Die «ungeheuerlichen Vorhersagen» der dänischen Saxo Bank sind nie ganz ernst gemeint, haben aber immer einen durchaus seriösen Hintergrund. Sie geben einen guten Einblick in das, was Bankerinnen und Banker in der Nacht wach hält.

Wer im vergangenen Dezember vorhergesagt hätte, dass es am östlichen Rand Europas einen grossen bewaffneten Konflikt mit Zehntausenden Toten geben würde, der wäre bestenfalls für paranoid erklärt worden oder hätte im schlimmsten Fall seinen Job verloren.

Ganz nach dem Motto, nur wer auch mal das Undenkbare denkt, kann sich für fundamentale Änderungen wenigstens mental wappnen, stellen die Expertinnen und Experten der dänischen Saxo Bank jedes Jahr Szenarien zusammen, die zwar als hochgradig unwahrscheinlich gelten dürften, aber nicht völlig einer realen Grundlage entbehren.

Der Saxo-Chefökonom Steen Jakobsen (Bild unten) und seine Kollegen haben ihre Liste der zehn «ungeheuerlichen Vorhersagen» für das Jahr 2023 vorgelegt.

jackobsen Saxo

(Bild: Saxo Bank)

1. Koalition von Milliardären startet Billionen-Dollar-Projekt für Energie

Der ständig wachsende globale Energiebedarf veranlasst die reichsten Menschen der Welt, sich zusammenzuschliessen und ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zu starten, wie es die Welt seit dem Manhattan-Projekt, das den USA die erste Atombombe bescherte, nicht mehr gesehen hat. Der wachsende Energiebedarf durch Elektromobilität und Digitalisierung, bei der gleichzeitigen Notwendigkeit einer Abkehr von den fossilen Energieträgern, lässt einen Klub von Milliardären angesichts des Versagens der Politik ungeduldig werden, eine Energiewende herbeizuführen. Sie gründen ein Konsortium namens «Third Stone», das neben Energie auch in Forschung zu künstlicher Intelligenz investiert

2. Der französische Präsident Macron tritt zurück

Die politische Pattsituation in Frankreich und der Aufstieg von Marine Le Pen nach den Wahlen von 2022 zwingen Präsident Macron dazu, die Politik aufzugeben und von seinem Amt zurückzutreten - zumindest vorläufig. Eingezwängt zwischen dem politischen Block am linken Rand und dem rechten Rassemblement National, kann die Regierung ihren Haushalt nur per Präsidial-Erlass durchsetzen. Angesichts von Wahlprognosen, die ein weiterhin blockiertes Parlament vorhersagen, verzichtet Macron auf vorgezogene Wahlen und folgt dem Vorbild Charles de Gaulles, indem er vom Präsidentenamt zurücktritt.

3. Gold schiesst auf 3'000 Dollar

Die Märkte und die Zentralbanken erkennen, dass die Annnahme, die Inflation sei nur vorübergehend, falsch ist und die Preise länger höher bleiben werden. In Reaktion auf das Versagen der Notenbanken, die Preissteigerungen und die Zweitrundeneffekte in den Griff zu bekommen, schiesst der Goldpreis in die Höhe und erreicht die Marke von 3’000 Dollar.

4. EU-Armee zwingt EU auf den Weg zur vollen Union

Angesichts der anhaltenden Herausforderungen in der Region und eines US-Militärs, das seine frühere Rolle als «Weltpolizist» nicht aggressiv wahrnimmt, beschliesst die Europäische Union, bis 2028 eigene Streitkräfte mit Armee, Marine und Luftwaffe unter einer einheitlichen zentralen Führung zu schaffen, was die gesamte Region näher zusammenrücken lässt.

5. Mindestens ein Land verbietet bis 2030 die gesamte Fleischproduktion

In dem Bestreben, auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen weltweit führend zu werden, beschliesst ein Land, nicht nur eine hohe Steuer auf Fleisch zu erheben, sondern die heimische Produktion ganz zu verbieten. Mehr als ein Drittel des weltweit angebauten Getreides wird als Tierfutter verwendet, und rund 80 Prozent der weltweiten Ackerflächen werden für Weidevieh genutzt. Die Fleischwirtschaft produziert mehr als doppelt so viele Treibhausgase wie die übrige Landwirtschaft.

6. Grossbritannien hält Referendum zu Brexit-Rücknahme ab

Nach einer Rezession und innenpolitischem Druck gerät das Vereinigte Königreich in politische Turbulenzen, die mit einer Abstimmung über die Rücknahme des Brexit enden. Die Turbulenzen unter Premierministerin Liz Truss haben das wirtschaftliche Dilemma in dem sich das Land befindet offenbart. Die Austeritätspläne von Rishi Sunak mit Steuererhöhungen und Haushaltseinsparungen stabilisieren die Lage nicht nachhaltig Das führt zu vorgezogenen Neuwahlen, die in einem Labour-Sieg enden, sowie einem Referendum über einen erneuten EU-Beitritt im Herbst.

7. Preiskontrollen sollen die Inflation begrenzen

Die Geschichte lehrt, dass mit der Kriegswirtschaft auch Rationierungen und Preiskontrollen einhergehen. Diesmal ist es nicht anders, denn die politischen Entscheidungsträger werden strenge Preiskontrollen einführen, die zu einer Reihe unbeabsichtigter Folgen führen. Erste Beispiele mit Übergewinnsteuern und Preisobergrenzen für Energie hat man bereits gesehen. Jedoch birgt eine Preiskontrolle, ohne das zugrunde liegende Problem zu lösen, auch Gefahren. Dies kann zu mehr Inflation führen. Durch einen sinkenden Lebensstandard aufgrund von Fehlanreizen bei der Produktion und einer Fehlallokation von Ressourcen und Investitionen kann auch das soziale Gefüge zerrissen werden.

 8. OPEC+ und Indien verlassen den IWF und schaffen eine neue Reservewährung

Die Sanktionen gegen Russland haben in Ländern auf der ganzen Welt, die die USA nicht als Verbündete betrachten, zu weit verbreiteten Turbulenzen aufgrund der Bewegungen des US-Dollars geführt. Um sich davon zu befreien, verlassen sie den IWF und schaffen eine neue Reservewährung.

9. Japan fixiert Währung bei 200 Yen zum Dollar

Nach den Herausforderungen, mit denen der japanische Yen im Jahr 2022 konfrontiert war, versucht die Bank von Japan, die Währung vor dem Abrutschen zu bewahren. Da dies auf lange Sicht nicht gelingt, wird Japan sein gesamtes Finanzsystem umstellen.

10. Verbot von Steueroasen tötet Private Equity

Mit der Kriegswirtschaft rücken nationale Interessen und die Durchsetzungsfähigkeit souveräner Nationen stärker in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang richten die OECD-Länder ihr Augenmerk auf Steueroasen und fahren die grossen Geschütze auf, indem sie diese ganz verbieten. Das bedeutet, dass Unternehmen in OECD-Ländern nicht mit Kapital gekauft werden dürfen, das aus Steueroasen stammt. Diese Geschäfte sind nur noch mit Geld aus OECD-Ländern oder solchen möglich, welche die OECD-Transparenzstandards übernehmen. Dazu zählt auch ein automatischer Informationsaustausch, die Registrierung der wirtschaftlich Begünstigten und eine länderspezifische Berichterstattung. Zudem werden in den USA die als Kapitalerträge besteuerten Carried Interest ebenfalls als ordentliche Einkommen deklariert. Diese Massnahmen werden die gesamte Private-Equity- und Risikokapitalbranche erschüttern, wodurch ein Grossteil des Ökosystems zum Erliegen kommt und börsennotierte Private-Equity-Firmen einen Bewertungsabschlag von 50 Prozent hinnehmen müssen.

Bei einigen Themen nicht völlig daneben

Im vergangenen Jahr hatten die Vorhersagen von Saxo für 2022 unter anderem eine Inflationsrate von 15 Prozent in den USA vorhergesagt oder ein Wettrüsten im All, ausgelöst durch neue Hyperschallwaffen, gegen die es keine konventionelle Abwehr gibt. In den USA hatte die Inflation im Juni in der Spitze 9,1 Prozent erreicht - in der Eurozone lag sie über 10 Prozent. Und Hyperschallwaffen wurden inzwischen von Russland gegen Ziele in der Ukraine eingesetzt. Auch eine Facebook-Krise oder eine Umwälzung bei globalen Allianzen waren im vergangenen Jahr Themen der Saxo-Expertinnen und Experten.

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