten im Geschäftsalltag verfasst. Dieser soll Bankmitarbeitenden die keine juristischen Experten sind, aber dennoch tagtäglich mit Fragen zum Umgang mit Daten konfrontiert sind, eine Orientierungshilfe bieten.

Gleichzeitig soll der Grundstein für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema innerhalb der Schweizer Finanzbranche gelegt werden. Für die SBVg ist zentral, dass Kundinnen und Kunden den Schutz und den vertrauenswürdigen Umgang mit ihren Daten stets gewährleistet wissen und gleichzeitig gemeinsam mit den Banken von den Chancen neuer technologischer Entwicklungen profitieren können.

Der Leitfaden veranschaulicht allgemeine Regelungskonzepte zur Datenbearbeitung anhand von sechs unterschiedlichen Anwendungsfällen aus dem Bankgeschäft. Die identifizierten «Use Cases» bieten einen unmittelbaren Mehrwert für die Kundinnen und Kunden sowie die Unternehmen.

Dies sind der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) für Compliance-Zwecke, die Kreditprüfung, die Nutzung von Daten für Trendanalysen und Benchmarking, die biometrische Authentifizierung, personalisierte Angebote und Beratung sowie datenbasierte Loyalitätsprogramme.

Am Ende geht es auch um Vertrauen

Der Umgang mit Daten bietet eine über die Inhalte des Leitfadens hinausgehende Vielzahl an Dimensionen und Betrachtungsmöglichkeiten. Neben rechtlichen Fragen spielen die Organisation, Vision und Strategie eines Unternehmens, die Schulung von Mitarbeitenden, Fragen der Kultur und Details rund um die technologische Infrastruktur eine entscheidende Rolle.

Die Fragestellungen sind ausserhalb des juristischen Kontextes zumeist hochgradig spezifisch und ein «One size fits all»-Ansatz würde der heterogenen Schweizer Bankenlandschaft nicht gerecht werden.

Eine Konstante, die jedoch für die gesamte Finanzbranche gilt, ist das Bedürfnis nach Vertrauen. Gegenüber anderen Sektoren, zum Beispiel der Telekommunikation oder dem E-Commerce, geniessen Banken laut einer in den USA durchgeführten Studie von McKinsey das grösste Vertrauen, einen sorgfältigen Umgang mit Daten auch in Zukunft sicherstellen zu können.

Dieser Vertrauensvorschuss sollte ausgebaut werden, indem gegenüber den Kundinnen und Kunden transparenter gemacht wird, was mit den Daten passiert und welcher Mehrwert durch das Teilen von Daten zu erwarten ist.

Eine Möglichkeit wäre, den Kundinnen und Kunden nicht nur die Wahl zu lassen, ob Daten geteilt werden, sondern auch welche und wie viele. Wenn sichtbar wird, dass beide Seiten vom Datenaustausch profitieren, werden wiederum sowohl das Vertrauen als auch die Bereitschaft zur Preisgabe von Informationen wachsen.

Dadurch erhalten Banken nicht nur bessere, sondern auch mehr Daten. Die Kundinnen und Kunden geniessen im Gegenzug qualitativ hochwertigere und massgeschneiderte Angebote und Dienstleistungen.

1Zettabyte entspricht ca. 281 Billionen MP3-Dateien in Standardlänge oder 36'000 Jahren Video in HD-Qualität. Gute Infografiken zur Visualisierung dieser gigantischen Datenmengen finden sich hier, hier und hier.