Die Schweiz und insbesondere das «Crypto Valley» behaupten, über die besten Standortqualitäten für Finanzdienstleistungen mit Digitalen Anlagen zu verfügen. Nun erhobene Daten machen allerdings einen Reality-Check nötig.

Ein am Donnerstag veröffentlichter «Swiss Digital Asset and Wealth Report» spricht von einer «unglaublichen Breite und Tiefe der Schweizer Digital Asset Industrie, die aus dem Crypto Valley entsprungen ist.»

Fürwahr: Unternehmergeist, eine progressive und zukunftsgerichtete Regulierung sowie die klassischen Schweizer Standortqualitäten haben den Aufbau des Ökosystems «Crypto Valley» mit über 960 Unternehmen und 5'200 Arbeitsplätzen ermöglicht.

Rund 50 Unternehmen 

Von diesen Unternehmen ist nur ein Bruchteil spezifisch im Bereich von Digital Assets und Crypto Finance tätig. Der Autor des Berichts, der Ex-Banker und Krypto-Investor Alexander Brunner, hat ihn in Kooperation mit dem Blockchain-Investor CV VC erstellt. Er zählt rund 50 Unternehmen zum Schweizer Digital Asset Ökosystem. Dazu zählen Technologiedienstleister, Custodians, Broker, Asset Manager und Wealth Manager.

Manche dieser Unternehmen wie etwa der Broker Bitcoin Suisse oder die ersten lizenzierten Kryptobanken der Welt, Seba und Sygnum, sind zu den voll integrierten Anbietern zu zählen. Dann gibt es Infrastruktur-Spezialisten wie Dsent, Metaco, Custodigit oder Taurus, die etwa in der sicheren Verwahrung von Token und Coins aktiv sind.

Banken: Zaghaft, im Einzelfall progressiv

Es gibt traditionelle Banken wie Incore oder die Hypothekarbank Lenzburg, die Infrastruktur und Bankingdienstleistungen anbieten, sowie ein grössere Anzahl von Geldinstituten, die zaghaft mit einem Kundengeschäft begonnen haben. Zu nennen sind Julius Bär, Bordier, die Neue Privatbank oder die BBVA (Schweiz) – und es gibt die Zürcher Privatbank Maerki Baumann, die auch Advisory für Digitale Assets anbietet. Die Liste ist keineswegs vollständig.

In einem Gespräch mit Journalisten wies Autor Brunner auch auf die schwach entwickelten Bereiche in dem Ökosystem hin: Die Absenz von regulierten Handelsplattformen und der Mangel an Advisory, was die Etablierung und den Aufbau eines Kundengeschäfts erschwert. Vor allem Banken würde das Fehlen einer regulierten Schweizer Krypto-Börse davon abhalten, ins Geschäft einzusteigen, so Brunner.

Mangelndes Volumen

Doch so viel ist klar: In diesem Ökosystem steckt viel Wert. Der kürzlich erfolgte Kauf der Crypto Finance Group durch die Deutsche Börse war ein Ritterschlag auch für die anderen Schweizer Player gewesen und hat einen neuen Benchmark für die Bewertungen gesetzt.

Der Report deckt aber eine weitere grosse Schwäche des Schweizer Marktes für Digital Assets auf: Mangelndes Volumen. Im Bericht werden die in Produkten verwalteten Vermögen auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt, wobei der Löwenanteil mit 1 Milliarde auf den ETF-Anbieter 21Shares entfalle.

Klares Hindernis

Die Schätzung ist unscharf, wie auch Brunner einräumt. Sie berücksichtigt beispielsweise nicht Zertifikate-Anbieter wie Vontobel oder Leonteq und wagt mangels Informationen der Player auch keine Schätzung bezüglich der Assets under Custody.

Aber der Bericht hält fest: Als Fonds-Domizil sei die Schweiz im Vergleich zu Luxemburg, Grossbritannien, den USA oder Singapur klein. «Das Fehlen von Skalierungsmöglichkeiten ist ganz klar ein Hindernis», heisst es.

Potenzial vorhanden, aber nicht genügend

Eher ernüchternd ist das in der Schweiz brachliegende Potenzial an potenziell in Krypto investierbaren Vermögen. Zwar verwalten die Schweizer Privatbanken gemeinsam rund 6,5 Billionen Dollar. Weitere 2,5 Billionen Franken liegen bei Schweizer Asset Managern. Wenn man eine Allokation in Digitale Assets von etwa 3 Prozent zum Massstab nimmt, ergibt der Schweizer Markt ein potenzielles Volumen von weniger als 30 Milliarden Franken.

Die Zahl rückt die Verhältnisse zurecht. Sprich: in der aufgebauten Infrastruktur spielt eine äusserst hoffnungsfrohe Zukunftsmusik. Das Potenzial von rund 30 Milliarden Franken Kundengeldern, private wie institutionell, bietet kaum genug Futter für einen wirtschaftlichen Betrieb des Schweizer Ökosystems für Digitale Assets.

«Es braucht Sprünge»

Brunner verweist auf die Absenz der beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS, die weiterhin eine abwartende bis ablehnende Haltung einnähmen. Mit weiterer internationaler regulatorischer Klarheit und dem erwarteten Start der durch die Schweizer Börse SIX betriebenen Krypto-Handelsplattform SDX würde sich diese Haltung wohl ändern, auch auf Druck von Kunden.

«Es braucht Sprünge», sagt auch Brunner, während man derzeit noch in den Anfängen stecke. Angesichts der nüchternen Zahlen zum Schweizer Markt ist aber offensichtlich, dass der Blick und die Strategien der Anbieter über die Schweizer Grenzen hinausgehen muss. Das Schweizer Ökosystem für Digitale Assets muss sich international ausrichten und Auslandsmärkte ins Visier nehmen. Sonst wird es zu einer massiven Konsolidierung kommen.

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